Ein Umstieg auf Erneuerbare Energien ist aus zwei Gründen unumgänglich.
Zum Einen sind die Vorräte an konventionellen Energieträgern begrenzt, und mit ihrem Zuendegehen nimmt die Gefahr von Wirtschaftskrisen und die Gefahr zerstörerischer Verteilungskämpfe zu.
Zum Anderen schädigen die Emissionen aus der fossilen Energiegewinnung das Weltklima immer nachhaltiger. Inzwischen erwartet man bei weiterer Fortsetzung der Emissionen sogar schon klimabedingte Zerstörungen, die das Ausmaß kriegerischer Katastrophen erreichen oder übersteigen können. Anders aber als bei einem Krieg, der irgendwann ein Ende hat, werden die Hurrikane, Überschwemmungen und Trockenperioden selbst dann nicht wieder aufhören, wenn die Emissionen in verspäteter Einsicht irgendwann einmal völlig eingestellt werden. Wegen der Trägheit des Klimasystems kann die Katastrophe danach noch über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte fortdauern.
Seit dem Umweltgipfel 1992 in Rio de Janeiro folgt eine internationale Klimakonferenzen auf die andere (Berlin, Genf, Kyoto, Den Haag, Bonn, Marrakesch, Mailand, Buenos Aires, Montreal, Nairobi). Die Tatsache, dass diese nicht etwa von Umweltorganisationen sondern von der UNO organisiert und von Regierungsvertretern der meisten Staaten besucht werden, zeigt die tiefe Beunruhigung der Regierungen. Die kärglichen Ergebnisse hingegen demonstrieren ihre Hilflosigkeit.
Der häufig zitierte Report des ehemaligen Weltbankpräsidenten Sir Nicholas Stern im Auftrag der britischen Regierung beziffert - und das ist eine so bisher noch nicht öffentlich geäußerte Erkenntnis - die zu erwartenden Schäden auf zwischen 5 bis 20 Prozent des Bruttoinlandprodukts (das nicht nur einmal, sondern - solange die Klimakatastrophe andauert - jedes Jahr wieder!). Auch macht Stern darauf aufmerksam, dass weiteres Nichtstun die teuerste Variante sein wird. Allerdings zieht auch der Stern-Report nicht die naheliegende Folgerung, dass man die bisherige Technik der Energiegewinnung durch die Nutzung der Erneuerbaren Energien vollständig ersetzen muss.
Die bisweilen angebotene sogenannte "Alternative der Atomenergienutzung" ist nach unserer Einschätzung in einer Welt, die immer stärker von den Folgen des Terrorismus geschüttelt wird, und die sich bemüht, die Ausbreitung der Atomtechnik zu kriegerischen Zwecken zu verhindern, keine vertretbare Alternative. Da die Energieprobleme weltweit gelöst werden müssen, ist nur eine Technik geeignet, die auch weltweit - d.h. auch in politisch instabilen Ländern - eingesetzt werden kann. Die aus der Nutzung konventioneller Energien herrührenden Gefahren müssen deshalb so rasch wie möglich nicht durch die Atomenergie, sondern durch eine andere Energietechnik abgewendet werden, die gefahrlos auch in Entwicklungsländern eingesetzt werden kann. Wer hier einwendet, dass man für die Entwicklungsländer ja durchaus die Erneuerbaren Energien einsetzen könne, bedenkt nicht, dass zur Zeit noch das wesentliche Hemmnis für die Erneuerbaren Energien ihr hoher Preis ist. Wenn sie derzeit noch für den Einsatz in den kapitalkräftigen Industrieländern für zu teuer erachtet werden, wie sollen sie sich dann in den unter Kapitalmangel leidenden Entwicklungsländern durchsetzen? Die Erneuerbaren Energien müssen deshalb in den Industriestaaten marktfähig gemacht werden.
Der Lösungsansatz der Regierungen
Derzeit setzen die Regierungen auf den Emissionshandel. Der Ausstoß von Kohlendioxid soll schrittweise verteuert werden, so dass ein wirkungsvoller Anreiz entsteht, Kraftwerke mit geringeren CO2-Emissionen zu bauen. Doch Kraftwerke mit geringerem CO2-Ausstoß genügen nicht. Wir brauchen Kraftwerke ganz ohne CO2-Ausstoß!
