Datum: 28.08.04

Wirtschaft und Ressourcen

Hans-Josef Fell MdB - Forschungspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen - zeigt Möglichkeiten zur Überwindung der Energiekrise auf

Vorbemerkungen:

Der Ausstieg aus der Erdölwirtschaft muss extrem beschleunigt werden, wenn die nationale und die Weltwirtschaft von Schaden bewahrt werden soll.

Der Ölpreis steigt und steigt. Er ist erneut weltweites Konjunkturrisiko Nr. 1.
Mehr noch: Der hohe und immer weiter steigenden Ölpreis bedroht das Fundament der existierenden Weltwirtschaft.
Jeglicher Verkehr, Personen wie Waren, zu Lande, auf dem Wasser und in der Luft beruht heute fast ausschließlich auf Erdöl. Erdöl ist die Basis für hunderttausende von Kunststoffprodukten des täglichen Lebens. Dünger aus Erdöl sichert unsere Nahrung. Erdöl ist die wichtigste Basis für Kleidung und Textilien. Erdöl schafft uns warme Wohnungen und Energie für die Industrieproduktion.

Es ist undenkbar aber wahr: Erdöl ist eine beschränkte Ressource. Doch lange bevor der letzte Tropfen Erdöl verbraucht sein wird, gibt es Verfügbarkeitsprobleme, die sich zunächst in extremen Preissteigerungen zeigen, da das Angebot dann mit der Nachfrage nicht Schritt halten kann Für viele Analysten ist klar: die Welt überschreitet zur Zeit oder in den kommenden Jahren das Maximum der Erdölförderung. Gleichzeitig nimmt die weltweite Nachfrage nach Erdöl rasant zu. Vor allem durch das Wirtschaftswachstum in China, Indien, Thailand, Indonesien und anderen Teilen der Welt. Aber seit wenigen Jahren bereits ist die Erdölförderung außerhalb der OPEC, mit Ausnahme Russlands, deutlich rückläufig. Auch innerhalb der OPEC gibt es große Teile mit rückläufiger Tendenz. So ist Indonesien im letzten Jahre vom Erdölexporteur zum Importeur geworden. Dies verdichten sich die Anzeichen, dass die OPEC zusammen mit Russland die Erdölförderung nicht in dem Maße steigern kann, wie es auf Grund des Rückgangs der Erdölförderung in den übrigen Teilen der Welt und angesichts des weltweiten Verbrauchswachstum erforderlich wäre. Die Welt steht vor einer bisher unbekannten Situation: Die Erdölnachfrage kann nicht mehr gestillt werden. Schnell weiter steigende Erdölpreise und schlimmer noch Versorgungsengpässe drohen.

Der einzig denkbare Ausweg ist es, einen schnellen Ersatz für das Erdöl zu finden. Die sich auftuende Versorgungslücke muss mit anderen Maßnahmen gefüllt werden. Vor allem zwei Maßnahmen sind erforderlich:

  • Energie- und Stoffeinsparung müssen schnelle Entlastung bringen. Aber Effizienzmaßnahmen alleine, so notwendig sie sind, können den Problemdruck nur entschärfen und hinauszögern, aber nicht lösen.
  • Die Erdölenergiewirtschaft und die Petrochemie müssen ersetzt werden durch eine solare Energie- und Stoffwirtschaft. Alle erneuerbare Energien müssen und können in ihrem Beitrag massiv gesteigert werden. Nachwachsende Rohstoffe sind der ideale Ersatz für die Petrochemie.
Ein Ausstieg aus der Erdölwirtschaft ist keine utopische Forderung mehr, sondern in vielen Teilen der Welt werden ähnliche, z.T. ambitionierte Konzepte und Zielvorstellungen formuliert. Das wohl bemerkenswerte steht im Wirtschaftswahlprogramm von John Kerry, dem Herausforderer von US-Präsident Bush: John Kerry will in zehn Jahren die Abhängigkeit der Amerikaner vom Erdöl aus der Golfregion beenden. Sein Hauptargument ist die Sicherheit der USA.

