Durchleitung leichter vermittelbar

Warum setzt Greenpeace auf "Stromwechsel" und nicht auf die KV?
Warum beharrt Greenpeace auf der physikalisch unsinnigen "Durchleitung" des Ökostroms?

Jürgen Grahl, SFV-Info-Stelle Würzburg

Die Einschätzung, daß sich die Umweltverbände mit ihrer derzeitigen Fixierung auf die Durchleitungsfrage zu verzetteln drohen, teile ich vollauf. Das damit verfolgte Ziel, die Diskriminierung der regenerativen Energien zu beseitigen, ist natürlich unstrittig. Der faire Netzzugang ist hier m.E. aber nur drittrangig: die beiden wesentlichen Aspekte sind die angemessene Besteuerung der K-Stromerzeugung via ökologische Steuerreform zwecks Entlastung des Faktors Arbeit und Internalisierung der externen Kosten und eine gerechte, d.h. kostendeckende Vergütung für S-Strom zwecks Finanzierung der Energiewende. Beides gehört für mich untrennbar zusammen, ist insofern gleichrangig. Ich denke auch, daß wir mit der KV wesentlich näher an jenem von H. Scheer beschworenen archimedischen Punkt sind, an dem wir wirklich etwas Entscheidendes bewegen können, als dies mit einer Neuordnung der Durchleitungsregelungen je der Fall sein könnte. Den allzu großen Hoffnungen, die darauf gesetzt werden, stehe ich allein schon deshalb sehr skeptisch gegenüber, weil sie mich an den neoliberalistischen Irrglauben erinnern, der Markt könne alles optimal regeln-, es wäre fatal, wenn diese Haltung nunmehr auch schleichenden Einzug in die Umweltbewegung halten sollte.

Dennoch möchte ich versuchen, mich auch ein wenig in die Position z.B. von Greenpeace hineinzudenken und in die Motive, weshalb dort der KV nicht das gleiche Augenmerk geschenkt wird, wie etwa der,Akion Stromwechsel’. Das entscheidende Kriterium für Greenpeace dürfte sein, ob sich ein Thema in der Öffentlichkeit ‘vermitteln’ läßt, inwieweit es nicht nur auf der intellektuellen, sondern auch auf der emotionalen Ebene ‘ankommt’. Und hier liegt das einzige große Manko in den Konzepten sowohl der ökologischen Steuerreform als auch der KV: Sie sind der breiten Masse schwer zu erklären, und erwecken keine große Begeisterung und affektive Zustimmung. Unsere Argumente können intellektuell noch so glänzend sein, letztlich bleibt von ihnen im Durchschnitt weniger haften als bei der Forderung nach dem Atomausstieg, die viel nachvollziehbarer, handgreiflicher, konkreter ist, weil sie an eine mögliche eigene Bedrohung appelliert und nicht an eine abstrakte, erst spätere Generationen treffende Gefahr wie bei den Warnungen vor Klimaveränderungen.

Der persönlichen Betroffenheit bedient sich auch die Aktion Stromwechsel, indem sie dazu auffordert, den eigenen, persönlichen Ausstieg im Kleinen zu vollziehen. Man darf in diesem Zusammenhang nicht die - mir selber völlig unverständliche - Faszination unterschätzen, die von der Vorstellung ausgeht, sich mittels eigener Solaranlage autark zu versorgen, sich vom Netz abzukoppeln. In etwas schwächerer Form scheint dies auch für die Vorstellung zu gelten, Ökostrom "direkt" vom Erzeuger ins eigene Haus "durchleiten" zu können, so unsinnig diese aus physikalischer Sicht sein mag: Offenbar erreicht man weitaus mehr Menschen, wenn man ihnen verspricht, ihnen Ökostrom "durchzuleiten", ihnen auf diese Weise eine Leistung vorgaukelt, als wenn man sie zu einer defacto-Spende für eine Anlage auffordert, zu der sie in keinerlei persönliche Beziehung treten können.