Die Irreführungskampagne der Energiewirtschaft
Der Zufall hat uns vor 10 Jahren ein denkwürdiges Stellenangebot eines regionalen Stromversorgers in die Hände gespielt. Die MEVAG, die nach eigenem Bekunden den westlichen Teil des Landes Brandenburg umweltfreundlich mit Strom versorgt, suchte in der Märkischen Allgemeinen vom 29. März 1997 einen Sachbearbeiter mit abgeschlossener Fachhochschul- oder Hochschulausbildung mit folgender Stellenbeschreibung:
Eine so freimütige Beschreibung der zu erledigenden Aufgaben bereits im Stellenangebot ist eigentlich nicht üblich, denn dazu ist das Thema viel zu delikat. Üblicherweise geben sich die Stromversorger viel Mühe, die Abwehr der neuen Konkurrenz diskret hinter den Kulissen durchzuführen.
Das wichtigste Argument der Energiewirtschaft ist dabei die Behauptung, die Erneuerbaren Energien könnten niemals die Versorgungssicherheit gewährleisten und deshalb könne man nicht auf fossile oder nukleare Energie verzichten. Dieses Argument wird in allen möglichen Variationen ständig wiederholt.
- 1993 erschien eine große Werbeanzeige der Stromwirtschaft: "Sonne, Wasser oder Wind können auch langfristig nicht mehr als 4 Prozent unseres Strombedarfs decken". Die damals frisch ernannte Umweltministerin Angela Merkel wiederholte diesen Satz wörtlich bei einem ihrer ersten öffentlichen Statements.
- Im gleichen Jahr 1993 wurde am Institut für Elektrowärme der Uni Hannover im Zusammenhang mit einer größeren Auftragsarbeit der Stadtwerke Aachen (STAWAG) eine Diplomarbeit betreut mit dem Titel "Möglicher Beitrag der Photovoltaik zur elektrischen Energieversorgung einer Stadt" Diese Arbeit untersuchte verschiedene Szenarien einer Solarstromnutzung in der Stadt Aachen. Das progressivste Szenario unter Einschluss von Energiespeichern für Tag-Nacht-Speicherung ergab eine Deckung des jährlichen Strombedarfs einschließlich des gewerblichen und industriellen Bedarfs zu 65 % allein durch Solarstrom. Diese Arbeit wird unter Verschluss gehalten! Anmerkung: Die Arbeit wurde mit der Note 1 abgeschlossen und in einem öffentlichen Vortrag an der Universität Hannover vorgestellt. Der Autor hat das Ergebnis dem damaligen STAWAG-Vorsitzenden persönlich vorgetragen. Er musste sich "wie bei Aufträgen aus der Industrie üblich" verpflichten, keine inhaltlichen Angaben weiterzugeben, soweit sie nicht bei dem öffentlichen Vortrag bekannt geworden waren. Die STAWAG teilte dem SFV am 6.3.98 auf Anfrage mit: ".. die von Ihnen gewünschte Studie zum o.g. Thema liegt uns nicht vor, so auch nicht die Diplomarbeit, die am Institut für Elektrowärme der Universität Hannover durchgeführt und nicht veröffentlicht wurde..."
Stattdessen wurde dem SFV eine offizielle Version zugesendet, d.h. eine "Zusammenfassung" der Arbeit durch das Institut für Elektrowärme, in der das progressive Szenario nicht einmal erwähnt wurde.
Wir erkennen aus diesem und aus vielen weiteren Beispielen eine beunruhigende Tatsache: Das Potential der Erneuerbaren Energien wird systematisch kleingeredet. Anderslautende Stimmen werden zum Schweigen gebracht.Warum Politiker und Medien auf die Energiewirtschaft hören
Worüber besorgte Bürger sich immer wieder wundern, ist die Tatsache, dass Politiker und die Medien das böse Spiel nicht durchschauen. Mit ein Grund dürfte die Tatsache sein, dass Politiker und Journalisten sich auf Fachleute verlassen müssen. Fachleute für Energiefragen sind aber im Allgemeinen in der Energiewirtschaft beschäftigt oder in Forschungsinstituten, die Aufträge der Energiewirtschaft bearbeiten. Sie werden keine Aussagen machen, die die Gewinnaussichten ihrer Geldgeber schmälern könnten.
