Mißbrauch nicht ausgeschlossen

Das neue Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien ermöglicht Stromhändlern die Täuschung gutmeinender Ökostromkunden
von Wolf von Fabeck

Ein handwerkliches Versehen

Bisher ist kaum aufgefallen, daß ein Passus des EEG die Stromhändler zur Täuschung gutmeinender Ökostromkunden geradezu einlädt. Dies kann m.E. nur durch ein "handwerkliches" Versehen bei der Formulierung des Gesetzes erklärt werden.

Sinn des Ökostromhandels

Wer Ökostrom kauft, zahlt im Vergleich zum „Egalstromkunden" freiwillig mehr Geld für den von ihm verbrauchten Strom. Der Ökostromkunde verbindet damit die Erwartung, daß zusätzliche Anlagen zur Nutzung der erneuerbaren Energien gebaut werden, die andernfalls nicht gebaut würden.

Würde der Ökostromkunde erfahren, daß sein finanzieller Beitrag nur die Bezieher von Egalstrom entlastet und/oder die Gewinne seines Stromhändlers erhöht, so würde er sich getäuscht fühlen, denn dies ist nicht das, was er erwartet. Einer solchen Täuschung aber leistet das neue Gesetz Vorschub.

Was geschieht mit dem Strom aus den EEG-vergüteten Anlagen

Die Paragraphen 3 und 11 des EEG befassen sich mit der Frage, was mit dem Strom geschieht, der aus Tausenden von Solaranlagen, Windanlagen und anderen Anlagen der erneuerbaren Energien ins öffentliche Netz eingespeist wurde. Dieser Strom wird nach EEG vergütet und wird in den Höchstspannungs-Übertragungsnetzen der großen deutschen Stromversorger bundesweit dem Egalstrom beigemischt. Siehe Erläuterungen links.

Diese Betrachtung hat mit dem physikalischen Stromfluß natürlich nichts zu tun, sondern es handelt sich um eine - durchaus legitime - kaufmännische Betrachtungsweise.

In den Übertragunsnetzen liegt somit bundesweit ein einheitliches „Gemisch" aus 98 % Egal-Strom und etwa 2 % EEG-Strom vor.

Jedes Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU), das Strom aus dem Übertragunsnetz bezieht, ist verpflichtet, den bundesweit einheitlichen EEG-Strom-Anteil (ca. 2 % der von ihnen bezogenen Menge an Egal-Strom) entgegenzunehmen und ihn beim Übertragungsnetzbetreiber entsprechend zu bezahlen. Damit haben auch die Stromhändler, die den Strom an Letztverbraucher liefern, den bundesweit gleichen EEG-Strom-Anteil von ca. 2 % in ihrem Angebot.

Wer bezahlt letztlich den EEG-Strom?

Der Leser des Gesetzes erwartet nun eine Bestimmung, die den Endverbrauchern vorschreibt, daß auch sie bei jeder Stromlieferung den bundesweit gleichen EEG-Strom-Anteil abnehmen und mit bezahlen müssen.

Die fehlerhafte gesetzliche Bestimmung zum Ökostromhandel im EEG

Doch nun kommt die böse Überraschung: Den Stromhändlern wird ausdrücklich erlaubt, ihren 2 % EEG-Anteil als "Grünen Strom" zu verkaufen, wenn sie dafür (uninformierte) Käufer finden; EEG §11 (4) letzter Satz besagt nämlich:

Der nach Satz 1 abgenommene Strom

(Anm.d.Red.: Der EEG-Stromanteil im bundesweiten Stromgemisch)

darf nicht unter der nach Satz5 gezahlten Vergütung

(Anm.d. Red.: Durchschnittsvergütung aus den EEG-Vergütungen für die verschiedenen Techniken erneuerbarer Energien)

verkauft werden, soweit er als Strom im Sinne des § 2

(Anm. d. Red.: Strom aus EEG-Anlagen)

oder als diesem vergleichbarer Strom vermarktet wird.

Dieser Satz hat es in sich. Der Hauptsatz verbietet Dumpingpreise beim Verkauf dieser Art von Ökostrom und findet deshalb beim flüchtigen Lesen des Textes zumeist ungeteilte Zustimmung. Doch der Teufel steckt im Detail, genauer gesagt, im Nebensatz. Der Nebensatz nämlich erlaubt indirekt die Wiederauftrennung des bundeseinheitlichen Gemisches in Egalstrom und Ökostrom.

Warum ist der gesonderte Verkauf von EEG-Strom nachteilig?

Vor- oder Nachteil der gesetzlichen Regelung erkennt man am leichtesten, wenn man die Folgen miteinander vergleicht, die sich einerseits ergeben, wenn die Regelung genutzt wird, oder die sich ergeben würden, wenn die Regelung nicht genutzt würde.

