Die 100 Prozent-Botschaft ist ganz oben angekommen - ein Grund für neue Zuversicht! Es ist schon ein gewaltiger Unterschied, ob der Solarenergie-Förderverein Deutschland die vollständige Energiewende fordert, oder Al Gore, ein Mann, der sich nicht nur eine hervorragende Kompetenz auf dem Gebiet des Klimawandels erarbeitet hat, sondern der zudem als ehemaliger Vizepräsident der USA über die notwendige politische Erfahrung und politischen Verbindungen verfügt, um seine Ideen in die Praxis umzusetzen.

Viele von Ihnen haben den preisgekrönten Dokumentarfilm „eine unbequeme Wahrheit“ mit Al Gore in der Hauptrolle gesehen - wer es noch nicht getan hat, sollte das unbedingt nachholen. Ein Film mit einer klaren Diagnose der beginnenden Klimakatastrophe und ihrer Ursachen. Nur einen Mangel hatte dieser Film: die Therapievorschläge im Abspann erschöpften sich in gutgemeinten Vorschlägen an das persönliche Verhalten der einzelnen Weltbürger.

Noch vor einem Jahr hatte deshalb der SFV einen offenen Brief an Al Gore geschrieben mit der Aufforderung, nicht nur Appelle an das Gewissen von Idealisten zu richten, sondern die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen zu ändern. Ob Al Gore diesen Brief gelesen hat, wissen wir nicht. Aber er hat wohl selber erkannt, wie wirkungslos Appelle an Idealisten bleiben. Heute jedenfalls erklärt Al Gore - er und seine Bewegung seien nicht angetreten um (nur) Glühlampen gegen Energiesparlampen auszuwechseln, sondern sie wollten Gesetze auswechseln - genau das, was wir immer gefordert haben, was aber aus der Position einer Nicht-Regierungs-Organisation heraus so unendlich schwer zu erreichen ist.

Noch vor wenigen Monaten gehörte der Solarenergie-Förderverein Deutschland zu den wenigen Organisationen, die auf mittlere Sicht eine Energiewende zu 100 Prozent für möglich hielten und selbst diese vorsichtige Sichtweise wurde von vielen - sogar von Umweltfreunden - für völlig realitätsfremd gehalten. Heute übertrifft uns Al Gore bei weitem mit seiner Aufforderung an die Politiker seines Landes, die Stromversorgung der gesamten USA innerhalb von nur 10 Jahren auf 100 Prozent CO2-freie Energien umzustellen. Barack Obama hat versprochen, dieses Ziel zu unterstützen, und selbst McCain hat erklärt, wenn Al Gore das für möglich hielte, dann sei das wohl möglich. Ausgerechnet im US-Wahlkampf kippt das Paradigma von der Unverzichtbarkeit der fossilen und nuklearen Energien, das die Energiewende so verhängnisvoll verzögert hat.

Und jetzt? Wer heute noch an diesem alten Paradigma festhält, wirkt inzwischen ein wenig rückständig. In der New York Times vom 13. September 2008 unter der Überschrift Making America Stupid (Amerika verdummen) macht sich der bekannte Journalist Thomas L. Friedman darüber lustig, dass bei einer Versammlung der Republikaner in St. Paul die Delegierten unter Leitung von Rudy Giuliani (ehemaliger Bürgermeister von New York) die Parole skandierten „drill baby drill“. Die Aufforderung, im eigenen Land nach Öl zu bohren, kommt ihm so vor, als würde jemand im Computer- und Internetzeitalter die USA auffordern, mehr I.B.M Schreibmaschinen und Kohlepapier zu produzieren.

Hoch interessant ist die Art und Weise, wie Al Gore das alte Paradigma zum Kippen gebracht hat. Er hat nicht etwa vorgerechnet, woher die benötigten Erneuerbaren Energien kommen, so wie wir das tun, sondern er hat politisch argumentiert.

Lesen Sie es selber nach. Wir haben seine Rede ins Deutsche übersetzt und im Solarbrief 3/08 abgedruckt. Nehmen Sie sich die Zeit für die Lektüre. Sie können dann später sagen, Sie seien dabeigewesen, Sie hätten es selbst erlebt, wie eines der unheilvollsten Vorurteile der menschlichen Geschichte zum Einsturz gebracht wurde. Und helfen Sie mit, auch noch die letzten Trümmer wegzuräumen. Es bleibt immer noch genug zu tun!