GATS - Die Kommerzialisierung der Menschlichkeit

Ein neuer Anlauf zur Selbstentmächtigung der Politik

Von Jürgen Grahl

 

Im Solarbrief 3/98 hatten wir vom sog. MAI (Multilaterial Agreement on Investment) berichtet [1], einem Abkommen, das die multinationalen Konzerne endgültig vor Eingriffen der nationalen Legislativen in ihr Handeln „geschützt“ hätte und das B. Senf deshalb nicht zu Unrecht als „Ermächtigungsgesetz für die Weltherrschaft des Kapitals“ bezeichnet hat ([6], S. 279). Bedingt auch durch die entschlossenen Proteste vieler Nichtregierungsorganisationen gegen das MAI und das Scheitern des WTO-Gipfels in Seattle im November 1999 ist das MAI glücklicherweise (vorläufig?) von der politischen Agenda verschwunden. An seiner Statt wird die Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit der Politik nunmehr von einem weiteren, nicht minder gefährlichen Erzeugnis aus dem Gruselkabinett des Neoliberalismus in ihren Grundfesten bedroht: dem sog. GATS. Die Abkürzung steht für „General Agreement on Trade in Services“ (Allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen).

Im Gegensatz zum MAI handelt es sich beim GATS um ein bereits existierendes Abkommen: Es ist Bestandteil des Vertragswerks der 1995 gegründeten Welthandelsorganisation WTO. In den sog. GATS 2000-Verhandlungen geht es nun darum, welche Dienstleistungssektoren im Einzelnen „liberalisiert“ werden sollen. Die Marktöffnungsforderungen und -angebote der einzelnen WTO-Staaten sollen bis Ende März 2003 vorliegen. Im April 2003 beginnt der eigentliche Verhandlungsprozess, der bis Ende 2004 abgeschlossen sein soll.

Dem GATS liegen die folgenden, auf den ersten Blick eher unspektakulär und sogar halbwegs plausibel klingenden Grundprinzipien zugrunde:

  • Meistbegünstigung (Artikel II): Kein ausländischer Anbieter darf schlechter gestellt werden als ein anderer.
  • Transparenz (Artikel III): Die Regierungen müssen alle Gesetze, Normen und Standards offen legen, die den Handel mit Dienstleistungen behindern könnten.
  • Marktzugang (Artikel XVI): Die Staaten gewähren privaten Anbietern den Zugang zu bestimmten Dienstleistungssektoren und verzichten auf quantitative Handelshemmnisse.
  • Inländerbehandlung (Art. XVII): Ausländische Dienstleistungsanbieter dürfen nicht schlechter gestellt werden als inländische.
Tatsächlich jedoch können diese Prinzipien dazu missbraucht werden, die Regelungsmöglichkeiten der nationalen Demokratien weitgehend auszuhebeln. Einige wenige Beispiele sollen die sich schon heute abzeichnenden Auswüchse illustrieren:

- Nach dem Grundsatz der Inländerbehandlung würden Subventionen, die ausschließlich an öffentliche Bildungseinrichtungen gewährt werden, eine „Diskriminierung“ ausländischer privater Anbieter darstellen. Der Staat müsste also sämtliche „Subventionen“ im Bildungsbereich einstellen (und diesen somit völlig privatisieren), oder aber private Einrichtungen im gleichen Maße wie staatliche fördern, was zu einem Zwei-Klassen- Bildungssystem führen würde, wie es bereits heute etwa in den USA existiert.

- Wie WDR-Intendant Fritz Pleitgen auf einer internationalen Tagung zum GATS erläutert hat, könnte die Gebührenfinanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten ebenfalls als unzulässige Subvention angesehen werden. Staatliche Förderprogramme müssten im gleichen Maße auch ausländischen Anbietern zur Verfügung stehen, eine gezielte Förderung europäischer Produktionen wäre nicht mehr möglich - sie würde ja eine „Diskriminierung“ der Filmstudios Hollywoods darstellen. Zwar „ist die EU bislang keine spezifischen Verpflichtungen für audiovisuelle Dienste im Rahmen des GATS eingegangen. In den laufenden Verhandlungen üben die USA aber starken Druck auf eine vollständige Öffnung des europäischen Marktes aus.“[5]