Die USA beziehen zur Zeit etwa 2,5 Mio Barrel pro Tag aus der Golfregion (vor allem aus Saudi Arabien aber auch Irak und Kuweit). Deutschland hat einen Erdölverbrauch von 2,8 Mio Barrel Erdöl pro Tag, also in etwa die gleiche Größenordnung. John Kerry will dies vor allem durch den Ausbau von Erneuerbare Energien erreichen.
Auch die US Chemiewirtschaft hat sich bereits zum eigenen Ziel gesetzt, bis 2020 etwa 20 Prozent aller erdölbasierten Chemieprodukte durch Nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen

Das politische Ziel für Senator Kerry entspräche also einem Ausstieg Deutschlands aus der Erdölnutzung bis 2015. Dies für Deutschland anzustreben erscheint daher nicht mehr weltfremd oder unrealistisch aber selbstverständlich äußerst ambitioniert.

1. Verknappung von Erdöl

Die Welt überschreitet wahrscheinlich zur Zeit das Erdölfördermaximum. Das Erreichen des weltweiten Erdöl-Fördermaximums ist der relevante Indikator für kommende Strukturbrüche, nicht die Reichweite der Ölreserven. Entscheidend für strukturelle Änderungen, insbesondere im Investitionsverhalten der Industrie und von Privatpersonen, ist einzig der Zeitpunkt, ab dem die Ölförderung aus geologischen, technischen und ökonomischen Gründen nicht mehr erhöht werden kann, sondern tendenziell nur noch abnimmt.
Der statischen Reichweite liegt das falsche, intuitive Bild zu Grunde, man könne Öl in beliebiger Menge fördern, bis plötzlich über Nacht der letzte Tropfen gefördert sei.
Die gegenwärtige Situation relativ hoher Ölpreise kann verstanden werden als zufällige Häufung von Sonderfaktoren. Wahrscheinlicher ist es jedoch die Ankündigung des Strukturbruchs.
Am Übergang von tendenziell zunehmender zu tendenziell abnehmender Erdölförderung wird die Endlichkeit der Ressource auf den Märkten relevant. Marktpreise spiegeln nur kurzfristige Knappheiten wider. Sobald Angebot und Nachfrage jedoch beginnen, strukturbedingt auseinander zu klaffen, beginnt der Markt, die prinzipielle Endlichkeit der Ressource zu spüren. Das weltweite Fördermaximum wird erreicht, wenn etwa die Hälfte der förderbaren Ölmenge gefördert ist ("depletion midpoint"). Der Entwicklung der Förderung aus einem Ölfeld sind enge geologische Grenzen gesetzt durch die Entwicklung des Drucks, die Viskosität des Öls etc. Typischerweise folgt das Förderprofil einer Glockenkurve mit langsamem Förderbeginn, steilem Anstieg, flachem Maximum, steilem Abfall und langsamem Auslaufen der Förderung.
Das "Erdölsystem" hat damit eine lange Vorwarnzeit. Die weltweit insgesamt förderbare Ölmenge ("estimated ultimate recovery") kann relativ genau abgeschätzt werden (± 10%). Die geologischen Bedingungen für die Entstehung von Erdöl sind gut verstanden. Es kann daher sehr gezielt nach aussichtsreichen Lagerstätten gesucht werden. Mit sehr wenigen Ausnahmen sind alle vielversprechenden Regionen der Welt intensiv nach Öl exploriert worden. Seit Mitte der 1960er Jahre gehen die Neufunde von Erdöl weltweit im Durchschnitt um 3,5% pro Jahr zurück.
