Auswirkung der Einspeisebegrenzung auf den Energie-Ertrag
Hintergrund
Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Vermeidung von temporären Erzeugungsüberschüssen, Neuregelungen zu §9 EEG 2023, verabschiedet am 31. Jan. 2025
Regelung
PV-Anlagen mit einer Peak-Leistung zwischen 2 kW p und 100 kW p ohne „intelligentes“ Messsystem (iMSys), die ab voraussichtlich März 2025 in Betrieb gehen, dürfen nur noch 60% ihrer Peak-Leistung einspeisen. Sobald ein iMSys vorhanden ist (z.B. durch nachträglichen Einbau) entfällt diese 60%-Grenze, allerdings darf dann in allen Viertelstunden-Zeiträumen, in denen der aktuelle Strompreis an der Strombörse negativ ist, zwar ins öffentliche Stromnetz eingespeist, jedoch nicht finanziell vergütet werden. Die Begrenzung auf 60% der Wirkleitung gilt ab dem Einspeisepunkt, d.h. der PV-Anlagenbetreiber kann diese Kappung durch Eigenverbrauch oder Laden eines Batterie-Speichers „abmildern“. Hierzu muss technisch sichergestellt sein (z.B. durch ein Batterie-Management-System), dass die 60%-Grenze zu keinem Zeitpunkt überschritten werden kann (insbesondere nicht eigenmächtig durch den PV-Anlagenbetreiber).
1. Modellierung des Ertrags einer PV-Anlage ohne iMSys
Für die Modellierung des Ertrags einer PV-Anlage wird eine optimal ausgerichtete, d.h. eine nach Süden orientierte PV-Dachanlage mit 38° Neigungswinkel (optimale Ausrichtung) am Standort 50°N und 10°Ost (in der Nähe von Arnstein (Ufr.)) ein gesamtes Jahr lang betrachtet. Diese Modell-Anlage besitzt weder einen Batterie-Speicher noch gibt es Eigenverbrauch; dies entspricht dem ungünstigsten Fall. Ohne eingebauten iMSys bewirkt die neue gesetzliche Regelung, dass die eingespeiste Leistung auf 60% der Peak-Leistung begrenzt wird.
a) Einstrahlungsdaten
Die Wetterdaten (Einstrahlung, Temperatur, Windgeschwindigkeit usw.) für den gewählten Standort stammen aus Satelliten-Daten in stündlicher Zeitauflösung der Jahre 2015–2023, angepasst auf Silizium-PV-Module [1]. Hieraus wurden Mittelwerte über 19 Jahre berechnet.
Bei den in Abb. 1 orange markierten Feldern übersteigt die globale Einstrahlung 600 W/m², was in etwa 60% der Peak-Leistung entspricht. In all diesen Zeiten wird die vom Wechselrichter ins öffentliche Stromnetz eingespeiste Leistung auf 60% der Peak-Leistung begrenzt.
Quintessenz
Modell einer PV-Dachanlage ohne iMSys, optimal ausgerichtet 38° bei 50°N und 10°O. Die Leistung wird vollständig eingespeist (ohne Eigenverbrauch, keine Batterie).

© Hergert | Abb 1 ― Leistung einer nicht begrenzten Silizium-PV-Anlage am Standort 50°N, 10°O mit lokalen Wetterdaten gemittelt über den Zeitraum 2015–2023. Die Uhrzeit (angepasst auf Winter- und Sommerzeit) ist von links nach rechts, das Datum ist von oben nach unten aufgetragen.
b) Modellierung des Ertrags der PV-Anlage
Die neue gesetzliche Regelung (generelle Begrenzung auf 60% der Peak-Leistung) hat zu Folge, dass die ins Stromnetz eingespeiste Leistung auf ca. 600 W/m² limitiert ist (s. Abb. 2). Im Vergleich zu Abb. (ohne Begrenzung) fehlt in Abb. 2 (Kappung der eingespeisten Leistung) der Orangeton.