Zweifel an der Klimaschtzpolitik der Bundeskanzlerin
Dass auch heute noch viele Politiker die vordergründigen Interessen der Industrie höher bewerten als den Schutz der Bevölkerung durch vorbeugende Maßnahmen gegen die herannahende Klimakatastrophe, zeigt die Äußerung von Bundeskanzlerin Merkel vom 30. Januar 2007. "Mit aller Härte" werde sie gegen Pläne kämpfen, für alle Neuwagen bis 2012 nur noch höchstens 120 Gramm CO2-Ausstoß zuzulassen, sagte sie am Dienstag auf dem Europatag der deutschen Wirtschaft in Berlin. "Wir werden verhindern, dass es eine generelle Reduktion gibt". Diese Äußerung ist schlechterdings nicht nachvollziehbar, nachdem Merkel wenige Tage vorher angekündigt hatte, dass sie die Warnungen vor einem Klimawandel ernst nähme - genau das tut sie nämlich nicht!
Wir brauchen weder Atomenergie noch fossile Energien!
Wir wollen uns nicht damit abfinden, dass uns unbelehrbare Politiker in die Klimakatastrophe und in einen Kampf um die begrenzten fossilen und Uran-Vorräte treiben. Wir dürfen uns auch nicht zu der unsinnigen Entscheidung zwischen zwei unerträglichen Übeln, entweder Atomenergie oder fossile Energien nötigen lassen. Wir wollen keine von Beiden; wir wollen stattdessen die Erneuerbaren Energien. Dafür brauchen wir Verbündete und dafür müssen wir die bessere Alternative aufzeigen. Entscheidend ist, ob wir die Öffentlichkeit von der Möglichkeit einer Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien wirklich überzeugen können. Unsere Chancen dafür stehen nicht schlecht, denn wir können auf die Erfahrungen zurückgreifen, die Deutschland beim bisherigen Ausbau der Erneuerbaren Energien schon gemacht hat und die jeder aufmerksame Bürger selber bestätigen kann.
Trotz Industrialisierung und vergleichsweise geringer Landfläche kann Deutschland es mit Erneuerbaren energien schaffen
Die Tatsache, dass es sich bei der Klimabedrohung um ein weltweites Problem handelt, braucht uns nicht daran zu hindern, von den deutschen Verhältnissen auszugehen. Deutschland ist eines der am höchsten industrialisierten Länder der Erde und hat deshalb einen hohen Energieverbrauch. Vergleichsweise hat Deutschland aber wegen seiner hohen Besiedlungsdichte nur wenig Flächen zum "Ernten" der Erneuerbaren Energien. Landflächen sind der wichtigste begrenzende Faktor, wenn es um die Selbstversorgung mit Erneuerbaren Energien geht. Es gibt nur sehr wenige Länder, in denen das Verhältnis der Landfläche zum Energiebedarf noch ungünstiger ist, z.B. die Niederlande und Japan.
Wenn es also gelingt, Deutschland zu 100 Prozent über das ganze Jahr mit Erneuerbaren Energien aus dem eigenen Land zu versorgen, dann wird das in fast allen anderen Ländern der Welt erst recht möglich sein. Damit soll nicht gesagt sein, dass der Energiemix aus Sonne, Wind, Wasserkraft, Biomasse und Geothermie dort der gleiche sein wird. Natürlich wird jedes Land eine andere Lösung finden müssen, was aber prinzipiell umso einfacher ist, je mehr Landfläche zur Verfügung steht. In Frankreich oder Polen oder den USA zum Beispiel ist das Verhältnis von Fläche zum Energieverbrauch gleich um ein Mehrfaches größer als bei uns.
Wenn wir Menschen davon überzeugen wollen, dass 100 Prozent Erneuerbare Energien möglich sind, genügt es deshalb argumentativ, wenn wir uns nur mit der deutschen Energieversorgung befassen.
Noch liegt im Strombereich die Atomenergie mit etwa 30 Prozent vorne. Energieversorgung besteht aber nicht nur aus Stromversorgung. Auch der Bedarf an Treibstoffen, Raumwärme und Prozesswärme muss gedeckt werden. Dort leistet die Atomenergie überhaupt keinen Beitrag, während Pflanzenöl, Biodiesel, Holzpellets, Sonnenkollektoren und vereinzelte geothermische Anlagen auch dort einen wachsenden Anteil übernehmen.
Wenn man die nichtelektrischen Energien und die Stromversorgung zusammenzählt, erhält man den gesamten Endenergieverbrauch. Bei dieser vollständigen Betrachtungsweise haben die Erneuerbaren Energien die Atomenergie in Deutschland sogar schon überholt. In der Summe steht es 6,5% zu 6% für die Erneuerbaren und sie sind weiter auf dem Vormarsch.
Für die Atomenergie werden häufig viel höhere Anteile - 12,5% - genannt. Die ergeben sich, wenn man nicht nur die nutzbare elektrische Energie, sondern auch die nicht-nutzbare, schädliche Abwärme, die nur die Flüsse und die Atmosphäre aufheizt, mitzählt.
