Das Prinzip:
Kostendeckende Einspeisevergütung unterscheidet sich von allen bis 1989 bekannten Förderprogrammen.
Neu war: Nicht der Bau einer Solaranlage wird durch Zuschüsse unterstützt, sondern die Einspeisung von Solarstrom ins öffentliche Netz wird vom Elektrizitätsversorgungsunternehmen vergütet. Betreiber von Solaranlagen erhalten nicht nur eine hohe Einspeisevergütung für ihren Solarstrom - das hatte es schon früher gegeben, z.B. im schweizer Burgdorf und Steffisburg - sondern sie erhalten eine betriebswirtschaftlich voll kostendeckende Vergütung, die auch die Kapitalbeschaffungskosten und einen angemessenen Gewinn umfasst (wie er auch der Elektrizitätswirtschaft von den staatlichen Strompreisaufsichten zugestanden wurde).
Die Vergütung wird für den Zeitraum von 20 Jahren vertraglich garantiert.
Die Vergütung bemisst sich nicht an den individuellen Kosten einer Solaranlage, sondern an den Kosten einer baujahrgleichen technisch optimierten Solaranlage bei elektrizitätswirtschaftlich rationeller Betriebsführung. Individuelle Mehr- oder Minderkosten betreffen den Betreiber alleine. Sie gehören zum unternehmerischen Risiko.
Nicht Steuermittel werden zur Gegenfinanzierung herangezogen, sondern die Stromgebühren. Die Stromgebühren werden nicht aufgrund freiwilliger Entscheidung einzelner Stromkunden nur für diese erhöht, sondern für alle Kunden gleichermaßen verbindlich.
Erst beim Zusammentreten aller dieser Voraussetzungen sprechen wir von kostendeckender Vergütung, auf Englisch: "full cost rates" oder genauer "Cost Covering Feed-in Tariff".
Folienvortrag zur Funktionsweise des Aachener Modells
Powerpoint Vortrag Aachener Modell mit Folieneinfach erklärt
pdf-Datei Aachener Modell mit Folien einfach erklärt
Historisches:
Die Idee der kostendeckenden Vergütung in der oben genannten Zusammenstellung stammt vom Solarenergie Förderverein; Sie wurde erstmalig am 14.8.1989 durch den SFV telefonisch und am 4.9.89 schriftlich dem Bundeswirtschaftsministerium unterbreitet, fand dort aber keine Zustimmung.
Der SFV organisierte daraufhin zunächst mit Hilfe privater Spender auf privater Basis ein Programm zur kostendeckenden Vergütung unter dem Stichwort SOLARPFENNIG.
Das SOLARPFENNIG-Programm wurde aber später wieder aufgegeben, als sich die ursprüngliche Idee der kostendeckenden Vergütung dann doch noch durchgesetzt hatte.
Wie die Strompreisaufsicht NRW den Weg für die Kostendeckende Vergütung von Solarstrom freimachte
Voraussetzung für eine erhöhte Einspeisevergütung von Solarstrom war die Gegenfinanzierung. Diese sollte nach einem Memorandum des Vereins Umschalten vom 15.02.1989 Memorandum Umschalten e.V. vom 15.02.89 und dem oben erwähnten Vorschlag des SFV vom 04.09.1989 durch eine geringe Erhöhung des allgemeinen Strompreises erfolgen.
Es waren dazu zwei Probleme zu lösen:
1.) Es musste sich ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen finden, welches bereit war, die Strompreise geringfügig zu erhöhen, um mit diesen Mehreinnahmen eine kostendeckende Vergütung für Solarstrom bezahlen zu können.
2.) Die beabsichtigte Strompreiserhöhung musste durch die Strompreisaufsicht genehmigt werden.
Bevor Problem 2 gelöst war - also ohne Gegenfinanzierung - hätte sich Problem 1 nicht lösen lassen.
Wie wurde Problem 2 gelöst?
Damals (noch vor der Liberalisierung der Stromversorgung) mussten die Elektrizitätsversorger ihre Strompreise von der Strompreisaufsicht des jeweiligen Bundeslandes genehmigen lassen. Die Grundsätze für das Genehmigungsverfahren waren in der Bundestarifordnung Elektrizität festgelegt. Paragraf 11 BTO (Elt) lautete:
"Für in das öffentliche Netz eingespeiste Elektrizität aus erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Koppelung sind im Rahmen der Tarifgenehmigung nach § 12 Vergütungen in Höhe der bei dem Elektrizitätsversorgungsunternehmen auch langfristig eingesparten Kosten anzuerkennen."
Ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU), welches Solarstrom kostendeckend vergüten und dafür die Strompreise erhöhen wollte, hätte also nachweisen müssen, dass die Einspeisung von Solarstrom langfristig zu Kosteneinsparungen führen würde. Ein solcher Nachweis hätte im Fall der Solarenergie eine sichere Vorhersage der zukünftigen Kostensenkungen infolge Massenproduktion vorausgesetzt. Ein solcher Nachweis war damals - als die Solarstromerzeugung noch 2 DM pro Kilowattstunde kostete - gegen die allgemein von der Stromwirtschaft vertretene Meinung nicht überzeugend möglich.
Auf Antrag des Landes Baden-Württemberg wurde jedoch am 18.12.89 die Bundestarifordnung Elektrizität (BTO Elt) in §11 durch folgenden Zusatz ergänzt:
"Darüber hinausgehende vertragliche Vereinbarungen sind ebenfalls ((Anmerkung: bei der Strompreisgenehmigung)) anzuerkennen".
Diese Änderung ließ sich auch auf Verträge der EVU mit Einspeisern von Strom auf Erneuerbare Energien anwenden.
Dazu lieferte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Eversheim & Stuible ein Gutachten.
Damit war Problem 2. - wenigstens prinzipiell - gelöst.
Eine weitere Verbesserung der Rechtslage gegenüber der Zeit, zu der der SFV sich mit seinem ersten Antrag 1989 an das Bundeswirtschaftsministerium gewendet hatte, hatte sich aus der Einführung des Stronmeinspeisungsgesetzes (StrEG) ergeben, welches am 1. Januar 1991 in Kraft getreten war. Dieses Gesetz verpflichtete alle Betreiber öffentlicher Stromnetze, den Strom aus Solarenergie und Windenergie aufzunehmen und mit einem Betrag von mindestens 90 Prozent des Durchschnittserlöses (Anmerkung: etwa 16 bis 17 Pfennig/kWh) zu vergüten. Für Solarenergie war das nicht im geringsten ausreichend. Aber immerhin war die Anschlusspflicht und die Vergütungspflicht gesetzlich geklärt.
Wie wurde Problem 1 gelöst?
Nun musste Problem 1. gelöst werden. Es fand sich zunächst kein Stadtwerk, welches Verträge zu einer kostendeckenden Vergütung (KV) mit zukünftigen Solarstromeinspeisern abschließen wollte und dann einen Antrag auf Strompreiserhöhung hätte stellen wollen.
Die Idee, ein Stadtwerk, welches wie alle nur die gesetzlich vorgeschriebene Mindestvergütung nach StrEG zahlte, durch seine Eigner dennoch zur KV zu verpflichten, entstand im Solarenergie-Förderverein. Am 2.12.91 stellte Vereinsmitglied Jacek Lampka einen entsprechenden Bürgerantrag, der von 11 Aachener Umweltgruppen unterstützt wurde. Bürgerantrag von Jacek Lampka zur KV
Bei den Politikern der Stadt Aachen fand der Vorschlag große Zustimmung (zunächst auch bei den Vertretern der FDP).
Am 30.09.1992 kam es zu folgendem Ratsbeschluss: "Auf Empfehlung des Umweltausschusses spricht sich der Rat für eine kostendeckende Vergütung von Solar- und Windstrom aus, die zunächst auf eine Leistung von 1.000 kW für Solar- und Windstrom begrenzt sein soll. Er fordert die vom Rat in die Aufsichtsräte der STAWAG, der ASEAG und der E.V.A. entsandten Vertreter auf, eine Beschlussfassung in den jeweiligen Aufsichtsräten herbeizuführen, die eine solche Regelung in energierechtlich und steuerrechtlich zulässiger Weise mit Beginn des Jahres 1993 vorsieht"
Der Aufsichtsrat der STAWAG (in dem die gleichen Politiker vertreten waren, die im Stadtrat für die KV gestimmt hatten) lehnte die Befolgung des Stadtratbeschlusses jedoch ab. Zu seinen Argumenten:
- Die STAWAG würde keine Genehmigung für eine Strompreisanhebung bekommen, deshalb würde die beabsichtigte Maßnahme die Gewinne der STAWAG und damit auch die Gewinnabführung an die Stadt vermindern.
- Die Sondervertragskunden würden in ihrer Wettbewerbsfähigkeit gegenüber auswärtigen Sondervertragskunden leiden.
