Es bleibt zu hoffen, dass der Bundestag der Regierungsvorlage nicht zustimmen wird:
Bisher hat schon die turnusmäßige Absenkung der Einspeisevergütung um 5 % regelmäßig zu einem mehrmonatigen Rückgang der Neuaufträge im Frühjahr geführt - ein Zeichen dafür, dass die Stufenhöhe von 5% abwärts etwas zu groß bemessen war.
Von der Solarzeitschrift Photon wurde allerdings die Ankündigung der zukünftig noch schnelleren Vergütungsabsenkung überschwänglich begrüßt. "Super Siggi!" hieß es im Editorial zur Ausgabe 8/07. Man erhoffe sich nun eine Preissenkung und daraus ergäbe sich dann ein Photovoltaikboom. Bis zum Jahr 2020 könnte schon etwa die Hälfte des Deutschen Strombedarfs aus Solarenergie stammen, "Sigmar Gabriel sei Dank". Soweit das erwähnte Editorial.
Für uns ist das nicht nachvollziehbar.
Zunächst einmal ist festzustellen, dass Bundesumweltminister Sigmar Gabriel nach seinen eigenen Bekundungen nicht im entferntesten vorhat, bis zum Jahr 2020 etwa die Hälfte des Strombedarfs mit Solarstrom zu decken. Vielmehr forderte er die Stromwirtschaft auf, für 75 Prozent des deutschen Strombedarfs modernere, hocheffiziente fossile Kraftwerke zu bauen. Für Solarstrom sind in seinen Planungen bis zum Jahr 2020 nur etwa 2 Prozent des Strombedarfs vorgesehen. Minister Gabriel wird also für etwas gelobt, was er überhaupt nicht beabsichtigt. Der SFV hat deshalb sogar einen offenen Brief an Minister Gabriel geschrieben, der bisher schon trotz der Ferienzeit von fast 200 Umwelt- und Parteiorganisationen unterschrieben wurde.
Doch zurück zur Frage einer schnelleren Vergütungsabsenkung.
Wir haben beim Solarenergie-Förderverein Deutschland versucht, nachzuvollziehen, wie man vermittels einer schnelleren Senkung der Einspeisevergütung zu einem Solarboom kommen kann, doch wie wir es auch drehen und wenden - ein Solarboom kann daraus nicht entstehen. Jedenfalls nicht das, was wir unter einem "Solarboom" verstehen.
Wir sehen aus Klimaschutzgründen die dringende Notwendigkeit, so rasch wie möglich die Hälfte des Deutschen Strombedarfs aus Sonnenenergie zu decken. Dazu brauchen wir erheblich mehr Solaranlagenbetreiber, erheblich mehr Solarhandwerksbetriebe, mehr Zubehör-Hersteller, mehr Solarmodulfabriken, mehr Solarsilizium- und mehr Waver-Produzenten.
Die dafür aufzuwendenden Gelder sind gut angelegt. Dazu verweisen wir auf den ausführlichen Beitrag von Jürgen Grahl: "Die 300-Milliarden-Euro-Chance Oder Die Angst der Umweltschützer vor den Kosten".
Doch bei einer schnelleren Absenkung der Einspeisevergütung wird die Entwicklung in die umgekehrte, die falsche Richtung gehen:
Eine Absenkung der Einspeisevergütung führt dazu, dass nach dem Stichtag weniger Bürger eine Solaranlage bauen wollen als vorher, es sei denn, die Preise würden im gleichen Maße oder sogar noch schneller sinken (danach sieht es zur Zeit jedoch nicht aus). Die Zahl der jährlich neu errichteten Solaranlagen wird also stagnieren oder abnehmen.
Die Solarinstallateure werden die ersten Leidtragenden sein. Wenn sie auf eine 7% oder 8% Vergütungssenkung nicht mit einer 7% oder 8% Preissenkung antworten können (und das dann in jedem Jahr wieder!), dann verlieren sie Aufträge. Möglicherweise müssen sie sogar schließen.