Die öffentlich berichteten Reservensteigerungen beruhen zum größten Teil auf Höherbewertungen bereits produzierender Felder. Diese finden aus ökonomischen Gründen in der Regel an Feldern statt, die das Fördermaximum bereits überschritten haben. Zur Ausweitung der Förderung können aber nur echte Neufunde beitragen. Beispiel USA: Während das Maximum der Ölförderung 1971 überschritten wurde, werden immer noch fast alljährlich die Reservenabschätzungen nach oben korrigiert, tatsächlich nimmt aber die US Förderung seit 1971 kontinuierlich ab, trotz steigender US-Nachfrage.. Geologische Explorationsdaten und Fördermengen erlauben dagegen detaillierte Analysen vieler Förderregionen der Welt inklusive zukünftiger Förderprofile. Mit wenigen Ausnahmen haben weltweit alle Förderregionen außerhalb der OPEC das Maximum ihrer Förderung überschritten.
In der Nordsee geht die Förderung seit 1999 (Großbritannien) bzw. seit 2001 (Norwegen) zurück. Der Förderrückgang von 4-6% pro Jahr kann durch neue Felder geringfügig abgeschwächt werden. Die USA haben 1971 ihr Maximum überschritten.
Es gibt kaum zuverlässige Informationen darüber, ob und in wie weit die OPEC ihre Ölförderung noch ausweiten kann.
Öffentlich zugängliche Reservestatistiken unterliegen keiner neutralen Prüfung. Die Hälfte der OPEC-Reserven (ein Drittel der Weltölreserven) sind nicht nachgewiesen. Es gibt Hinweise, dass Saudi Arabien zur Stabilisierung der Förderung mehr entsalztes Meerwasser in die Ölfelder pumpen muss als daraus Öl gefördert wird.
Seit der Verstaatlichung der Ölindustrie in wesentlichen OPEC-Staaten werden keine zuverlässigen Informationen mehr verfügbar gemacht. Aus alten Explorationsdaten und langjährigen Fördermengen lassen sich grobe Abschätzungen machen.
Das weltweite Fördermaximum wird voraussichtlich innerhalb dieses Jahrzehnts überschritten bzw. wurde eventuell schon überschritten. Der absehbare Rückgang der Ölförderung außerhalb der OPEC ist so stark, dass die weltweite Förderung in den nächsten Jahren nur aufrecht erhalten werden kann, wenn die OPEC ihre Förderung merklich ausweiten kann. Die weltweit insgesamt förderbare Ölmenge wird kaum vom Fortschritt in den Explorations- und Fördertechniken ("enhanced oil recovery") beeinflusst. Lediglich das Förderprofil kann geringfügig beeinflusst werden. Die Verlängerung des Förderplateaus am Maximums führt später zu einem um so steileren Förderabfall.
Die Ausbeutung von Schwerölen und Teersanden ("non-conventional oil") kann den Rückgang der konventionellen Ölförderung geringfügig abschwächen, aber nicht aufhalten oder umkehren.
Der Aufbau von Produktionskapazitäten dauert deutlich länger als bei konventionellen Ölquellen und kann das Niveau heutiger Ölförderung nicht erreichen. Unkonventionelles Öl wird im Tagebau erschlossen, benötigt einen hohen Energie- und Wassereinsatz und verursacht schwere Umweltschäden.