Der Strompreisreferent im NRW Wirtschaftsministerium, Dr. Dieter Schulte-Janson widersprach diesen Befürchtung des STAWAG-Aufsichtsrates. Bei einer gemeinsamen Besprechung mit Vertretern der Stadt Aachen, der Stadtwerke Aachen und dem SFV ließ er keinen Zweifel daran, dass er den Antrag eines Energieversorgers auf Strompreiserhöhung zugunsten kostendeckender Vergütung positiv bescheiden würde. Bedenken wies er mit dem Spruch aus Asterix und Obelix zurück: "Wenn der Himmel einstürzt, werden auch die Angsthasen erschlagen".</-i> In Erinnerung blieb auch seine temperamentvolle Äußerung <i>"Oder wartet ihr noch auf eine Genehmigung der UNESCO?" wobei natürlich jedem Anwesenden klar war, dass die UNESCO mit dieser Angelgenheit nun wirklich nichts zu tun hatte.
Mit seiner Auskunft setzte sich Dr. Schulte-Janson in Gegensatz zur Hierarchie im NRW-Wirtschaftsministerium, insbesondere in Gegensatz zu seinem Minister (Einert), der sich verächtlich äußerte: "Ich bin nicht bereit, den Bastelladen der Solarfreunde über den Strompreis zu finanzieren."
Ein bei Eversheim & Stuible beauftragtes Gutachten gab Dr. Schulte-Janson Recht.
Dieses Gutachten beseitigte schließlich endgültig die ministeriellen und die von den Aachener Stadtwerken STAWAG genährten Zweifel an der Zulässigkeit der KV.
Später, am 1.12.1993, bestätigte auch noch ein Gutachten von Prof. Imenga (Universität Göttingen, Mitglied der Monopolkommission) die Rechtsafuffassung von Dr. Schulte-Janson.
Auch die zulässige Höhe der Einspeisevegütung stand zunächst noch nicht fest. Der Solarenergie-Förderverein hatte einen Betrag von 2 DM/kWh geschätzt, doch wurde dieser Betrag von vielen Seiten bezweifelt. Dr. Schulte-Janson organisierte deshalb von Amts wegen eine Studiengruppe, die die Frage untersuchte, welche Vergütungshöhe angemessen sei. Der Solarenergie-Förderverein war in dieser Gruppe nicht vertreten. Das mit Spannung erwartete Ergebnis lag dann bei 2,01 DM/kWh.
Nun hätte das Programm endlich starten können. Doch die Stadtwerke STAWAG in Aachen stellten weiterhin keinen Antrag, obwohl ihr alleiniger Eigner, die Stadt Aachen, einen entsprechenden Ratsbeschluss gefasst hatte.KV_Ratsbeschluss Aachen 02.06.1992
Der Widerstand der Stadtwerke war so groß, dass es mehrere Ratsbeschlüsse brauchte.
KV_Ratsbeschluss Aachen 30.09.1992
KV Ratsbeschluss Aachen 02.06.1993
KV Ratsbeschluss Aachen 22.06.1994
Alle Parteien im Aachener Stadtrat unterstützten zunächst den Antrag. Insbesondere kam auch temperamentvolle Unterstützung von Seiten des Umweltdezernenten Dr. Getz (CDU). Nur die FDP änderte schließlich ihre Zustimmung. Monatelange Leserbriefschlachten wurden zwischen engagierten Aachener Bürgern und Angehörigen der STAWAG und des RWE sowie ihren Sympathisanten geführt. Der Chef der STAWAG verlor seinen Posten. In einer Aachener Zeitung hieß es dazu: "Köpfe müssen rollen".
Zum Schluss musste der Oberstadtdirektor die E.V.A. GmbH anweisen, die ihrerseits gegenüber den Energieversorgern weisungsbefugt war, bis der Antrag auf Strompreiserhöhung bei der Strompreisaufsicht gestellt und die KV in Aachen endlich wirklich eingeführt war.
Der erste Vertrag zur KV wurde in Aachen am 19.06.1995 zwischen STAWAG und einem Aachener Solarstromeinspeiser abgeschlossen.