Die relative Änderung der eingespeisten Energie für das gesamte modellierte Jahr ist in Tab. 3 aufgeführt und entspricht der Änderung des finanziellen Ertrags durch die Einspeisevergütung.

© Hegert | Abb 2 ― Leistung einer leistungsbegenzten Silizium-PV-Anlage am Standort 50°N, 10°O mit lokalen Wetterdaten gemittelt über den Zeitraum 2015–2023. Die Uhrzeit (angepasst auf Winter- und Sommerzeit) ist von links nach rechts, das Datum ist von oben nach unten aufgetragen
Tab. 1: Änderung des Energie-Ertrags eines Jahres je nach Begrenzung der Peak-Leistung
Begrenzung der | 100% | 80% | 60% | 40% | 20% | 0% |
0% | 0% | –0,2% | –5,5% | –23,2% | –53,6% | –100% |
Eine PV-Anlage, deren Leistung auf 0% (d.h. vollständig) begrenzt würde, erführe eine Ertragsänderung von –100% (rechte Spalte in Tab. 1). Die 60%-Leistungsbegrenzung der gesetzlichen Regelung führt zu 5,5% Ertragseinbuße. Dieser Wert wird im folgenden Abschnitt anderen Ertragssimulationen gegenübergestellt, um dessen Plausibilität zu prüfen.
c) Vergleich mit anderen Modellierungen
Die in Tab. 1 aufgeführten Werte hängen stark von den Modell-Annahmen ab. Hierunter fallen nicht nur die Ausrichtung der PV-Anlage, sondern auch der Standort, d.h. die Wetterdaten sowie deren Zeitauflösung. So kommt eine Studie aus dem Jahr 2013 [2] mit viertelstündlich gemessenen Daten auf –12% Ertragsänderung (Abb. 3). Eine neue Berechnung [3] mit dem Programm PERMOD [4] im Zuge der Gesetzesänderung erhält –3,8% bei Verwendung der Wetterdaten in Stunden-Intervallen und –8,3%, wenn stattdessen mit sekündlichen Daten gerechnet wird (Abb. 4). Allerdings liegen Wetterdaten in Sekundenauflösung derzeit vmtl. nur von der Wetterstation der Universität Oldenburg vor. Aufgrund der Nähe zur Nordsee gibt es dort bei teilbewölktem Wetter schnelle Wechsel von Sonnenschein zu kurzzeitiger Bewölkung. Vermutlich fällt die Verdopplung der Ertragseinbuße beim Übergang von Stunden- zu Sekunden-Intervallen abseits der Küsten weniger stark aus.
Verglichen mit der eigenen Simulation mit stündlichen Daten und der Berechnung in Viertelstunden-Intervallen [2] erscheint der mit PERMOD simulierte Wert von –8,3% Ertragsänderung plausibel und wird im Folgenden verwendet.
© Waffenschmidt | Abb 3 ― (aus [2]) Bei Begrenzung auf 60% Peak-Leistung würde eine PV-Anlage ohne Batterie-Speicher (grüne Kurve) im Laufe eines Jahres 12% ihres Energie-Ertrags einbüßen (grüner Pfeil).
© Weniger | Abb 4 ― (aus [3]) Einfluss des Zeitintervalls der Wetterdaten auf die Ertragssimulation. Bei 60% Leistungs-begrenzung beträgt die Ertragseinbuße zwischen 3,8% und 8,3% (je nach Zeitintervall).
Der in Abb. 4 dargestellte Wert 8,3%, gilt für die gesetzliche Begrenzung auf 60%. Vergleicht man nun die simulierten Werte –5,5% (stündliche Daten) mit –8,3% (sekündliche Daten), so lässt sich der Umrechnungsfaktor bei Übergang von stündlicher zu sekündlicher Berechnung von 1,51 abschätzen.