Anmerkungen zum Erdgas

Erdgas ist in drei Regionalmärkte ohne Austauschbeziehungen geteilt: Nordamerika, Europa/Russland, Südostasien. In Nordamerika scheint das Erdgas-Fördermaximum überschritten worden zu sein. Die USA arbeiten intensiv daran, Erdgas aus anderen Regionen (Südamerika, Europa, Asien) für den Verbrauch in Amerika zu sichern.
In Europa ist die Erdgasförderung rückläufig, allein Norwegen kann die Förderung noch ausweiten. Die Niederlande verkaufen teilweise russisches Erdgas, um die Exportverpflichtungen zu erfüllen und werden ab 2010 kein Erdgas mehr exportieren können. Großbritannien ist seit kurzem Nettoimporteur von Erdgas.
Die Förderung von Erdgas folgt einem anderen Förderprofil als Öl. Einem langen Plateau folgt ein sehr schneller Abfall der Förderung. Die Vorwarnzeit ist gering.

Fazit: Die Welt steuert auf ein kaum beherrschbares ökonomisches Problem der Energieversorgungssicherheit zu. Das Fundament der Weltwirtschaft, die fossile Energieversorgung, gerät möglicherweise in den kommenden Jahren aus physikalisch geologischen Gründen ins Wanken.

2. Erneuerbare Energien können schneller und kostengünstiger in den Markt eingeführt werden, als die Wissenschaft vorausgesagt hat und die Öffentlichkeit glaubt.

Durch die rot-grüne Politik konnten in den letzten Jahren Wachstumsraten der Erneuerbare Energien erreicht werden, die in dieser Höhe von der Wissenschaft nicht vorausgesagt wurden. Unter der Bedingung, dass die politischen Rahmenbedingungen stimmen, können die vor allem mittelständischen Unternehmen schnelle Auf- und Ausbau leisten. Gleichzeitig wird eine starke Kostenreduktion möglich.
So wurde beispielsweise in der Fotovoltaik noch 1998 eine Leistung von 12 MW deutschlandweit installiert. 2003 waren es mit ca. 140 MW bereits mehr als 10 mal soviel. Im gleichen Zeitraum konnten die Kosten um etwa 25 % gesenkt werden. Noch 1999 hat diese Wachstumsraten und Kostensenkungen niemand für möglich gehalten.

Daraus ist klar erkenntlich: Mit weiteren Verbesserungen der politischen Rahmenbedingungen wird der Ausbau Erneuerbare Energien und Energieeinsparung weiter beschleunigt werden können. Die hohen Ziele der Bundesregierung können dann weit übererfüllt werden.

Zur Stabilisierung der Windenergieindustrie ist ein mittlerer Ausbau von 2 GW pro Jahr bis ins Jahr 2010 anzustreben. Dies wird durch Beschleunigung des Ausbaus der Offshore-Windkraft, durch ein Repowering alter Anlagen und des Ausbaus der Windnutzung in bisher ungenutzten Gebieten (z.B. Bayern) erreicht werden. Dann hätte man im Jahr 2010 insg. 27 GW installiert Bei der Markteinführung der Photovolatik ist die in den letzten Jahren durchschnittliche Wachstumsrate von 50% pro Jahr beizubehalten um im Jahr 2010 etwa 7 GW ans Netz gebracht zu haben.
Der Ausbau der Nutzung der Biomasse ist bis heute nicht ausreichend. Hier muss von den gegenwärtig ca. 20% Wachstum pro Jahr auf mindestens das doppelte gesteigert werden. Dann kann man im Jahr 2010 einen Kraftwerkspark von ca. 14 GW realisiert haben. Diese Biomasse Nutzung hat vornehmlich durch BHKW stattzufinden. Die Grundlage fürden stärkeren Ausbau ist bereits mit der Novelle des EEG gelegt.

Gleichzeitig ist heute schon abzusehen, dass die am 1.1.04 in Kraft getretene Steuerbefreiung von Biokraftstoffen ihre Wirkung voll entfalten wird und einen schnellen Ausbau der Biokraftstoffe erwirken wird. Erste große Investitionen der Wirtschaft, z.B. bei der Bioethanolerzeugung werden bereits getätigt.
In Kombination mit dem Ausbau der Biomasse Nutzung in BHKWs sollten kleine Nahwärmenetze entstehen, die es ermöglichen, dass auch die Solarthermie eine zunehmend stärkere Rolle bei der Wärmebereitstellung spielt. Im Neubau ist verpflichtend die Installation von solarthermischen oder alternativ von fotovoltaischen Anlagen vorzuschreiben (siehe Barcelona). Die Grundlage dazu wird gerade in der aktuellen Novelle der Bundesbauordnung gelegt.
Die Geothermie wird in den nächsten Jahren einen großen Beitrag liefern. So werden in den nächsten Jahren mind. 1 Gigawatt elektrische Leistung erwartet. Die gleichzeitige Abwärmenutzung wird einen hohen Ersatz von Erdölheizenergie schaffen.