In der Zwischenzeit hatten die Stadt Freising (auf Betreiben von Ernst Schrimpff, Sonnenkraft Freising) und die Stadt Hammelburg (auf Betreiben von Stadtrat Hans-Josef Fell) der Stadt Aachen den Rang abgelaufen und das Programm bereits vorher eingefürt.KV-Beschluss in Freising und Hammelburg
Die in der Folgezeit von über 40 Stadtwerken gestellten Anträge auf Strompreiserhöhung zur Finanzierung der kostendeckenden Vergütung wurden von den Strompreisaufsichten fast aller Bundesländer unter Verweis auf die Regelung in NRW, das sogenannte "Aachener Modell" genehmigt. Insbesondere die mühselige Berechnung der angemessenen Vergütungshöhe übernahmen die anderen Strompreisaufsichten auch in den Folgejahren von der NRW-Strompreisaufsicht, die diese Berechnungen Jahr für Jahr an die sinkenden Herstellungskosten der Solaranlagen anpasste. So ist es ganz wesentlich Dr. Schulte-Jansons Unbeirrbarkeit anzurechnen, dass die kostendeckende Vergütung endlich in 40 deutschen Städten unter Verweis auf die Regelung in NRW (das "Aachener Modell") eingeführt werden konnte.
Nachdem die Anfangsprobleme gelöst waren, ging es schnell voran. Die Kommunen als Eigentümer der Stadtwerke fassten einen Beschluss, der ihr Stadtwerk zur KV verpflichtete.
Nachdem die Entscheidung getroffen war, musste das EVU mit den Einspeisern entsprechende 20-Jahresverträge abschließen, um der eingangs erwähnten Änderung in der Bundestarifordnung Elektrizität gerecht zu werden.
Uns ist nur eine Ausnahme von diesem Vorgehen bekannt: Die Stadtwerke Lemgo führten die KV ohne Stadtratsbeschluss ein.
Wenn dann die ersten Kosten entstanden waren oder aufgrund einer realitätsnahen Prognose absehbar waren, konnte das EVU bei der Strompreisaufsicht einen Antrag auf Strompreiserhöhung stellen, der dann in der Regel genehmigt wurde.
Mit Liberalisierung des Strommarktes und Entfall der Strompreisaufsicht verlor die kommunale Variante der kostendeckenden Vergütung ihre Bedeutung. Es konnten keine weiteren Stadtwerke hinzugewonnen werden.
Die Zeitschrift DER SPIEGEL (damals noch voller Interesse für die Erneuerbaren Energien) berichtete unter der Überschrift "Feuer und Flamme" über diese Ereignisse.
Bundesgesetz für KV
Bis dahin hatten über 40 Kommunen in Deutschland die kostendeckende Einspeisevergütung beschlossen, darunter Städte wie Nürnberg und Bonn. Ein 40-faches Experiment zeigte, dass der Zuwachs an PV-Anlagen unter der kostendeckenden Vergütung ein nie dagewesenes Tempo erreichte. Gestützt auf diese positiven Ergebnisse forderte der Solarenergie-Förderverein ein Bundesgesetz, welches die Einführung der KV im Bundesrahmen möglich machen sollte. Der Solarenergie-Fördervereinstand stand auf dem Standpunkt, dass kostendeckende Vergütung für Solaranlagen durch ein Ergänzungsgesetz zum Stromeinspeisungsgesetz bundesweit verbindlich werden sollte. Diese Forderung wurde von vielen Umweltgruppen, von Hans-Josef Fell von den Grünen sowie von Hermann Scheer (SPD) aufgegriffen.
Stand ab 1.8.2004
Mit Einführung des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG) am 1. April 2000 und seiner weiteren Verbesserung zum 1.01.2004 durch das Solarstrom-Vorschaltgesetz sowie der Gesamtüberarbeitung des EEG zum 1. August 2004 sind die Forderungen des Solarenergie-Fördervereins nach der Einführung einer KV in ganz Deutschland erfüllt worden.
In der Begründung zum EEG 2004 heißt es unter:
VIII. Wesentliche Änderungen gegenüber der geltenden Rechtslage
(...)
Die im Gesetz enthaltenen Vergütungssätze sind mit Hilfe der genannten wissenschaftlichen Studien nach der Maßgabe ermittelt worden, dass damit bei fortgeschrittenem Stand der Technik und rationeller Betriebsführung sowie unter dem geografisch vorgegebenen natürlichen Energiedargebot erneuerbarer Quellen grundsätzlich ein wirtschaftlicher Betrieb der Anlagen möglich ist. Eine Garantie für eine auf jede Anlage bezogene Kostendeckung ist damit jedoch wie bisher nicht verbunden. (Anmerkung des SFV zum letzten Satz: Der Betreiber trägt das wirtschaftliche Risiko für Fehlkäufe, mangelnde Wartung und dgl. Dies war auch vom SFV so gefordert worden.)
Anhang und Quellen
Die folgenden 3 Fotos zeigen eine Kopie des damaligen Originals
Besser lesbar: SFV-Vorschlag zur KV vom 4.9.1989 (lesbare nachträgliche Abschrift)