Laut einer Rechnung der Firma 1Komma5° in Viertelstunden-Intervallen beträgt der Ertrags-verlust 22,8% [5] und übertrifft sowohl die hier abgeschätzten 5,5% als auch die Werte anderer Quellen [2, 3]. Wie die deutlich höhere Ertragseinbuße errechnet wurde, bleibt unklar.
Die 60%-Begrenzung der eingespeisten Leistung gilt so lange, bis ein iMSys installiert worden ist. Sie lässt sich durch einen Batterie-Speicher abmildern, der in Zeiträumen, in denen die PV-Anlage über 60% der Peak-Leistung besitzt, geladen wird und vor Beginn des nächsten Zeitraums durch Eigenverbrauch entsprechend entladen wird. Letzteres erfordert eine Anpassung des Nutzungsverhaltens an die Wettervorhersage.
Quintessenz
Für ein gesamtes Kalenderjahr sind 8,3% Ertragsminderung plausibel. Verringern lässt sich diese Ertragseinbuße mit einem Batterie-Speicher.
2. Modellierung des Ertrags einer PV-Anlage mit iMSys
PV-Anlagen mit iMSys dürfen künftig zwar mehr als 60% der Peak-Leistung einspeisen, allerdings wird die Einspeisung in Zeiten negativer Strompreise in den betreffenden Viertelstunden finanziell nicht vergütet. Die Kenntnis über das zeitabhängige Verhalten der Häufigkeit negativer Strompreise ermöglicht es, den zeitabhängigen Ertrag einer PV-Anlage zu modellieren. Dabei wird angenommen, dass sich die Häufigkeiten bzgl. Uhrzeit und Kalendermonat auch zukünftig verhalten wie im Zeitraum 2010 bis 2024 (vgl. Kap. 3). Es werden 5,2% Wahrscheinlichkeit für negative Strompreise (Wert für 2024, vgl. Kap. 3) als Anhaltspunkt für angenommen. Abgesehen von der unterschiedlichen gesetzlichen Regelung gelten dieselben Annahmen für die PV-Anlage (Standort, Einstrahlung usw.) wie in Kap. 1.
Die zufällig auftretenden negativen Strompreise verringern den Ertrag zu allen Tages- und Jahreszeiten mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Daraus ergeben sich die in Tab. 2 aufgelisteten Ertragseinbußen.
Tab. 2: Änderung des Energie-Ertrags eines Jahres im Falle negativer Strompreise
Häufigkeit negativer Strompreise | 10,4% | 7,8% | 5,2% | 2,6% | 0% |
Ertragsänderung | –13,3% | –10,0% | –6,6% | –3,3% | 0% |
multipliziert mit 1,51 | –20,1% | –15,0% | –10,0% | –5,0% | 0% |
Der Grund dafür, dass die Ertragsänderung größer ausfällt als die Häufigkeit, dass ein negativer Strompreis auftritt (z.B. 6,6% ggü. 5,2%) liegt hauptsächlich an der Häufung des Auftre-tens negativer Strompreise in den Nachmittagsstunden (vgl. Kap. 3).
Da die Simulation in Stundenintervallen nicht die kurzzeitigen Änderungen der Einstrahlung berücksichtigen kann, wird die Ertragseinbuße unterschätzt. Der abgeschätzte Umrechnungsfaktor von stündlich zu sekündlich berechneten Daten beträgt 1,51 (vgl. Kap. 1c). Daher hätte die Ertragseinbuße im Jahr 2024 mit 5,2% Zeiten negativer Strompreise nicht 6,6%, sondern das 1,51-fache, also 10,0% betragen (untere Zeile in Tab. 5).
Quintessenz
Bei 5,2% Häufigkeit negativer Strompreise (demselben Wert wie im Jahr 2024) sind 10,0% Ertragseinbuße zu erwarten.