3. Rot-Grün hat bereits wesentliche Weichenstellungen vorgenommen

Seit dem Regierungswechsel 1998 hat Rot-Grün bereits eine Fülle von Maßnahmen vor allem im Energiebereich erfolgreich auf den Weg gebracht, um die Abhängigkeit vom Erdöl zu verringern.
Erfolgreiche Energieeinsparungsmaßnahmen sind vor allem die Ökosteuer, das ökologische Altbausanierungsprogramm, die Energiesparverordnung u.a. Das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG), die Steuerbefreiung für Biokraftstoffe, das Marktanreizprogramm für Erneuerbare Energien, dass 100 000 Dächer Solar Programm und eine Fülle anderer Markteinführungsmaßnahmen hat Deutschland an die Weltspitze der industriellen Entwicklung für erneuerbare Energien gebracht.
Die Forschungsverstärkungen im Bundeshaushalt, im Rahmen des Zukunftsinvestitionsprogrammes (ZIP), führten bereits zu neuen technologischen Entwicklungen in der Brennstoffzelle, bei solarthermischen Kraftwerken oder der Geothermie.
Sonne, Wind, Wasser, Erdwärme, Bioenergien und Meeresenergien finden zunehmend ihren technologischen Ursprung und industrielle Entwicklung in Deutschland.
Die in der letzten Woche stattgefundene erste Weltkonferenz für Erneuerbare Energien, die auf Initiative der deutschen Regierung zurückgeht, hat der Welt die Augen geöffnet, für die Notwendigkeit und die Chancen der Erneuerbare Energien.

4. Bremser sind Union und FDP

Die bisherigen Erfolge dieser Entwicklung, zum Beispiel auch die 100 000 neue Arbeitsplätze, wurden gegen den erbitterten Widerstand von Union und FDP mit rotgrüner Politik durchgesetzt.
Sowohl die Verabschiedung des EEG im Jahre 2000, als auch die großen Novelle im Frühjahr 2004 haben Union und FDP im Bundestag abgelehnt. Auch im Bundesrat gibt es bis heute massive Querschüsse, mit dem Ziel zumindest Teile der Gesetze unwirksam werden zulassen.
Die Ablehnung der erfolgreichen Ökosteuer durch Union und FDP ist allseits bekannt. Trotz heute hoher Ölpreise lehnen sie weiterhin die entscheidende Lenkungswirkung der Ökosteuer weg vom Erdöl ab. Lediglich bei der Steuerbefreiung von Biokraftstoffen hat die Union mitgestimmt.

Mit zunehmenden Aktivitäten für den Ausbau der Kernenergie in Bund und Ländern blockieren Union und FDP eine wirkliche Offensive für Erneuerbare Energien. So ist es z.B. auch wichtig, die von der grünen Politik immer geforderte Abschaffung von Privilegien für das fossile und atomare Energiesystem endlich durchzusetzen.
Pendlerpauschale, Eigenheimzulage, Kohlesubventionen, Agrardiesel, Steuerbefreiung für Flugbenzin oder Schiffsdiesel, Steuererleichterungen für die Rückstellungen der Atomenergie; alles Subventionen, die das fossile und atomare Energiesystem weiterhin stützen und Geld binden, welches zum Umbau des Energiesystems dringend benötigt würde.

Auch in der Energieforschung werden ein großer Teil der Mittel gebunden z.B. für Kernfusion, die in den nächsten 50 Jahren keinen Beitrag bieten kann zur Lösung der globalen Energieprobleme. Statt dessen fehlen die Mittel für die im Koalitionsvertrag vorgeschlagene dringend notwendige Forschungsoffensive für Erneuerbare Energien und Energieeinsparung.

Union und FDP, sowie Teile der SPD sind aufgefordert, endlich ihre Dauerblockade gegen Erneuerbare Energien und Energieeinsparung zu beenden.

