Realitätsfernes Sprachbild aus einer heilen Welt

Unsere Sprache bestimmt unser Bewusstsein; dies gilt auch für die Art und Weise, wie große Teile der Bevölkerung und der Politik das bedrückende Problem der Massenarbeitslosigkeit begreifen. Die Vergabe von Arbeit erscheint - sprachlich gesehen - als die primäre Aufgabe und als wichtiges Ziel jedes Arbeit-Gebers. Der "Arbeitgeber" gibt dem "Arbeitsuchenden" die Gelegenheit bzw. den Auftrag zur Arbeit. Der Arbeitsuchende nimmt diesen Auftrag dankbar an und wird damit zum Arbeit-Nehmer. Dieses alte Bild, eng verknüpft mit der Vorstellung, dass es das entscheidende Ziel und das eigene Interesse des Arbeitgebers sei, möglichst viel Arbeit zu vergeben, ist bestimmend für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Damit die Arbeitgeber möglichst viel Arbeit vergeben können - so lautet die Schlussfolgerung - müssten sie seitens des Staates besser unterstützt werden. Sie müssten von Steuern und von hinderlichen Beschränkungen ihrer unternehmerischen Freiheit wie Kündigungsschutz und ähnlichem "Ballast" entlastet werden, dann würden sie ihre Aufgabe wieder erfüllen. Zwar wird dieses patriarchalisch gefärbte Bild des Unternehmers als sozial engagierter "Arbeit-Geber" schon seit langem dadurch Lügen gestraft, dass gerade die erfolgreichen Unternehmen im großen Maßstab Personal entlassen, aber "solche Vorgänge" werden dann gerne als "bedauerliche Ausnahmen" angesehen. Ein wirkliches Umdenken in der Öffentlichkeit setzt nur langsam ein. Immerhin hat ein bekannter Politiker es kürzlich als "Lebenslüge" bezeichnet, dass Steuersenkungen Arbeitsplätze schaffen.

Realitätsnäher: Arbeit als Handelsware

Sprachlich besser als das patriarchalische Bild des gütigen "Arbeitgebers" passt das nüchterne Bild des "Arbeitsmarktes", das von einer völlig anderen Vorstellung ausgeht. Arbeit wird hier nicht mehr als Arbeitsauftrag verstanden, den der Arbeitgeber gibt, sondern als Arbeitsleistung, die der Arbeitswillige dem Unternehmer anbietet. Es fällt offensichtlich schwer, sich in dieses neue Bild hineinzufinden, weil hier die Arbeitsleistung eine Ware ist, die auf einem Markt gehandelt wird, wie Gemüse auf dem Gemüsemarkt oder Getränke im Getränkemarkt. Doch das Bild ist stimmig: Menschen bieten auf dem Arbeitsmarkt ihre Arbeitskraft an und Unternehmer kaufen sie - oder kaufen sie nicht. Früher befühlten die Einkäufer die Muskeln der Anbieter oder verlangten Proben ihrer Geschicklichkeit, heute verlangen sie Arbeitszeugnisse und Befähigungsnachweise. Die Anstellung eines Menschen als Arbeiter oder Angestellter ist das Ergebnis eines Marktgeschehens, eines Handels. Und wessen Arbeitskraft nicht gekauft wird, der bleibt arbeitslos.

Im Folgenden wollen wir einige Konsequenzen daraus ziehen, dass Arbeitskraft in der gewinnorientierten Sicht von Unternehmern nichts anderes ist als eine Ware, die die Unternehmer möglichst günstig einkaufen möchten. Diese nüchterne Betrachtung der Arbeitsvermittlung als beliebiges Marktgeschehen kann uns bei unserem Ziel helfen, die Massenarbeitslosigkeit zu verringern. Wir wollen von den jahrzehntelangen erfolgreichen Erfahrungen profitieren, wie der Staat gezielt den Kauf bestimmter Waren anregen kann. Wir wollen diese Erfahrungen auch auf den Kauf der Ware "Arbeit" auf dem Arbeitsmarkt anwenden.

Staatliche Eingriffsmöglichkeiten in den Arbeitsmarkt

Welche Möglichkeiten hat also der Staat? Hier ist als erstes an das Instrumentarium der staatlichen Subventionen zu denken. Dazu einige Beispiele: Der Kauf (und Bau) von Eigenheimen wurde durch die Eigenheimzulage angeregt, der Kauf Deutscher Steinkohle durch die Kohlesubventionen, der Kauf von Zuckerrüben durch landwirtschaftliche Subventionen.