- Beschränkungen, die dem Tourismus in ökologisch sensiblen Regionen (wie etwa den Alpen) auferlegt werden, benachteiligen zwangsläufig ausländische Anbieter gegenüber den bereits ansässigen - und sind somit nach GATS unzulässig. Gleiches gilt für die Vergabe exklusiver Nutzungsrechte an indigene Bevölkerungsgruppen: Auch eine solche Schutzmaßnahme gegen den Raubbau durch ausländische Konzerne (z. B. in den tropischen Regenwäldern) verstößt gegen den Grundsatz der Inländerbehandlung. Ganz allgemein bedeutet gezielte Regionalförderung jeder Art letztlich eine „Diskriminierung“ ausländischer Mitbewerber und wird damit durch das GATS weitgehend unmöglich gemacht.

Natürlich ließe sich diese Liste fast beliebig fortsetzen. Zwar sind staatliche Regulierungen grundsätzlich noch möglich, sie unterliegen jedoch einem „Notwendigkeitstest“, d. h. der Nationalstaat muss nachweisen, dass die betreffende Maßnahme die am wenigsten handelshemmende aller denkbaren ist (Artikel VI). Gelingt der Nachweis nicht, kann er vom Schiedsgericht der WTO gezwungen werden, das Gesetz aufzuheben. Auf diese Weise könnten praktisch alle nationalen Umweltauflagen ebenso wie Qualitätsrichtlinien und Mindeststandards aller Art als „Handelshemmnisse“ angegriffen und sicherlich großenteils zu Fall gebracht werden. Dazu ein Beispiel aus einem bereits existierenden Freihandelsabkommen: „Die Öffnung des Trinkwassermarktes im Rahmen der Nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA führt dazu, dass Wasser aus der kanadischen Provinz British Columbia von dem US-amerikanischen Privatunternehmen Sun Belt nach Kalifornien exportiert wird. Nachdem die Provinzregierung die Genehmigung hierfür aus Gründen des Gewässerschutzes wieder zurücknahm, strengte Sun Belt eine Klage nach dem Investorenschutz unter NAFTA an. Der Fall ist bislang nicht entschieden.“ [5] Besonders besorgt uns die Möglichkeit, dass das GATS evtl. dazu benutzt werden könnte, die Förderung der erneuerbaren Energien zu torpedieren, etwa indem die Abnahmeverpflichtungen und Mindestpreisregelungen des EEG als „Handelshemmnis“ und unnötig restriktive staatliche Regulierung angegriffen werden. Dass diese Befürchtung nicht völlig abwegig ist, zeigen die früheren Versuche, die Regelungen des damaligen Stromeinspeisungsgesetzes und auch des EEG als Behinderung des freien Warenverkehrs zu „interpretieren“ (siehe z. B. [2]). Auch wenn diese Versuche glücklicherweise vor dem Europäischen Gerichtshof im März 2001 vorerst gescheitert sind, so ist es ihnen doch „gelungen“, für geraume Zeit massive Verunsicherung zu stiften.

Auch öffentliche Dienste unterliegen dem GATS

Von den Befürwortern des GATS wird argumentiert, Konsequenzen wie die soeben geschilderten könnten schon deshalb nicht eintreten, weil öffentliche Dienstleistungen wie etwa Bildung, Wasserversorgung oder Gesundheit gar nicht unter das GATS fielen. Solche Beschwichtigungen sind wenig glaubhaft: Gemäß Artikel 1.3.b umfasst das GATS grundsätzlich alle Dienstleistungen, die nicht „in Ausübung hoheitlicher Gewalt“ erbracht werden. Öffentliche Dienste können nur dann ausgenommen werden, wenn sie WEDER „im Wettbewerb“ mit anderen Anbietern NOCH „auf kommerzieller Basis“ erbracht werden (Artikel 1.3.c), insbesondere müssen sie vollständig staatlich finanziert sein, was bereits heute in den seltensten Fällen zutrifft: Selbst die Arzneimittelzuzahlungen stellen ja eine „kommerzielle Basis“ dar. Insofern sind praktisch alle öffentlichen Bereiche potenzielle Objekte des GATS.