5. Grüne Rezepte zum beschleunigten Umstieg auf eine solare Energie- und Stoffwirtschaft.

Die technologische Herausforderung führt vor allem auf drei Felder: Substitution des Erdöls im Verkehr, in der Raumheizung und der Chemieindustrie. In allen drei Feldern sind jeweils zwei entscheidende Strategien wichtig:
 a) Die Senkung der spezifischen Energie- und Rohstoffverbräuche
 b) Die Substitution des Erdöls durch andere Energieformen und Rohstoffe
Beides muss gleichzeitig angegangen und beschleunigt werden.
  1. Verkehrsektor:

    1a) Eine Halbierung des verkehrsbedingten Energieverbrauchs ist möglich durch die flächendeckende Einführung des drei Liter Autos, sparsamere LKWs, Busse, Bahnen, Schiffe und andere Verkehrsträger wie u.a. Elektrorollern. Eine deutliche Stärkung des öffentlichen Verkehrs senkt ebenso den spezifischen Energieverbrauch.

    1b) Die gleichzeitig einzuführende Substitution der dann noch notwendigen Restenergie erfolgt durch zwei Strategien:

    Biokraftstoffe. Sie sind in großer technologische Vielfalt vorhanden und müssen in hoher Geschwindigkeit auf dem Treibstoffmarkt eingeführt werden: Pflanzenöle als Biodiesel oder besser in naturbelassenem Zustand; Bioethanol; Biogas in Gasautos oder Gasbussen; synthetische Treibstoffe (Sunfuel) aus fester Biomasse als Ersatz für Benzin, Diesel, Kerosin. Entscheidend für eine Erdölausstiegstrategie ist nicht die Beimischung von Biokraftstoffen in erdölbasierte Treibstoffe, sondern die Nutzung von Biokraftstoffen als Reinkraftstoffen in den Fahrzeugen. Durch die Steigerung der Anzahl von Fahrzeugen, die Reinkraftstoffe verwerten können, wird allmählich die völlige Substituierung des Erdöls erreicht. Die Bereitstellung der notwendigen land- und forstwirtschaftlichen Flächen für die Erzeugung von Biokraftstoffen kann ohne Lebensmittelkonkurrenz gewährleistet werden, wenn der Treibstoffbedarf durch spezifische Verbrauchsenkungen und Substitution durch Strom aus Erneuerbaren Energien gesenkt wird. Zudem können die großen Perspektiven der landwirtschaftlichen Flächen in Osteuropa genutzt werden.

    Nullemissionsfahrzeuge als batteriebetriebene Elektromobile, oder Wasserstoffautos mit Brennstoffzelle.
    Solarboote, solar betriebene Kleinflugzeuge, Elektroroller, Elektroleichtmobile, Hybridautos: alles Entwicklungen die schon vorhanden sind und nur der massenhaften technologische Umsetzung harren. Japan hat vor allem bei Hybridfahrzeugen einen großen technologischen Vorsprung, den es aufzuholen gilt.
    Neuartige Batterietechnologien werden die Nutzungsmöglichkeiten für batteriebetriebene Fahrzeuge deutlich erweitern: Superkondensatoren und vor allem die Lithium-Metallbatterie von Fortubat u.a.
    Die stärkere Nutzung von elektrischem Strom als Antriebsenergie, vor allem im öffentlichen Verkehr, kann ökologisch durch Offshorewind, Wasserkraft, Solarstrom, Strom aus Geothermie u.a. Erneuerbare Energiequellen erzeugt werden.
    Auch die Nutzung der Brennstoffzelle im Fahrzeug - mit Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien - ist eine wichtige Zukunftstechnologie, auch wenn die technologischen Hürden größer sind, als ursprünglich gedacht. Mit ihr lassen sich aber in der Zukunft Biokraftstoffe und Batterietechnologien ideal verknüpfen.

  2. Wärmesektor

    2a) die Reduktion des Wärmeverbrauchs.