Stellen wir uns also vor, es würden sich keine Käufer für diese Art grünen Stroms finden. Dann passiert nichts Nachteiliges. Die Einspeiser von Strom aus EEG-Anlagen erhalten trotzdem ihre Vergütung, wie sie in den §§4 bis 8 vorgeschrieben sind.

Stellt man sich umgekehrt vor, die Stromhändler würden viele Käufer für den grünen Strom finden, dann können sie ihre Gewinne vergrößern oder sie können den Kunden, die keinen Ökostrom haben wollen, den Egal-Strom umso billiger verkaufen (Anreiz zu weiterer Stromverschwendung). Betreiber von EEG-Anlagen haben jedoch keinen Vorteil, denn sie erhalten die gleiche Vergütung wie zuvor. Die Umwelt hat keinen Vorteil. Es wird kein Kilogramm CO2 zusätzlich eingespart und keine einzige EEG-Anlage wird zusätzlich gebaut. Kein Erzeuger des EEG-Ökostroms (Betreiber von Biomasse-, Wind- oder Solaranlagen) bekommt auch nur einen Pfennig mehr als die vorgeschriebene EEG-Vergütung.

„Ablaßhandel" zur Beruhigung des Ökogewissens

Sagen wir es ganz ungeschminkt: Der EEG-Ökostromkunde wird betrogen. Er zahlt mehr, doch die erwartete Gegenleistung bleibt aus. Zwar erhält er EEG-Ökostrom im gewünschten Umfang, doch dieser EEG-Ökostrom wird ohnehin erzeugt und ohnehin mit der gesetzlichen Mindestvergütung bezahlt.

Einziger Effekt: Das Gewissen der EEG-Ökostromkunden wird beruhigt. Ein Vergleich mit dem Ablaßhandel der Kirche im Mittelalter liegt nahe. Damals hieß der Spruch „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele vom Fegefeuer in den Himmel springt."

Zertifizierung kann das Problem nicht lösen

Auch vor Erlaß des EEG gab es bereits Händler, die Strom teurer verkauften mit dem Argument, es handele sich um echten Ökostrom. Da der durchschnittlich informierte Stromkunde keine Möglichkeit hat, den Wahrheitsgehalt solcher Werbeslogans zu überprüfen, bildeten sich nach dem Vorbild des blauen Engels einige Zertifizierungsgesellschaften und Vereine, die Ökostrom, der besondere ökologische Qualitäten aufwies, ein besonderes Gütesiegel verliehen. Feste Regeln für die Erteilung eines solchen Prädikats gab und gibt es nicht. Vielmehr stellten die verschiedenen Kommissionen sich ihre eigenen Regeln auf. Manche Zertifizierer überprüfen, ob mit den Mehrbeträgen tatsächlich neue Anlagen errichtet werden, anderen Zertifizierern, z.B. dem TÜV genügt der Nachweis, daß der Strom aus Wasserkraftanlagen stammt, gleichgültig wie alt und groß diese auch sind.

Eine Zertifizierung des neuen Ökostroms, der aus Anlagen stammt, die nach EEG vergütet werden, sollte eigentlich ausgeschlossen sein, denn es wird keine einzige zusätzliche Anlage gebaut. Dennoch werden sich Zertifizierer finden, die im Auftrag und Interesse ominöser Ökostromhändler nach selbst aufgestellten Regeln Zertifikate erteilen. Das Interesse der Stromversorger, sich einen zusätzlichen mühelosen Gewinn zu verschaffen, sollte nicht unterschätzt werden.

Eine Kontrolle der verkauften Mengen fehlt

Eine Gesetzeslücke erleichtert zudem die Täuschung argloser Kunden. Die Händler kaufen Strom aus den Übertragungsnetzen in dem bundesweit ermittelten Verhältnis von z..Zt. etwa 2 % EEG-Strom gegenüber 98 % Egalstrom. Doch niemand kontrolliert, ob die Händler nicht ihren Anteil Egalstrom zu „Ökostrom" umdeklarieren und den Kunden mehr „Ökostrom" verkaufen als sie beim Übertragungsnetzbetreiber überhaupt eingekauft haben.

Ehrliche Ökostromhändler leiden unter der allgemeinen Mißachtung von Treu und Glauben

Ökostromhändler, deren erklärtes Ziel der zusätzliche Bau von Anlagen zur Nutzung der erneuerbaren Energien ist, werden unter den undurchsichtigen Verhältnissen auf dem Ökostrommarkt immer größere Probleme mit der Glaubwürdigkeit bekommen. In einem Umfeld, in welchem die Täuschung des Kunden gang und gäbe ist, wird es schwerfallen, Vertrauen zu gewinnen.

Es steht zu befürchten, daß der absehbare allgemeine Vertrauensverlust auch dem engagierten, ehrlichen Ökostromhandel insgesamt ein unrühmliches Ende bereiten wird. Das aber war sicher nicht die Absicht des Gesetzgebers.