Fällt eine Dienstleistung aber erst einmal in den Anwendungsbereich des GATS, so unterliegt sie einer progressiven Liberalisierungspflicht (Artikel IXX): Der Staat ist rechtlich verpflichtet, in weiteren Verhandlungsrunden den Marktzugang zu erleichtern. Einmal durchgeführte Liberalisierungen können praktisch nicht mehr rückgängig gemacht werden, da dies Regressforderungen der betroffenen Anbieter für entgangene Gewinne nach sich ziehen würde.

Dass es beim GATS sehr wohl um die Kernbereiche staatlicher Daseinsvorsorge geht, zeigt der Ende Februar bekannt gewordene Forderungskatalog der EU an 109 WTO-Staaten, darunter 94 Entwicklungs- und Schwellenländer, der weitgehende Liberalisierungsforderungen u. a. in den Bereichen Wasserversorgung, Energieversorgung, Post und Telekom, Transport, Tourismus sowie Finanzdienstleistungen enthält, u. a. wird von 72 dieser Staaten die Liberalisierung der Trinkwasserversorgung verlangt. „Darüber hinaus haben die USA Interesse an der Liberalisierung des Bildungssektors angemeldet, und die privaten US-Krankenversicherer beschweren sich bereits über den „schwierigen Marktzugang im Ausland.“ [8] Die Summen, um die es dabei geht, sind auch zu verlockend: „Die Weltbank schätzt den weltweiten Markt für Wasserversorgung auf jährlich 800 Milliarden Dollar, den für Bildung auf 2000 Milliarden Dollar und jenen für Gesundheitsdienstleistungen auf 3500 Milliarden Dollar. Die EU-Kommission gibt unverblümt zu: „Das GATS ist [... ] zuallererst ein Instrument zugunsten des Geschäftemachens“ (first and foremost an instrument for the benefit of business).“ [8] Der ehemalige WTO-Direktor Renato Ruggiero erklärte: „Das Dienstleistungsabkommen GATS umfasst Bereiche, die noch nie zuvor als Handelspolitik angesehen wurden. Ich vermute, dass weder die Regierungen noch die Geschäftswelt die volle Reichweite und den Wert der eingegangenen Verpflichtungen erkannt haben.“ [8]

Bezeichnend dabei ist, dass sich - wie schon beim MAI-Prozess - die Verhandlungen zum GATS trotz (oder gerade wegen?) ihrer weitreichenden und buchstäblich einschneidenden Folgen weitgehend ohne Beteiligung von Parlamenten und Öffentlichkeit und damit ohne ausreichende demokratische Legitimation und Kontrolle abspielen und somit vorwiegend von den einflussreichen Lobbyistengruppen geprägt werden. In aller Stille wird so die Unterwerfung der nationalen Demokratien unter die Diktatur des „freien“ Marktes und die Aushebelung der staatlichen Souveränitätsrechte vorbereitet.

Die Gefahren der Privatisierungen

Durch das GATS droht somit die Privatisierung und Kommerzialisierung fast aller Gemeinschaftsaufgaben und öffentlichen Dienste, die Kommerzialisierung von Menschlichkeit und Solidarität. Auch so zentrale Bereiche wie Bildung, Gesundheit, Umweltschutz, Wasserversorgung etc. würden zu bloßen Spielfeldern des Wettbewerbs degradiert, Patienten würden zu „Konsumenten von Gesundheitswaren“, Schüler und Studenten zu „Konsumenten von Bildungswaren“ usw. Eine flächendeckende Versorgung mit den Basisdienstleistungen wäre nicht mehr sichergestellt: „Sie können beispielsweise in ländlichen Regionen oder für Bevölkerungsgruppen mit geringer Kaufkraft nicht profitabel angeboten werden. Private Firmen werden daher häufig diese Dienste nicht bereitstellen, und sich dort, wo sie durch öffentliche Auflagen dazu gezwungen werden, womöglich ganz zurückziehen, wie im Fall der Wasserversorgung in Zimbabwe. Dort hatte sich die britische Firma Biwater aus einem größeren Wasserverteilungsprojekt zurückgezogen, weil dort nicht der geforderte Preis gezahlt werden konnte.“ [5] Derartiges droht aber nicht nur in Zimbabwe, sondern auch in den entwickelten Ländern. Ein trauriges Anschauungsbeispiel ist der Niedergang des englischen Bahnsystems nach der Privatisierung: „Bahn in 100 Unterfirmen zersplittert. Seit der Privatisierung jagt ein Unfall den anderen. 80 Prozent aller Züge kommen zu spät an. Keine Investitionen mehr in Infrastruktur. Signalübertretungen an der Tagesordnung, die Hälfte aller Gleisarbeiter wurde eingespart. Zu wenige Garnituren, Waggons hoffnungslos veraltert, ständig überfüllt. Preise steigen in Stoßzeiten auf das Dreifache des Normalpreises.“ [10] In Kalifornien kam es nach der Liberalisierung des Strommarktes zu ausgedehnten Zusammenbrüchen der Stromversorgung. Und die Pharma- Industrie investiert schon heute lieber in medizinisch letztlich unnötige Lifestyle-Produkte als in die Entwicklung von Medikamenten zur Bekämpfung seltener (oder nur in armen und insofern irrelevanten Ländern auftretender) Krankheiten.

