Leitartikel

Gewinne haben sie alle gemacht, aber es gab doch Unterschiede. Seit ihrer Gründung haben Stadtwerke die städtischen Busse und Bahnen, die Freibäder und Hallenbäder sowie andere gemeindeeigene Einrichtungen finanziell unterstützt. Die großen Verbundgesellschaften dagegen, wie RWE, Preußen Elektra oder die Energie Baden Württemberg (EnBW) haben lukrative Firmen eingekauft und ihre Kassen bis zum Bersten aufgefüllt. Außer den Aktionären und einigen Insidern nahm kaum jemand Notiz davon, doch jetzt sind die Medien voll davon. Der Grund?

Kurz vor dem Regierungswechsel hat der ehemalige Wirtschaftsminister Rexroth (F.D.P.) mit einer neoliberalen Neuauflage des Energiewirtschaftsgesetzes den Wettbewerb im Strommarkt freigegeben. Der Ring ist frei, der Kampf beginnt. Und die Stromkunden, die vorher zu bequem waren, das Licht im Klo auszuknipsen, um einige kWh zu sparen, sind plötzlich hoch motiviert, durch geschickten Wechsel des Stromversorgers einige Mark einzusparen. Die evangelische Kirche z.B. - Bewahrung der Schöpfung her oder hin - ist auf ein Billigangebot der Preußen Elektra (62 % aus Atomkraft) sowie der Stadtwerke Hannover eingegangen. Der Stromriese RWE wildert im Versorgungsgebiet der anderen Stromversorger mit der Behauptung (inzwischen gerichtlich untersagt), sein Strom sei der billigste. Und die EnBW sucht für ihren „gelben" 19 Pfennig-Yello-Strom bundesweit Käufer; Preissenkung um fast 50 % trotz Durchleitung durch fremde Netze (geschätztes Durchleitungsentgelt: 13 Pf/kWh).

Der nachdenkliche Bürger fragt sich, ob die 19 Pfennige überhaupt noch die Kosten decken, oder ob hier mit Dumpingpreisen Konkurrenten aus dem Feld gejagt werden sollen. Mit dieser Überlegung liegt er sicher nicht falsch. Es geht insbesondere den Stadtwerken an den Kragen, deren schwaches Finanzpolster einen Preiskampf kaum erlaubt.

Die Folgen für den Umweltschutz sind fatal. Die Großen haben ohnehin nur die gesetzlichen Mindestauflagen erfüllt (wenn man einmal von einigen Vorzeigeobjekten absieht). Einige von den Kleinen aber haben - teilweise gedrängt von ihren Eignern - echte Umweltverbesserungen eingeführt, Ausweitung der Kraftwärmekopplung und effektive Förderung der erneuerbaren Energien. So zahlen z.B. einige Dutzend Stadtwerke „freiwillig" erhöhte, teilweise sogar kostendeckende Vergütungen (KV) für Solarstrom; wir haben immer wieder darüber berichtet. Doch jetzt geht es kaum noch voran. Verstört und fixiert auf rein preisliche Überlegungen, versuchen die Stadtwerke im Preiskampf mitzuhalten und alles, was den Strom für ihre Kunden verteuern könnte, wegzulassen.

Ziehen wir ganz nüchtern Bilanz:

Bekanntheit und Beliebtheit des Markteinführungsprogramms kostendeckende Vergütung (KV) nehmen weiter zu. Die Stadt- bzw. Gemeinderräte in über 80 Kommunen haben ihren Stromversorger zur KV aufgefordert. Doch von den 80 gefaßten Beschlüssen wurden nur 20 umgesetzt. Im wettbewerbsorientierten Markt reicht eben die ERLAUBNIS, eine KV für Solarstrom zahlen zu dürfen, nicht mehr aus; hier ist eine gesetzliche VERPFLICHTUNG für alle Stromversorger und alle Stromkunden notwendig, doch die fehlt bisher.

Verantwortlich für die Einführung des Wettbewerbs im frühkapitalistischen Sinne war die vorherige Bundesregierung. Ob sie die ökologischen Schwachstellen des neuen Gesetzes nicht gesehen oder sie sogar gewollt hat, kann offen bleiben.

Jetzt ist die neue Bundesregierung dran. Damit die Umwelt nicht auf der Strecke bleibt, müssen ökologische Belange Berücksichtigung finden. Die kostendeckende Vergütung für alle erneuerbaren Energien einschließlich Solarstrom gehört ins Stromeinspeisungsgesetz!

Mit freundlichen Grüßen

W. v. Fabeck

PS. Das Stromeinspeisungsgesetz soll im Herbst überarbeitet werden. Die Stadt Aachen hat sich bereits mit einem Appell aller Fraktionen zur Aufnahme der KV in das Gesetz an Bundestag und Europäische Gemeinschaft gewendet, siehe Seite 9. Die Stadt Nürnberg wird folgen. Unsere Bitte an alle befreundeten Organisationen: Schließen Sie sich dem Appell an!

 

Nach Redaktionsschluß:

Die Stadträte von Gladbeck, Blomberg und Marktheidenfeld haben sich dem Appell der Stadt Aachen zur gesetzlichen, flächendeckenden Einführung der KV angeschlossen!