3. Häufigkeit der Zeiträume negativer Strompreise
Bereits in Kap. 2 wurde auf die Wahrscheinlichkeit, mit der negative Strompreise auftreten, für die Simulation einer PV-Anlage mit iMSys verwendet. Nachfolgend werden diese Daten genauer betrachtet.
a) Entwicklung seit 2010
Negative Strompreise wurden an der Strombörse EEX erst seit Sep. 2008 zugelassen (zuvor lag der geringste zulässige Preis bei 0 €/MWh). Damit war 2009 das erste vollständige Jahr mit zulässigen negativen Strompreisen und ab 2010 darf man die damals neuen Regelungen als „eingeschwungen“ betrachten.
Abb. 5 zeigt die Zeiten negativer Strompreise in Deutschland, angegeben in Stunden. Da das Zeitintervall der Strombörse die Viertelstunde ist, traten bei bspw. 457 Std. im Jahr 2024 tatsächlich 1828±2 Viertelstunden-Zeiträume mit negativem Strompreis auf.

© Hergert | Abb 5 ― Zeitdauer negativer Strompreise seit 2010 mit Daten aus [6-8]. Die Daten wurden mit Exponential-Funktionen hinterlegt.
Trotz der Streuung der Daten lässt sich ein Anstieg über im Betrachtungszeitraum erkennen. Es ist plausibel, anzunehmen, dass die Anzahl der Stunden ohne die neuen gesetzlichen Regelungen weiterhin zugenommen hätte. Vermutlich wird es trotzdem einen weiteren Anstieg geben – und zwar so lange, bis ausreichend viele kleine und zentrale, große Batterie-Speicher zum Ausgleich von Lastspitzen im Stromnetz zur Verfügung stehen. Die in Abb. 5 rot gestrichelte Exponentialfunktion entspricht einer Verdopplung der Stundenzahl alle vier Jahre. Die in Abb. 5 dargestellten sind in Tab. 3 zusammengefasst.
Tab. 3: Jährliche Stunden mit negativem Strompreis, Modellierung als exponentieller Anstieg
Jahr
| gemessen
| Modell | Modell | Modell | Wschkt. in % | Wschkt. |
2010 | 12 | 16.7 | 26.2 | 41.1 | 0.1 | 0.3 |
2011 | 16 | 20.2 | 31.7 | 49.7 | 0.2 | 0.4 |
2012 | 56 | 24.4 | 38.3 | 60.1 | 0.6 | 0.4 |
2013 | 64 | 29.6 | 46.3 | 72.7 | 0.7 | 0.5 |
2014 | 64 | 35.7 | 56.0 | 87.9 | 0.7 | 0.6 |
2015 | 126 | 43.2 | 67.8 | 106.3 | 1.4 | 0.8 |
2016 | 97 | 52.3 | 82.0 | 128.5 | 1.1 | 0.9 |
2017 | 146 | 63.2 | 99.1 | 155.4 | 1.7 | 1.1 |
2018 | 134 | 76.4 | 119.8 | 187.9 | 1.5 | 1.4 |
2019 | 211 | 92.4 | 144.9 | 227.2 | 2.4 | 1.7 |
2020 | 298 | 111.8 | 175.2 | 274.8 | 3.4 | 2.0 |
2021 | 139 | 135.2 | 211.9 | 332.3 | 1.6 | 2.4 |
2022 | 69 | 163.4 | 256.3 | 401.8 | 0.8 | 2.9 |
2023 | 301 | 197.6 | 309.9 | 485.9 | 3.4 | 3.5 |
2024 | 457 | 239.0 | 374.7 | 587.5 | 5.2 | 4.3 |
2025 |
| 289.0 | 453.1 | 710.5 |
| 5.2 |
2026 |
| 349.5 | 547.9 | 859.1 |
| 6.3 |
Aus Sicht eines Betreibers einer PV-Anlage mit iMSys besteht zu jedem Tageszeitpunkt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmter Zeitraum einen negativen Strompreis besitzt – dies ist in den letzten beiden Spalten vom Tab. 3 eingetragen (z.B. 5,2% = 457 h / 8784 h im Jahr 2024). Für 2026 sagt das Modell eine Wahrscheinlichkeit von 6,3% voraus.