Der Grund ist leicht zu verstehen: Da weltweit der Energiebedarf ständig weiter zunimmt - man denke nur an den Ausbau der Energieversorgung in China und Indien - genügt es nicht, den CO2-Ausstoß jedes einzelnen Kraftwerks im günstigsten Fall im Lauf von 10 Jahren vielleicht um 30 Prozent zu reduzieren. Wenn der Energieverbrauch insgesamt sich verdoppelt, dagegen der Ausstoß einzelner Kraftwerke nur um ein Drittel zurückgeht, nehmen die CO2-Emissionen insgesamt sogar noch zu. Die Atmosphäre ist schon jetzt dermaßen mit CO2 überlastet, dass das Klima ins Wanken gerät. Bildlich gesprochen: Die Badewanne läuft bereits über, deshalb muss der Wasserhahn schleunigst zugedreht werden. Wir brauchen den vollständigen Umstieg auf eine CO2-freie Technik der Energiebereitstellung.
Dass ein solcher Umstieg überhaupt möglich sein soll, ist ein Gedanke, der nur selten öffentlich geäußert wird und dann meist auch noch auf große Skepsis trifft - er wird schlicht für unrealistisch gehalten. Er widerspricht dem noch herrschenden Paradigma, wonach eine sichere Energieversorgung nur durch Nutzung der fossilen und ggf. der nuklearen Energien erfolgen kann. Dieses alte Paradigma erweist sich als gefährliche Bremse in der Energiepolitik.
Warum begreifen die maßgebenden Politiker nicht die Notwendigkeit des Umsteuerns?
Energiefragen sind für den Normalbürger schwer zu beurteilen; ihm fehlen die naturwissenschaftlichen Grundlagen. Selbst Menschen, die sich für gebildet halten, haben bereits Probleme mit dem Unterschied zwischen kW und kWh - von schwierigeren Fragen ganz zu schweigen. Politiker sind in der Regel keine Energiefachleute, sie sind deshalb auf Berater angewiesen; die Frage ist, wo sie diese finden. Leider gibt es Energiefachleute fast ausschließlich dort, wo man sich kommerziell mit Energiefragen befasst, nämlich in der Energiewirtschaft, oder in Hochschulinstituten, die Aufträge der Energiewirtschaft bearbeiten. Diese Energiefachleute sind deshalb nicht unabhängig von der Stimmung und Atmosphäre in ihrem Wirtschaftszweig. Man braucht nur wenig psychologisches Verständnis, um sich diese Stimmung und Atmosphäre vorzustellen. In einer Gemeinschaft, die ihren Lebensunterhalt mit der Bereitstellung von Energie aus fossilen Brennstoffen oder aus Atomenergie verdient, ist kaum die Einsicht zu erwarten, dass die eigene berufliche Tätigkeit dazu beiträgt, die Voraussetzungen der modernen Zivilisation zu zerstören. Es ist wohl auch kaum zu erwarten, dass Energiefachleute Vorschläge machen, die den Gewinn des eigenen Konzerns vermindern würden.
Der hier geschilderte Einwand trifft auch für die weit mehr als tausend Politiker zu, die als Aufsichtsräte in den deutschen Energiegesellschaften tätig sind. Aufgrund ihrer Tätigkeit werden sie von ihren politischen Freunden als Fachleute angesehen. Und ihre Einstellung zu energiepolitischen Grundsatzfragen deckt sich im allgemeinen mit der Konzernmeinung, wobei offen bleiben kann, ob in Grundsatzfragen die Aufsichtsräte den Vorstand oder der Vorstand die Aufsichtsräte überzeugt. Die Übereinstimmung ergibt sich zwangsläufig aus der engen Zusammenarbeit.
Energiefachleuten aus den Umweltvereinen hingegen kommen als Berater für Politiker kaum in Frage, denn ihnen haftet der Geruch der "grünen Spinner" an. Sie werden trotz guten Fachwissens nicht als seriös angesehen. Auch dies ist letztlich wieder eine Frage des herrschenden Paradigmas.