Ähnliches gilt auch für die Zubehör- und Solarmodulhersteller.
So kann die Regierung durch eine zu schnelle Vergütungsabsenkung ein Firmensterben hervorrufen. Und was ist eigentlich in diesem Zusammenhang eine "angemessene Absenkung"? Wieviel Solaranlagen sind eigentlich in den letzten Jahren errichtet worden? Da das Bundesumweltministerium bisher immer noch nicht das vom Bundestag vorgesehene Anlagenregister aufgebaut hat, fehlen der Regierung die Planungsgrundlagen.
In der Solarszene kursieren völlig unterschiedliche Schätzungen über die Zahl der in den vergangenen Jahren installierten Solaranlagen. Von einem "sich beschleunigenden Ausbau" (Zitat Editorial Photon 8/7) bis zur Stagnation mit Tendenz zur Schrumpfung und Markteinbruch im ersten Halbjahr 2007 (jüngste Umfrage-Ergebnisse bei den Energieversorgern durch die Solarpraxis AG - Veröffentlichung in der Zeitschrift Photovoltaik 9/07 vorgesehen) sind alle Schätzwerte vertreten.
Wer beim Stadtbummel die Augen offen hält, wer mit der Bahn durch Deutschland fährt, kann sich selber einen subjektiven Eindruck über das Ausbautempo verschaffen: Vor zwei oder drei Jahren gab es an vertrauten Orten immer wieder neue Anlagen, über die man sich freuen konnte, aber in diesem Jahr kaum noch. Natürlich kann man so nicht feststellen, wieviel Anlagen jährlich hinzugebaut werden. Aber Eines ist ziemlich sicher: Ein Boom findet auf unseren Dächern nicht mehr statt - denn das würde man sehen!
Eine Regierung, die auf die Erhebung eigener Daten verzichtet hat, jetzt aber aufgrund einer umstrittenen Behauptung den bisherigen Kurs ändert und eine Entscheidung trifft, die möglicherweise sogar zum Firmensterben führen kann, handelt fahrlässig. Und wer dann das Firmensterben schon im Voraus als "notwendige Konsolidierung des Marktes" bezeichnet, erweckt den Eindruck, es ginge darum, nach der Darwinschen Evolutionstheorie nur die Stärksten überleben zu lassen. Doch was für Konsequenzen hätte das?
In der Industriegeschichte führte das "Überleben der Stärksten" regelmäßig dazu, dass nur wenige Konzerne übrig blieben, die als Monopolbetriebe den Markt unter sich aufteilen und die Preise diktieren
konnten (die vier großen Stromkonzerne, die Jahr für Jahr kleinere Stromversorger schlucken, sind ein warnendes Beispiel).
Einzelnen Solarkonzernen kommt eine solche Konsolidierungspolitik vielleicht gar nicht so ungelegen. Es zeigt sich, dass die Aktienkurse der großen Unternehmen die Ankündigung einer schnelleren
Vergütungsabsenkung gut überstanden haben.
Doch wir brauchen zur Rettung des Klimas nicht stabile Aktienkurse der Solarkonzerne, sondern wir brauchen eine rasch wachsende dezentrale Vielfalt: Mehr Solaranlagen, mehr Installations-, mehr Zulieferbetriebe, mehr Solarmodulhersteller und insbesondere mehr Produzenten für Solarsiliszium (die im gegenseitigen Wettbewerb den Preis für diesen begehrten Rohstoff endlich senken können). Dies alles können wir durch eine verstärkte Senkung der Einspeisevergütung nicht erreichen. Dazu benötigen wir im Gegenteil eine Anhebung der Vergütung und eine Verlangsamung der Degression.
Eine Degression der Einspeisevergütung darf ausschließlich als Reaktion auf tatsächlich gesunkene Anlagenpreise erfolgen.