Wachstum der Erneuerbaren um den Faktor 10
Von 6,5 Prozent ausgehend die 100 Prozent zu erreichen, das ist zwar noch ein riesiger Schritt. Aber eine solche Vervielfachung ist doch gedanklich durchaus vorstellbar. Jeder Bürger hat die Nutzung Erneuerbarer Energien inzwischen persönlich wahrgenommen, sei es als Windpark am Horizont, als Solaranlage beim Nachbarn um die Ecke, als der leichte Frittengeruch aus einem vorüberfahrenden Auto mit Pflanzenöl oder als Stauwehr an einem Flusskraftwerk. Er kann sich eine Vorstellung davon machen, wie es wäre, wenn das alles vervielfacht würde. Würde man den bisherigen Beitrag der Erneuerbaren Energien zur Endenergieversorgung z.B. verzehnfachen, so würden sie nicht mehr 6,5 Prozent wie bisher, sondern 65 Prozent des heutigen Endenergiebedarfs decken. Die noch fehlenden 35 Prozent müsste man dann durch Erhöhung der Energieeffizienz einsparen. Wir hätten dann unser Ziel - eine Umstellung der Energieversorgung zu 100 Prozent auf Erneuerbare Energien - erreicht.
Solarenergie und Windenergie könnten das Zehnfache leisten
Und welchen Anteil sollen die einzelnen Techniken der Erneuerbaren Energien dabei übernehmen? Eine Verzehnfachung könnte zum Beispiel bedeuten: Zehnmal so viel Windenergie wie heute, zehnmal so viel Solaranlagen, zehnmal so viel Autos, die auf Pflanzenöl umgerüstet werden, zehn mal so viel Wasserkraftwerke wie bisher. Aber bei welchen Techniken der Erneuerbaren Energien ist eine Verzehnfachung überhaupt möglich? Bei den Wasserkraftwerken stoßen wir sicher an eine Potentialgrenze. Eine Verzehnfachung ist nicht möglich, weil es in Deutschland gar nicht so viele Flüsse mit geeigneten Gefällstufen gibt. Aber dafür könnten z.B. die Solarenergie und die Windenergie einen erheblich größeren Anteil als nur das Zehnfache des jetzigen Beitrags übernehmen und eine konsequente Steigerung der Energieeffizienz könnte noch mehr als 35 Prozent des jetzigen Energiebedarfs hinfällig machen. Auch muss ein Überschuss an Erneuerbaren Energien bereitgestellt werden, damit die unvermeidbaren Verluste beim Speichern gedeckt werden können. Hier beginnen die Detailfragen.
Vortrag veranschaulicht Potentiale der Erneuerbaren
Um der Phantasie der interessierten Bürger handfeste Nahrung zu geben, hat Dr.-Ing. Eberhard Waffenschmidt eine detaillierte Aufstellung der möglichen Potentiale der verschiedenen Techniken der Erneuerbaren Energien ausgearbeitet. Er unterfüttert die Vorstellungskraft seiner Zuhörer mit praktischen Beispielen. Sein Lösungsvorschlag erhebt ausdrücklich nicht den Anspruch darauf, der einzig mögliche zu sein.
Ziel seines Vortrags ist es, den vollständigen Umstieg auf Erneuerbare Energien in den Bereich des Vorstellbaren zu rücken und damit gleichzeitig erkennbar zu machen, wo die Schwerpunkte der weiteren politischen, gesellschaftlichen und technischen Entwicklungsarbeit im Bereich der Energieversorgung liegen werden. Den Vortrag in ausgearbeiteter Form finden Sie vorläufig unter hier
Unsere politische Forderung
Zum Überleben der Zivilisation ist eine tief- und weitgehende Umstellung der Energieversorgung notwendig. Sie wurde bereits begonnen und muss noch beschleunigt werden. Die physikalische Möglichkeit der Umstellung genügt zur Legitimation, als Rechtfertigung zum Tätigwerden. Die Frage nach den entstehenden Kosten ist dabei nicht unwichtig, aber vergleichsweise nebensächlich, da es letztlich ums Überleben geht.
Wichtig ist zweierlei:
- Den konventionellen Energien müssen alle bisherigen Privilegien entzogen werden.
- Die Kapitalströme müssen von den konventionellen zu den Erneuerbaren Energien umgelenkt werden. D. h. der Staat muss die Rahmenbedingungen so ändern, dass die Gewinnaussichten bei den Erneuerbaren - nicht erst irgendwann inder Zukunft, sondern schon jetzt - höher sind als bei den konventionellen Energien.
Arbeiten wir also weiter an der Durchsetzung des neuen Paradigmas:
"Eine Umstellung auf 100 Prozent Erneuerbare Energien ist möglich"