Lösungsansatz des SFV
Noch einmal: wir brauchen den Umstieg auf die Erneuerbaren Energien so schnell wie irgend möglich und zu 100 Prozent! Es genügt deshalb nicht, nur eine Solaranlage nach der anderen zu bauen, ohne sich um die übrigen Vorgänge in der Energiewirtschaft zu kümmern. Wenn manche Solarfreunde hoffnungsfroh verkünden, die Solarenergie sei inzwischen nicht mehr zu stoppen, haben sie den eigentlichen Fokus noch nicht erkannt. Sie verschließen die Augen vor der Tatsache, dass gleichzeitig die Stromwirtschaft sich anschickt, etwa ein Drittel ihres Kraftwerkbestandes durch neue fossile Kraftwerke zu ersetzen und damit vollendete Tatsachen für die nächsten vierzig Jahre zu schaffen. Sie erkennen nicht, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen falsch sind, wenn der Neubau von fossilen Kraftwerken immer noch durch höherere Gewinnaussichten geradezu herausgefordert wird.
Sie erkennen nicht, dass es darum geht, die Kapitalströme umzulenken und dass dafür die Gewinnanreize verschoben werden müssen. Sie erkennen nicht die Notwendigkeit, der fossilen und nuklearen Energiebereitstellung die zahllosen Privilegien zu nehmen.
Und sie vergessen, wie wichtig es in einer Demokratie ist, sich für die richtigen Rahmenbedingungen argumentativ einzusetzen.
Deshalb sei allen Umweltfreunden ins Stammbuch geschrieben: Der notwendige Umstieg auf die Erneuerbaren Energien in der notwendigen Schnelligkeit wird erst dann erfolgen, wenn die Überzeugung herrscht, dass dieser Umstieg technisch und wirtschaftlich möglich ist. Wir brauchen deshalb einen Paradigmenwechsel. Das neue Paradigma lautet:
Energiebereitstellung aus konventionellen Energien muss vollständig ersetzt werden durch Nutzung der Erneuerbaren Energien
Die Beschleunigung des Paradigmenwechsels
Da wegen der drohenden Klimakatastrophe keine Zeit mehr verloren werden darf, müssen wir die Durchsetzung des neuen Paradigmas beschleunigen. Das Wesen eines Paradigmas besteht darin, dass es als selbstverständlich angesehen und deshalb unter seriösen Menschen nicht mehr in Frage gestellt wird, dass es plausibel erscheint und dass seine Vertreter über den Verdacht erhaben sind, sie würden ihren persönlichen Vorteil suchen.
Der erste Schritt zur Durchsetzung eines neuen Paradigmas besteht also darin, dass es öffentlich diskutiert, öffentlich vertreten und öffentlich plausibel gemacht wird. Dies betrachten wir als eine unserer wichtigsten Aufgaben. Wir haben uns das Ziel gesetzt, der Öffentlichkeit die Möglichkeiten eines Umstiegs zu 100 Prozent auf Erneuerbare Energien plausibel zu machen.
Um verständlich zu bleiben müssen wir die Zusammenhänge einfach darstellen. Um glaubwürdig zu bleiben, müssen wir unsere Vereinfachungen korrekt durchführen. Wir haben uns entschieden, das Weltproblem eines Umstieges auf Erneuerbare Energien am Beispiel Deutschland in einer von vielen möglichen Varianten zu zeigen. Deutschland haben wir deshalb gewählt, weil unser Land mit zu den stark besiedelten und industriealisierten Ländern der Welt gehört, einen hohen Energieverbrauch pro Kopf hat und wenig Fläche, auf der die Erneuerbaren Energien gewonnen werden können. Kurz gesagt, wenn wir zeigen, dass Deutschland es mit den Erneuerbaren Energien schaffen kann, dann ist einleuchtend, dass es in dünner besiedelten Ländern auf jeden Fall funktionieren wird.
Derzeit arbeiten wir daran, die Möglichkeit eines Umstiegs in der Weise plausibel zu machen, dass wir die vorhandenen Potentiale beschreiben und addieren. Damit zeigen wir, dass das notwendige Potential an Erneuerbaren Energien vorhanden ist.