Privatisierung und Liberalisierung gehen an den Bedürfnissen der breiten Bevölkerung vorbei

Privatisierung und „Liberalisierung“ von Dienstleistungen führt dazu, dass diese sich nicht mehr an den Bedürfnissen der breiten Bevölkerung orientieren, sondern allein den Marktgesetzen unterliegen. Es ist aber völlig absurd anzunehmen, dass der vom Markt gefundene Ausgleich egoistischer Einzelinteressen automatisch die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt maximiert, wie es uns die Marktgläubigen unverdrossen verheilen, obwohl sie durch das allenthalben zu beobachtende Marktversagen permanent widerlegt werden. Durch die Privatisierung oder besser Ökonomisierung des Schul- und Hochschulwesens käme es zu einer systematischen Reduktion von Bildung auf die bloße Vermittlung von berufsrelevanten und für die Wirtschaft „interessanten“ Fertigkeiten. (Auch hierfür bietet der „Notwendigkeitstest“ des GATS eine direkte Handhabe: Private „Bildungsanbieter“ könnten gegen die verbindliche Festschreibung von Studieninhalten mit der Begründung vorgehen, diese seien für die spätere berufliche Praxis entbehrlich und stellten daher eine unnötige „Handelseinschränkung“ dar.) Das faktische Ende der Freiheit von Forschung und Lehre und deren Unterordnung unter die Interessen der Geldgeber wäre besiegelt. (So ist es etwa an der University of Oregon verboten, über Arbeitsbedingungen der Firma Nike zu forschen, da Nike ein Hauptsponsor der Universität ist. [9]) Die sog. Orchideenfächer und überhaupt alles, was keine oder nur geringe praktische Nutzanwendung verspricht, was aber die kulturellen Errungenschaften unserer Zivilisation ausmacht, uns auf eine höhere Dimension als die der Gewinnmaximierung verweist oder aber einfach nur „schön“ ist, bliebe auf der Strecke: Ägyptologie, Byzantologie, reine Mathematik, Literaturwissenschaft, Theologie, Philosophie, Ökologie, Wirtschaftsethik ... Und auf der Strecke bliebe die vornehmste Aufgabe von Bildung: die Erziehung zum kritischen Denken, zur intellektuellen Autonomie als „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ (Immanuel Kant). Es sind dies genau die Qualitäten, die so dringend nötig sind, um die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen.