    Der Neubau von Häusern, die keine Energien mehr verbrauchen oder gar mehr Energie erzeugen als sie verbrauchen, ist technologischer Standard. Er kann daher vorgeschrieben werden zumindest sollten sich nur diese Standards in der öffentlichen Förderung wiederfinden.
    Es besteht ein hoher Sanierungsbedarf im Altbaubereich. Die begonnene Unterstützung der Bundesregierung für eine ökologische Altbausanierung, vor allem der Wärmedämmung sollte deutlich verstärkt werden. Aufgrund der begrenzten Haushaltsmittel müssen hier weitere Anreize zur Sanierung entwickelt und eingesetzt werden.
    Auf neue Erdöl- und Erdgasheizungen sollten - vergleich den Zigarettenschachteln - Warnmeldungen aufgedruckt werden, dass mit drastischen Preiserhöhungen während der Betriebsdauer zu rechnen ist, dass der Kauf deshalb ein großes ökonomisches Risiko darstellt und dass fossile Heizungen klimaschädlich sind.

    2b) Die Substituierung der Wärmeenergie durch Erneuerbare Energien.

    Eine Vielfalt von Möglichkeiten ist denkbar:
    Die Nutzung von Abwärme aus der Stromerzeugung mit Erneuerbaren Energien, z.B. Bioenergie oder Geothermie oder die direkte beziehungsweise gespeicherte Solarstrahlung kann in Nah- und Fernwärmenetzen eine sehr schnelle und oft schon wirtschaftliche Substituierung des Erdöls bewirken. Auch in Mehrfamilienhäusern, beziehungsweise den Einfamilienhäusern ist die dezentrale Kraftwärmekopplung mit Erneuerbaren Energien eine schnell zu realisierende Option.

    Die reine Wärmebereitstellung mit Erneuerbaren Energien ist bereits Standard in vielen Häusern und Nahwärmenetzen. Bioenergien mit Holzpellets, Holzhackschnitzel, Scheitholzanlagen, Strohheizungen, Biogasanlagen und anderes werden bereits vielfach genutzt. Erdwärme wird bereits aus dem tiefen Erdinneren oder mit Wärmepumpen aus der Oberfläche genutzt. Entscheidend wird sein, dass die Häuser verstärkt auf die Nutzung der passiven Solarenergie ausgerichtet werden. Glasfassaden, Wintergärten, transparente Wärmedämmung, können die passive Nutzung der Sonnenenergie deutlich erhöhen und gleichzeitig die Wärmeverluste minimieren. Solare Kühlung kennt traditionelle und neuartige Technologien, die verstärkt zu fördern gilt.
    Die aktive Nutzung der Solarenergie mit Warmwasserkollektoren, Warmluftkollektoren, muss deutlich ausgeweitet werden. Der entscheidende Schritt wird die Nutzung der solaren Überschussenergie des Sommers in den Wintermonaten sein. Die technologische Lösung dafür sind solare Langzeitspeicher. Wasserspeicher, Erdsondenspeicher, chemische Speicher, eine Vielzahl von technologischen Lösungen ist vorhanden; ihre industrielle Umsetzung ist zwingend erforderlich und muss als zentrale Option für den Erdölersatz massiv unterstützt werden.

  3. Chemieindustrie

    3a) Da die Energierohstoffe in der chemischen Produktion nicht besteuert werden, schlagen Ölpreiserhöhungen besonders stark auf die Energierohstoffbezugskosten in der Chemieindustrie durch.

    Dabei ist eine Vielzahl der erdölbasierten Chemieprodukte vermeidbar. Eine Abkehr von der heutigen Wegwerfgesellschaft wird eine deutliche Reduktion der Erdölnachfrage bewirken. Langlebige Konsumgüter, Wiederverwendung, Wiederverwertung, Recycling sind wichtige Stichworte für eine erdölrohstoffreduzierte Konsumgüterwirtschaft. Mineraldünger aus Erdöl kann in hohem Maße ersetzt werden durch einen geschlossenen Kreislauf der Stoffe in der Landwirtschaft. Biologische und naturnahe Landwirtschaft ersetzt Pestizide aus Erdöl und schafft gleichzeitig gesunde Lebensmittel.

    3b) Der Ersatz für Erdöl als Rohstoff für viele chemische Produkte ist machbar und zwingend erforderlich.