Eine dermaßen tief- und weitgehende Umstellung der Energieversorgung kann natürlich in Anbetracht der fast unendlich vielen möglichen Varianten und in Anbetracht möglicher weiterer technischer Entwicklungen nicht in allen Details bis zum endgültigen Abschluss vorhergeplant werden. Da sie aber zum Überleben der Zivilisation notwendig ist, muss sie unverzüglich begonnen werden. Die physikalische Möglichkeit der Umstellung genügt zur Legitimation, als Rechtfertigung zum Tätigwerden - die Erneuerbaren Energien haben das 50.000 fache Potential der weltweiten Stromerzeugung (Quelle: Kaltschmitt, M. 1999: Regenerative Energieträger zur Stromerzeugung I. Vorlesungsmanuskript (Version 6.0); Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung; Fakultät Energietechnik; Universität Stuttgart).
Die Frage nach den entstehenden Kosten ist nicht unwichtig, aber vergleichsweise nebensächlich, da es letztlich ums Überleben geht. Im Übrigen ist aber im vergangenen Jahr der Strompreis an der Strombörse in Leipzig zeitweilig sogar schon höher gewesen als der Preis für die teuerste Form der Stromgewinnung aus Erneuerbaren Energien, nämlich der Solarstromerzeugung in Deutschland.
Vor kurzem ist jetzt eine wirtschaftswissenschaftliche Studie erschienen, aus der sich ergibt, dass sogar die Photovoltaik allein aufgrund der üblichen Massenproduktions-Lerneffekte die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den konventionellen Energien erreichen kann, wenn ihre Markteinführung im eigenen Land weiterhin energisch genug betrieben wird. Die dafür aufgewendeten Mehrkosten würden sich später beim Export dieser Technik etwa vierfach bezahlt machen, ähnlich wie dies bereits jetzt schon bei der Windenergie geschieht.
Ob die Menschheit und die Zivilisation also die Energiewende bewältigen kann, hängt davon ab, ob sie bereit ist, die notwendigen Anstrengungen zu unternehmen und vorübergehend die Mehrkosten zu tragen. Dies wiederum hängt einzig vom politischen Willen der überwiegenden Mehrheit ab und dafür brauchen wir den Paradigmenwechsel.
Der zweite Schritt zur Durchsetzung eines neuen Paradigmas besteht darin, dass die Interessenlage deutlich gemacht wird. Die Erneuerbaren Energien - wenn sie denn intensiv genutzt würden - würden die Lagerstätten von Kohle, Öl, Gas und Uran völlig entwerten. Die Energiekonzerne, Herren über die Lagerstätten und Großkraftwerke würden damit die Grundlagen ihrer finanziellen Macht verlieren. Es zeugt von einiger Naivität, wenn man annimmt, sie würden deren Verlust oder auch nur deren Minderung ohne Gegenwehr hinnehmen. Und das tun sie in der Tat auch nicht! Der Zufall hat uns bereits vor 10 Jahren ein denkwürdiges Stellenangebot eines regionalen Stromversorgers in die Hände gespielt, das schon damals zu erheblichen Zweifeln am guten Willen der Stromversorger Anlass gab. Die MEVAG, die nach eigenem Bekunden den westlichen Teil des Landes Brandenburg umweltfreundlich mit Strom versorgt, suchte in der Märkischen Allgemeinen vom 29. März 1997 einen Sachbearbeiter mit abgeschlossener Fachhochschul- oder Hochschulausbildung mit folgender Stellenbeschreibung: Der Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit liegt zum einen in der Sicherung des Umsatzes durch Verhinderung von Stromeigenerzeugungsanlagen (z.B. Erkennen von Eigenerzeugungsgefahrenpotentialen). Desweiteren sind Sie verantwortlich für das Geschäftsfeld Stromdurchleitung (...)"
Eine Kopie dieser Anzeige finden Sie hier. Bundesweit gibt es über 600 Stromversorger. Das praktische Verhalten der Stromversorger in den vergangenen 10 Jahren zeigt uns, dass offensichtlich nicht nur bei der MEVAG Mitarbeiter damit betraut wurden, die die Erneuerbaren Energien (die zumeist in sogenannten "Eigenerzeugungsanlagen" bereitgestellt werden) zu verhindern. In einem weiteren Beitrag werden wir einige Beispiele für das Wirken solcher Eigenerzeugungsanlagenverhinderer bringen.