Quintessenz
Die Anzahl der Stunden, in denen der Strompreis negativ ist, nahm seit 2010 zu und wird sich voraussichtlich auch in den kommenden Jahren noch erhöhen. Zeiträume negativer Strompreise haben zur Folge, dass eine PV-Anlage mit iMSys zwar Energie ins öffentliche Stromnetz einspeisen darf, die dann aber nicht vergütet wird.
b) Jahresverlauf negativer Strompreise
Die Verteilung der negativen Strompreise über die Monate eines Jahres ist überraschend konstant (Abb. 6). Auffällig ist die Häufung in den Monaten Dezember und Mai aufgrund der vermehrten Feiertage, was offensichtlich den Strombedarf in Industrie und Gewerbe reduziert. Seltener kommt es in den „Nicht-Urlaubs“-Monaten Februar und November zu negativen Strompreisen. Um dies zu erkennen, wurden die "Corona-Jahre" 2020 und 2021 mit ihren "Lockdowns" als untypische Fälle aus der Statistik herausgenommen. Somit lässt sich die Wahrscheinlichkeit für negative Strompreise abhängig vom Kalendermonat modellieren.

© Hergert | Abb 6 ― Häufigkeit negativer Strompreise im Verlauf des Jahres [7]. Messwerte: blaue Balken, Modell: Feb/Nov: 3%, Mai/Dez: 15%, Rest: 8% (rot dargestellt)
Als einfaches Modell eignen sich konstante prozentuale Anteile pro Monat (s. Abb. 6). Demzufolge ist eine PV-Anlage im Mai häufiger betroffen als in den anderen ertragsstarken Sommermonaten.
Quintessenz
Negative Strompreise treten im Mai und Dezember gehäuft auf. PV-Anlagenbetreiber sind von der Häufung im Mai betroffen, weil eine PV-Anlage in diesem Monat typischerweise hohe Leistungen erreicht.
c) Tagesverlauf negativer Strompreise
Wichtiger als der Jahres- ist der Tagesverlauf, d.h. die uhrzeitabhängige Häufigkeit negativer Strompreise. Bei den in ausgewerteten Daten wurde unterstellt, dass die Uhrzeiten im Winter in MEZ und im Sommer in MESZ vorlagen. Es ist allerding unbekannt, wie die einzelnen Viertelstunden-Zeiträume den ganzen Stunden zugeordnet wurden, wodurch sich bis zu 1/2 Std. Abweichung ergeben kann. Die Auftragung der Daten [7] ist in Abb. 7 dargestellt.

© Hergert | Abb 7 ― Negative Strompreise treten gehäuft zwischen 2…5 Uhr sowie zw. 14…16 Uhr auf [7, 8].
Negative Strompreise treten demnach am häufigsten in der späten Nacht (2…5 Uhr, d.h. vor Beginn der Frühschicht) und am Nachmittag (14…16 Uhr) auf. Der erste Zeitraum ist für PV-Anlagen bedeutungslos, weil die Sonne so früh morgens entweder noch nicht aufgegangen ist oder erst knapp über dem Horizont steht. Somit könnte eine PV-Anlage entweder gar keine oder nur geringe elektrische Leistung einspeisen. Der Nachmittagszeitraum ist hingegen derjenige, der von den neuen gesetzlichen Regelungen berührt wird – insbesondere südwestlich (zur Nachmittagssonne) orientierte Anlagen sind hiervon betroffen.
Die Häufigkeitsverteilung der negativen Strompreise über der Uhrzeit eines Tages folgt einem Muster, das die Periodendauern 24 Std., 12 Std. und 6 Std. enthält. Es ist als Summe dreier harmonischer Schwingungen gut zu modellieren (rote gestichelte Linie in Abb. 7).