Das totale Versagen des Marktes in kultureller Hinsicht wird evident, wenn man sich den intellektuellen Unterbietungswettbewerb vergegenwärtigt, den die Einführung des Privatfernsehens auch bei uns ausgelöst hat. Erich Fromm schrieb dazu bereits in den 50er Jahren aus seinen Erfahrungen in den USA: „Wir bieten jedermann täglich Rundfunk, Fernsehen, Filme und Zeitungen. Statt dass diese Medien uns aber täglich neben der Reklame das Beste aus der früheren und gegenwärtigen Literatur und Musik bieten, stopfen sie die Köpfe mit billigstem Schund, dem jeder Bezug zur Realität abgeht, voll, und mit sadistischen Phantasien, die so sind, dass sich jeder nur halbwegs gebildete Mensch schämen würde, wenn er ihnen auch nur vorübergehend nachhinge. Und während so das Denken von jedermann, ob jung oder alt, vergiftet wird, achten wir unverdrossen weiter darauf, dass nichts „Unmoralisches“ auf den Bildschirm kommt. Jeder Vorschlag, die Regierung solle die Herstellung von Filmen und Radioprogrammen finanzieren, würde nur immer wieder auf Entrüstung und Vorwürfe im Namen von Freiheit und Idealismus stoßen.“ ([3], S. 12)

Zu den Verlierern des GATS würden insbesondere auch die Entwicklungsländer zählen: Gerade durch die zwingende Gleichbehandlung von armen und reichen Ländern („Meistbegünstigung“) wird die gezielte Förderung des Aufbaus einer einheimischen Infrastruktur unmöglich gemacht. Es zeigt sich hier, dass der auf den ersten Blick so einleuchtende Gleichheitsgrundsatz des GATS ein sehr naiver ist: Er widerspricht der gängigen juristischen Interpretation von Gleichheit, wonach nämlich Gleiches gleich, Ungleiches jedoch ungleich zu behandeln ist. Das GATS hingegen möchte alle Anbieter unterschiedslos gleich behandeln, den kleinen kambodschanischen Bauern nicht anders als den multinationalen Agrar-Konzern; es ist ja nicht einmal klar, ob Anbieter wenigstens danach unterschieden werden dürfen, ob sie umweltfreundliche oder -schädliche Methoden anwenden, oder ob dies bereits einen Verstoß gegen die Gleichbehandlung darstellt. Es offenbart sich hier eine bedenkliche Reduktion von Gerechtigkeitsvorstellungen auf eine Art „Fairness-Ethik“, wie sie Erich Fromm in seiner Analyse der Marketing-Orientierung beschrieben hat: „Ein Gewissen existiert nur, wo der Mensch sich als Mensch und nicht als Ding, als Ware erlebt. In Bezug auf die Dinge, die auf dem Markt getauscht werden, existiert ein anderes, quasi-ethisches Gesetz, das Gesetz der Fairness. Hierbei geht es darum, dass man Dinge zu einem fairen Preis tauscht und dass der Handel ohne üble Tricks und ohne Gewaltanwendung abgeschlossen wird. Diese Fairness, die weder gut noch böse ist, ist das sittliche Prinzip des Marktes, und sie ist das sittliche Prinzip, welches das Leben der Marketing-Persönlichkeit beherrscht. Das Prinzip der Fairness führt zweifellos zu einem bestimmten Typ sittlichen Verhaltens. Man lügt nicht, man betrügt nicht und wendet keine Gewalt an - man gibt sogar dem anderen eine Chance -, wenn man sich an das Gesetz der Fairness hält. Aber seinen Nächsten zu lieben, sich mit ihm eins zu fühlen, sein Leben dem Ziel hinzugeben, seine geistigen Kräfte zu entwickeln, das gehört nicht zur Fairness-Ethik. Wir leben in einer paradoxen Situation: Wir praktizieren die Fairness-Ethik und bekennen uns zur christlichen Ethik.“ ([3], S. 151)

Hinzuzufügen bleibt, dass das Gerechtigkeitsverständnis des GATS aber noch nicht einmal diesen Minimalforderungen der „Fairness“ genügt: Den privaten Anbietern werden einseitig Rechte eingeräumt, denen angesichts des Fehlens eines internationalen Haftungs- wie auch Wettbewerbsrechts keine adäquaten Pflichten gegenüberstehen. Es gilt, was C. Nürnberger bereits im Hinblick auf das MAI konstatiert hat: „Der Investor darf zwar den Staat verklagen, aber nicht der Staat den Investor.“ ([4], S. 172)

Angesichts der schier ungeheuerlichen Bedrohungen für die Handlungsfähigkeit demokratisch legitimierter Politik, die vom GATS ausgehen, kann es daher nur eines geben: den sofortigen Verhandlungsstopp!