Datum: 02.07.2002

Fritz Vahrenholt zur Kernfusion


In der Zeitschrift DIE ZEIT vom 23.05.02 erschien im Wirtschaftsteil ein Artikel von Fritz Vahrenholt mit dem Titel "Quantensprung zu neuem Strom".

Vahrenholt ist bekannt als ehemaliger Umweltsenator der Stadt Hamburg (SPD) und als ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender der Hamburger Electricitätswerke (HEW). Er hat dann später bei Shell-Solar eine leitende Position bekleidet und leitet jetzt das Windenergie-Unternehmen REpowerSystems AG Hamburg.

Viele Umweltfreunde erwarteten von Vahrenholt entsprechend seinem Werdegang ein engagiertes Pladoyer für die erneuerbaren Energien. Sein ZEIT-Artikel hat diese Erwartungen jedoch nicht erfüllt, vielmehr wegen seiner Ambivalenz in der Umweltszene zu heftigen Diskussionen geführt.

Als Geschäftsführer des SFV möchte ich zu diesem Artikel Stellung nehmen.

Fritz Vahrenholt schreibt in dem erwähnten ZEIT-Artikel - unterstützt durch eine mutmachende Illustration aufwachsender Windanlagen - vordergründig über erneuerbare Energien. Doch hintergründig betreibt Vahrenholt Sympathiewerbung für "inhärent sichere" Kernkraftwerkstechnologien, und ganz besonders für die Kernfusion.
Die Kernfusion bezeichnet er wörtlich als "Solarenergie in ihrer Ursprungsform".
Mit diesem gewagten Vergleich überschreitet Vahrenholt nicht nur die Grenzen der Seriosität sondern auch die der Zumutbarkeit! Denn "Solarenergie in ihrer Ursprungsform" ( = Sonne!) steht immer noch am Himmel und braucht keinen Pfennig Forschungsgelder.
 
Nach einer Feststellung der Enquete-Kommission des 11. Deutschen Bundestages zur Reinhaltung der Erdatmosphäre kann das Vielfache des Weltenergiebedarfs mit der bereits längst vorhandenen Photovoltaik bzw.
PV-Technik aus der Sonneneinstrahlung gedeckt werden.

 
Für die Erzeugung von Solarstrom brauchen wir keinen Fusionsreaktor und keine Forschungsmilliarden. Wir müssen lediglich den bereits begonnenen Bau von Solarstrom-Anlagen beschleunigt fortsetzen. Von diesen gibt es alleine schon in Deutschland etwa 50.000 Anlagen, hauptsächlich auf Hausdächern und an Fassaden. Der weitere Zuwachs kann erheblich beschleunigt werden, wenn die Einspeisevergütung für Solarstrom, die nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) z.Zt. 48,1 Cent/kWh beträgt, auf einen Betrag von 80 Cent/kWh angehoben wird, womit sie den wirtschaftlichen Betrieb dieser Anlagen gewährleistet. Überschlagsberechnungen ergeben eine daraus resultierende Strompreiserhöhung um einen Hundertstel Cent/kWh.
 

Ü b e r s c h l a g s r e c h n u n g :

Zur Zeit sind PV-Anlagen von etwa 200 MW am Netz.
Das sind 200.000 kW

Sie speisen jährlich etwa 800 kWh/kW ein.
Das sind jährlich 160.000.000 kWh

Eine Anhebung der Vergütung auf 80 Cent/kWh bedeutet eine Mehrvergütung von rund:
80 - 48,1 = 32 Cent/kWh

Für 160.000.000 kWh beträgt die Mehrvergütung: 32 * 160.000.000 = 5.120.000.000 Cent

Diese Mehrvergütung ist umzulegen auf einen Gesamtverbrauch von etwa 500.000.000.000 kWh.

Die Mehrbelastung jeder Kilowattstunde beträgt: 5.120.000.000 Cent / 500.000.000.000 kWh
Das sind rund 0,01 Cent/kWh

 

Doch Anhebung der Vergütung - da winkt Vahrenholt ab. Stattdessen fordert er einen DEGRESSIVEN Fördersatz für Solarstrom, so als ob es bereits jetzt eine zu hohe Vergütung gäbe.

Wie wenig es Fritz Vahrenholt darauf ankommt, sachlich zu informieren. zeigt sich, wenn man die Maßstäbe vergleicht, die er an die Fusionstechnik einerseits und an die Solarenergie-Nutzung andererseits anlegt.

"Die Fortschritte der Kernfusionsforschung sind gewaltig" (Eine euphemistische Übertreibung, denn tatsächlich gibt es noch keine einzige Kilowattstunde Fusionsenergiestrom!) - "Solarenergie wird in den nächsten beiden Dekaden ein Mauerblümchen bleiben"
Bei der Kernfusion lobt Vahrenholt, "dass der Kostenanteil für den Brennstoff vernachlässigt werden kann". - Dass die Solarenergie noch weniger, nämlich überhaupt nichts, für den Brennstoff (die Sonnenstrahlen) zahlt, hält er demgegenüber nicht für erwähnenswert.
Bei der Fusionstechnik 'vergisst' Vahrenholt zu erwähnen, dass diese Technik Strom nur liefern kann, wenn ein zentralisiertes Stromnetz vorhanden ist - Bei der Solarenergie erwähnt er zwar als Vorteil, dass sie auch ohne Stromnetz arbeiten könne; nennt dies jedoch als Grund dafür, dass sie (nicht in Europa, sondern in Entwicklungsländern) eine elegante Lösung sei.

 

Abschließend ein Wort zu der herabsetzenden Bemerkung von Vahrenholt über die "selbsternannten Hohepriester der rückwärtsgewandten ökologischen Trampelpfade in das vermeintliche Idyll".
Diese sprachlich verunglückte Anmerkung auf unterstem argumentativem Niveau bestätigt zum Abschluss des Artikels noch einmal den peinlichen Eindruck, dass Vahrenholt einseitig und parteiisch gegen die Solarenergienutzung und zugunsten einer unerprobten Großtechnologie Stellung bezieht.

Mit freundlichen Grüßen
Wolf von Fabeck