Modell zur uhrzeitabhängigen Häufigkeit negativer Strompreise (Parameter in Tab. 4):

Tab. 4: Parameter für das Modell der uhrzeitabhängigen Häufigkeit negativer Strompreise
Term | Bedeutung | Amplitude hn | Phase tn | Anmerkung |
0) | konst. Verschiebung | 4,17% | - - - | |
1) | 24h-Schwingung | –1,90% | 22,0 h | |
2) | 12h-Schwingung | 3,25% | 3,1 h | |
3) | 6h-Schwingung | 1,57% | 3,1 h | nur zwischen 10:30 Uhr und 22:30 Uhr |
Quintessenz
Negative Strompreise treten zumeist in den Zeiträumen 2…5 Uhr und 14…16 Uhr auf. Für PV-Anlagenbetreiber ist hiervon lediglich der Nachmittagszeitraum relevant. Daher sind südwestlich orientierte PV-Anlagen am stärksten betroffen.
4. Betrachtung des Stromnetzes aus Sicht einer Leitungsbilanz
Dieses Kapitel betrachtet, welche technischen Maßnahmen sinnvoll wären, um ein elektrisches Stromnetz zu stabilisieren. Dabei wird nur aus Sicht der Leistungsbilanz und der Netzfrequenz argumentiert, ohne in die Tiefe zu gehen.
a) Bilanzgebiet und Leistungsbilanz
Die Bundesrepublik Deutschland ist in vier Regelzonen eingeteilt, d.h. es gibt jeweils einen Betreiber des Übertragungsnetzes für den elektrischen Strom, der für ein Gleichgewicht zwischen eingespeister und ausgespeister elektrischer Leistung sorgt. Innerhalb einer jeder Regelzone gibt es Quellen (z.B. Kraftwerke, Wind- und PV-Anlagen) und Senken („Verbraucher“) elektrischer Energie sowie kurz- und langfristige Energiespeicher (z.B. rotierende Turbinen, Batterien, Wasserkraftwerke usw.). Zieh man nun gedanklich eine Grenze um die Regelzone, so wird nur dann eine Verbindung mit der Außenwelt benötigt, wenn elektrische Leistung nach außen abgegeben oder von außen zugeführt werden muss (Abb. 8). Dies ist die sogenannte Regelleistung, deren Abgabe oder Aufnahme mit technischem und finanziellen Aufwand einhergeht. Es ist also erstrebenswert, Regelleistung zu vermeiden.

© Hergert | Abb 8 ― Regelzone mit Quelle (links), Senke (rechts) und Speicher. Regelleistung ist der Energie-Austausch über die System-grenze (violett).
Doch wann wird Regelleistung überhaupt benötigt? Regelleistung muss von außen zugeführt werden, wenn in der Regelzone mehr elektrische Leistung genutzt („verbraucht“) als bereitgestellt wird und der Speicher leer ist. Umgekehrt muss Regelleistung nach außen abgeführt werden, wenn mehr Leistung genutzt wird als im System bereitgestellt und vom Speicher abgegeben werden kann. Selbst ohne Rechnung ist offensichtlich, dass ein (bzw. mehrere) Speicher im System vorteilhaft sind, wenn Regelleistung vermieden werden soll.

© Hergert | Abb 9 ― Haus mit PV-Dachanlage als Quelle (links), Senke (rechts) und Speicher.
Übertragen auf ein Haus mit PV-Dachanlage (Abb. 9) enthält das System die PV-Anlage, die Quelle die elektrische Leistung bereitstellt, eine Senke (mehrere elektrische „Verbraucher“), einen Batteriespeicher sowie eine Verbindung zur Außenwelt zur Einspeisung oder dem Bezug elektrischer Energie (entspricht der „Regelleistung“ der Regelzone). Auch hier ist es bzgl. der laufenden Kosten finanziell vorteilhaft, den Bezug elektrischer Energie aus dem öffentlichen Stromnetz zu reduzieren und die Einspeisung ins Stromnetz zu begrenzen, wenn eine der beiden gesetzlichen Regelungen (s. Abb. 9) zutrifft. Genau wie bei der Regelzone (Abb. 8) lässt sich der Strom über die violett markierte Systemgrenze mit einem Speicher im System reduzieren.
