Sigmar Gabriel und die schwarze Magie

 

Es gibt einen Politiker, dessen Handeln anscheinend von der Furcht vor Flüchen angetrieben wird. Dieser Politiker ist nicht Präsident einer Karibik-Insel, auf der Voodoo-Kulte das religiöse Geschehen prägen. Nein, es handelt sich um Sigmar Gabriel, unseren Bundesminister für Wirtschaft und Energie und Parteivorsitzenden der SPD. Seit Jahren quält ihn die Angst vor dem Verfluchtwerden durch Kinder und Enkel. Zuletzt fürchtete er solchen Fluch bei Rückschritten im europäischen Einigungsprozess. (Facebook-Profil Gabriel) Aber der eigentliche Kernbereich von Gabriels Fluchangst ist die Energiepolitik.

2007 war Gabriel Bundesumweltminister in der damaligen Großen Koalition. Beim Klimagipfel in Bali ließ Deutschland sich damals als weltweiter Klimaschutzvorreiter feiern. 40 Prozent Reduktion der Treibhausgase bis 2020 war das Ziel der Bundesregierung, das Gabriel stolz verkündete. Diesen „Mut“ brauche man schon, meinte er: „Sonst werden uns unsere Kinder und Enkel verfluchen.“ (Greenpeace, Huffington Post)

Ein Politiker, der in die Zukunft blickte! Zwei Jahre später, Ende 2009, war Gabriel in der Opposition gegen eine schwarz-gelbe Bundesregierung. Ein weiterer Klimagipfel wurde in Kopenhagen abgehalten, der kläglich scheiterte. Sigmar Gabriel beklagte damals, die in Dänemark versammelten Staats- und Regierungschefs seien ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden. „Unsere Kinder und Enkel werden uns verfluchen, wenn es nicht gelingt, diese Haltung aufzubrechen.“ (Rheinische Post)

Gabriel ist heute in der Position, diese Haltung aufzubrechen und den Fluch der Kinder und Enkel abzuwenden. Seinem Wirtschaftsministerium wurde die Zuständigkeit für die Energiepolitik zugeschanzt. Und genau jetzt öffnet sich ein „window of opportunity“: Die Bundesregierung diskutiert ein „Aktionsprogramm Klimaschutz“, um die gefährdeten CO2-Reduktionsziele doch noch zu erreichen. Die Bundesumweltministerin und Gabriels Parteifreundin, Barbara Hendricks, hat darauf hingewiesen, dass schleunigst wenigstens die ältesten Kohlekraftwerke in Deutschland vom Netz gehen müssen, wenn das von Gabriel vor sieben Jahren verkündete 40-Prozent-Ziel noch zuwege gebracht werden soll. (zeit.de) Gabriel weiß, dass seine Kollegin Recht hat. Aber er weiß auch, dass die an RWE beteiligten NRW-Kommunen Probleme haben, wenn die RWE-Gewinne weiter zurückgehen. Und in genau diesen Städten will die SPD 2017 eine Landtagswahl gewinnen. Das ist nur einer der Gründe, warum sich Funktionäre einer früheren Arbeiterpartei zu Bütteln von Konzern-Chefetagen machen. Da müssen die Kinder und Enkel schon mal ein bisschen warten können.

Anlässlich des aktuellen Weltklimaberichtes des IPCC belegte die Online-Ausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ im April dieses Jahres das Beharren auf der Kohleverstromung mit dem Titel: „Fluch des schwarzen Stroms“.

Dieser Fluch des schwarzen Stroms ist real – auch in Deutschland.

Gabriel ahnt vielleicht, dass ihn unsere Kinder und Enkel wirklich eines Tages wegen seiner Verhinderung einer substanziellen CO2-Reduktion verfluchen werden. Vielleicht juckt es ihn aber nicht besonders, denn dann ist er ja nicht mehr da. Sein häufiges Verwenden des Satzes vom Verfluchtwerden durch die Kinder und Enkel hat aus dem Ausweis einer zukunftsorientierten Betrachtung eine billige Münze gemacht, die ihm selbst nichts mehr wert zu sein scheint. – Vielleicht also müssen wir unseren Kindern und Enkeln den Job abnehmen und schon in der Gegenwart Politiker wie Sigmar Gabriel, die so eklatant ihren Amtseid mit Füßen treten, „verfluchen“. Nicht mit Voodoo-Püppchen und Stecknadeln, aber mit Wahlzetteln, Petitionen, Leserbriefen, auf der Straße.