    Pflanzenölchemie kann Erdölchemie ersetzen; Stärke und Proteine aus nachwachsenden Rohstoffe können Kunststoffe ersetzen. Biotechnologische Verfahren, z. B. die weiße Biotechnologie, können viele Erdölprodukte auch mit heutigem technologischen Anspruchsniveau ersetzen: Farben, Lacke, Textilien, Faserwerkstoffe, und vieles mehr
    . Die chemische Industrie der USA hat sich bereits ohne die Zielsetzungen von John Kerry ein eigenes Ziel gesetzt: bis 2020 sollen 20 Prozent der Erdölchemie durch nachwachsende Rohstoffe ersetzt werden. Eine hohe Herausforderung der deutschen Chemieindustrie. Nur ähnliche Zielvorstellungen werden Innovationsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Chemieindustrie in der Konkurrenz durch diese Herausforderung der US Chemieindustrie erhalten.

Politische Instrumente zum Erdölausstieg:

  • Forschungs- und Entwicklungsausgaben in allen oben genannten Technologien stärken.
  • Verbesserung des ordnungspolitischten Rahmens für Erneuerbare Energien.
  • Wärmegesetz für Erneuerbaren Energien.
  • Einspeisungsgesetz für biogene Gase.
  • Gesetz zum Abbau administrativer Hemmnisse.
  • Gründung Forschungsgemeinschaft Erneuerbare Energien für den Mittelstand nach dem Vorbild der Arbeitsgemeinschaft Industrieller Forschung (AIF)
  • Ausrichtung des neuen Forschungsprogrammes der Bundesregierung auf die Erdölausstiegstrategie.
  • Neuausrichtung der Markteinführungsprogramme aus dem ERP Sondervermögen und andere KFW Programme.
  • Stärkung und teilweise Neuausrichtung des Markteinführungsprogrammes für Erneuerbare Energien.
  • Verbesserungen für unternehmerische Innovationsumsetzung, wie steuerliche Rahmenbedingungen, Wagniskapital, Seed Fonds u.a.
  • Radikale Streichung aller Subventionen für Erdöl, so die steuerlichen Vorteile der Mineralölindustrie, Steuerbefreiung für Schiffsdiesel und Flugbenzin, Agrardiesel u.a.

Verkehr:

  • Mineralölsteuerbefreiung für Biokraftstoffe verlängern
  • Ordnungspolitische Diskriminierungen abbauen
  • Steuerbefreiung für Strom aus Erneuerbaren Energien
  • Markteinführungsprogramm für Pflanzenöltraktoren
  • Jugendgemäßer Führerschein für Elektroleichtmobile
  • Schaffung einer Infrastruktur und Förderung von Einführungsmaßnahmen für Nullemissionsfahrzeuge; u.a. für Elektroscooter.
  • Einführung von Solarbooten, zunächst in touristisch interessanten oder auch ökologisch sensiblen Gewässern
  • Konzentrieren der Mittel für Verkehrsinvestitionen auf öffentlichen Verkehr, statt auf Straßenbau.

Wärmesektor:

  • Eigenheimzulage nur noch für Nullenergiehäuser
  • Wärmegesetz für Erneuerbare Energien nach dem Vorbild des EEG.
  • Stärkung des bestehenden Altbausanierungsprogramms der Bundesregierung.
  • Ökonomische und ökologische Warnhinweise auf fossilen Heizungen

Chemie:

  • Unterstützung Nachwachsender Rohstoffe in der Novellierung der Verpackungsverordnung.
  • Forschung und Technologieentwicklungen für Kunststoffproduktion auf der Basis von nachwachsenden Rohstoffen und anderer erdölfreier Rohstoffe, wie z.B. Silikate oder Keramiken.
  • Stärkung der Forschungs- und Markteinführungsmittel für Nachwachsende Rohstoffe
  • Markteinführung unterstützen, z.B. mit neuen KFW Programmen, mit entsprechende ordnungsrechtliche Vorschriften oder mit Vorschriften des öffentlichen Beschaffungswesens.
  • Stärkung der Grundlagenforschung