b) Leistungsgleichgewicht
Im Leistungsgleichgewicht wird innerhalb eines Systems wie in Abb. 8 oder 9 genauso viel Energie bereitgestellt, wie gespeichert und genutzt (“verbraucht“) wird. Während dieses Gleichgewichts braucht kein Strom über die Systemgrenze zu fließen (d.h. es ist keine „Regelleistung“ erforderlich). Die Frequenz der elektrischen Wechselspannung beträgt dann 50,00 Hz (Hertz).
Sobald das Leistungsgleichgewicht in einem elektrischen Stromnetz nicht mehr ausbalanciert ist, ändert sich die Frequenz; wenn Leistung fehlt, sinkt die Netzfrequenz ab, bei zu viel Leistung nimmt sie zu. Um die 50,00 Hz und somit das Leistungsgleichgewicht einzuhalten werden die Energie-Bereitsteller und ggf. sogar die großen Energienutzer anhand der gemessenen Netzfrequenz ständig geregelt.
c) Regelung der Einspeiseleistung von PV-Anlagen
Zur Aufrechterhaltung des Leistungsgleichgewichts ist es notwendig, die Leistung der großen Energie-Bereitsteller der zeitlich variablen Energie-Nutzung anzupassen, indem die ins Stromnetz eingespeiste Leistung begrenzt wird. Bezogen auf PV-Anlagen ist es technisch sinnvoll, deren eingespeiste Leistung bei Netzfrequenzen größer als 50,2 Hz nicht schlagartig, sondern allmählich zu begrenzen.
Die Netzfrequenz ist hierbei ein genau messbares und technisches Kriterium, das der Erhaltung der Netzstabilität dient. Der viertelstündlich schwankende Börsenstrompreis (EEX) korreliert hingegen nur schwach mit der Netzfrequenz. Der Grund ist, dass dessen Berechnung nicht nur die aktuelle Nachfrage, sondern auch die Angebote enthält, die bereits am Vortag abgegeben wurden.
Die gesetzlichen Regelungen verwenden die Netzfrequenz hingegen nicht als Kriterium, die PV-Anlagen zu steuern, um die Leistung im Stromnetz zu regeln.
Die pauschale Leistungsbegrenzung auf 60% für PV-Anlagen ohne iMSys gilt an allen Tagen und Uhrzeiten, ganz gleich, ob zu viel Leistung eingespeist wird oder nicht. Beispielweise wird die Leistung von PV-Anlagen an einem sonnigen, aber windstillen Sommertag selbst dann auf 60% gekappt, wenn die Windkraft-Anlagen nicht einspeisen können und stattdessen fossile Kraftwerke ihre Leistung erhöhen müssen.
Die Nichtvergütung der eingespeisten elektrischen Energie ins öffentliche Stromnetz in Zeiten negativer Strompreise nach Einbau des iMSys ist unabhängig davon, ob die Netzfrequenz zu diesen Zeiten größer als 50,2 Hz ist. Es geht dem Gesetzgeber offensichtlich leider nicht darum, die Netzfrequenz zu stabilisieren, sondern weniger Einspeisevergütung auszuzahlen. Andernfalls wäre die Netzfrequenz als technisches Kriterium anstelle des Börsenstrompreises herangezogen worden.
5. Konsequenzen für PV-Anlagenbetreiber
Die Ausstattung von PV-Anlagen mit iMSys war eine Motivation der Gesetzesänderungen. Offen bleibt jedoch, ab wann diese Geräte verfügbar sein werden. Zudem sind die hohen gesetzlich verankerten Zählergebühren hierfür nicht gerade attraktiv.
Für nach Süden ausgerichtete PV-Anlagen ohne iMSys, die ab März 2025 in Betrieb genommen werden, fällt die Ertragseinbuße mit etwa 8,3% erheblich aus (gerechnet ohne Batterie-Speicher und ohne Eigenverbrauch). Es ist daher dringend empfehlenswert, einen richtig dimensionierten Batterie-Speicher einbauen zu lassen, der jedoch nicht bereits vormittags, sondern erst mittags geladen wird und über ein prognosebasiertes Energie-Management verfügen sollte [9].
Auch PV-Anlagen mit iMSys sollten auf jeden Fall mit Batterie-Speicher betrieben werden, da ihre Ertragseinbuße andernfalls höher liegt als ohne iMSys. Die Zeiten negativer Strompreise während der 20-jährigen Dauer der Einspeisevergütung werden zwar aufsummiert, jedoch erst am Ende des Vergütungszeitraums ausbezahlt – und zwar nur teilweise und mit bis zu 20 Jahren Verzögerung. Ob die im Gesetz festgelegten zukünftig deutlich höheren Zählerkosten durch ein „intelligentes“ Energie-Management wettgemacht werden können – insbesondere für kleine PV-Anlagen mit lediglich 2…25 kWp Peak-Leistung, bleibt allerdings fraglich.
Danksagung
Für die Diskussion über gesetzliche und technische Details danke ich Fr. S. Jung und Prof. Dr. E. Waffenschmidt; beide engagieren sich im Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. [10].
Quellen
Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Vermeidung von temporären Erzeugungsüberschüssen
https://dip.bundestag.de/vorgang/gesetz-zur-%C3%A4nderung-des-energiewirtschaftsrechts-zur-vermeidung-von-tempor%C3%A4ren-erzeugungs%C3%BCbersch%C3%BCssen/318835
[1] Wetterdaten zur Modellierung von PV-Anlagen aus PVGIS der Europäischen Union;
https://re.jrc.ec.europa.eu/pvg_tools/en/#MR
[2] Begrenzung der eingespeisten Leistung in Abb. 6 nach Fig. 3 in:
Waffenschmidt, E: „Dimensioning of decentralized photovoltaic storages with limited feed-in power and their impact on the distribution grid“ Energy Procedia (2014), 31.Jan. 2014, pp. 88-97, Reference: EGYPRO7750, DOI https://doi.org/10.1016/j.egypro.2014.01.161
[3] Beitrag von Dr. J. Weniger (HTW Berlin) auf LinkedIn im Jan. 2025
https://www.linkedin.com/posts/weniger_wie-hoch-sind-die-ertragsverluste-aufgrund-activity-7283489917823844353-O9q3/#
[4] J. Weniger, T. Tjaden, N. Orth, S. Maier: „Performance Simulation Model for PV-Battery Systems (PerMod Version 2.2)“, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, 2023.
https://solar.htw-berlin.de/permod/
[5] „Was das Solarspitzen-Gesetz für privat Photovoltaik-Ablagen bedeutet“ (5. Feb. 2025) auf Solarserver.de
https://www.solarserver.de/2025/02/05/was-das-stromspitzen-gesetz-fuer-private-photovoltaik-anlagen-bedeutet/?utm_source=newsletter&utm_campaign=newsletter
[6] Stunden mit neg. Strompreis seit 2012
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/618751/umfrage/anzahl-der-stunden-mit-negativen-strompreisen-in-deutschland/
[7] Tabelle negativer Strompreise 2015-2024
https://www.bhkw-infozentrum.de/wirtschaftlichkeit-bhkw-kwk/negative-strompreise-fakten-und-statistiken.html
[8] Neg. Strompreis in Abhängigkeit der Uhrzeit
https://www.bee-ev.de/service/publikationen-medien/beitrag/bee-infografik-negative-strompreise
[9] Weniger, T. et al.: „Stromspeicher-Inspektion 2025“ (HTW Berlin)
https://solar.htw-berlin.de/wp-content/uploads/HTW-Stromspeicher-Inspektion-2025.pdf
[10] Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V.
https://www.sfv.de/