Umgekehrt hat der Staat auch ein Instrumentarium entwickelt, den Kauf unerwünschter Waren durch Besteuerung einzudämmen. Hier könnte die erhöhte Besteuerung von Motoren mit unerwünscht hohem Schadstoffausstoß erwähnt werden oder die Erhöhung der Zigarettensteuer. Diese Beispiele mögen genügen; das Prinzip ist leicht erkennbar. Wenn der Staat den Preis bestimmter Waren durch Subventionen verringert, wird diese Ware mehr als zuvor gekauft. Wenn der Staat hingegen den Preis durch zusätzliche Besteuerung erhöht, geht die Nachfrage nach der betreffenden Ware zurück.

Und, wie ist das nun mit der Ware "Arbeit", die seit Jahrzehnten zu wenige Käufer findet? Was tut der Staat, um den Kauf der Ware "Arbeit" anzuregen? Wer mit seinen Überlegungen bis zu dieser Frage gekommen ist, der erlebt eine riesige Enttäuschung. Mit großer Verwunderung stellt er fest, dass der Staat in dieser eminent wichtigen Angelegenheit versagt, dass er genau das Falsche tut, genau das tut, was den Verkauf der Ware "Arbeit" erschwert. Der Staat verringert nicht etwa den Preis der Ware Arbeit, indem er den Unternehmen, die viele Menschen beschäftigen, hohe Subventionen zahlt, sondern er tut das Gegenteil, indem er den Arbeitslohn besteuert und die Beschäftigung von Personal durch erhebliche Sozialabgaben verteuert. Nun könnte man einwenden, dass nicht der Unternehmer die Lohnsteuer zahlt, sondern der Arbeiter. Oder man könnte einwenden, dass Sozialabgaben keine "Steuern" im engeren Sinne sind. Fakt ist jedoch, dass sowohl die Lohnsteuer als auch die Sozialabgaben letztendlich aus der Kasse des Unternehmers stammen und somit den Preis der Ware Arbeit erheblich erhöhen. Die sogenannte "Stellenbelastung" wird durch Lohnsteuer und Sozialabgaben sogar mehr als verdoppelt.

Kein Wunder also, dass sich die Unternehmer nach Alternativen umsehen. Wenn die Beschäftigung von Menschen zu teuer ist, dann können sie ihre Gewinne ja auf andere Weise erzielen. Sie können ihr Kapital in ein anderes Unternehmen stecken, welches mit mehr Automaten und weniger Personal auskommt.

Energie - der Gegenspieler der Arbeit

Wir haben gesehen, dass die Belastung der Arbeit mit Steuern und Abgaben ein gravierender Fehler des Staates ist, doch blieb bis jetzt noch die Frage offen, woher der Staat denn sonst die Gelder nehmen soll, die er für die Erfüllung seiner Aufgaben dringend benötigt. Auch hier hilft uns das Bild des Arbeitsmarktes weiter: Wenn die Ware "Arbeit" zu wenig Käufer findet, muss sie billiger gemacht werden, die Ware der Konkurrenz hingegen muss verteuert werden. So bietet sich eine einfache Lösung an: Höhere Steuern auf die "Ware der Konkurrenz"!

Und was ist nun die "Ware der Konkurrenz"? Womit behelfen sich die Unternehmen, wenn ihnen die Personalkosten zu hoch werden?

Wir hatten es weiter oben bereits angedeutet: Die Kapitalgeber schließen personalintensive Unternehmen und eröffnen andere Unternehmen, die - weitgehend automatisiert - fabrikneue Produkte herstellen. Zur Herstellung fabrikneuer Produkte benötigt man Automaten und billige Grundstoffe. Automaten und billige Grundstoffe sind also die Konkurrenz für das Personal, denn Unternehmer können wählen, ob sie Unternehmen führen wollen, die viele Menschen beschäftigen, oder Unternehmen, die aus billigen Grundstoffen mit Hilfe von Automaten fabrikneue Produkte herstellen.

Eine Besteuerung von Automaten und Grundstoffen würde allerdings an der Vielfalt der verschiedenen Automaten und Grundstoffe scheitern. Die Bemessungsfrage scheint unlösbar. Wie wird z.B. die Größe eines Automaten gewertet, wie seine Leistungsfähigkeit? Wie wird der Steuerwert der tausend verschiedenen Grundstoffe vom Aluminium bis zum Stickstoffdünger ermittelt? Doch hier gibt es eine einfache Lösung. Nicht die Automaten oder die Grundstoffe werden direkt besteuert, sondern die Energie, mit der sie angetrieben bzw. hergestellt werden. "Energiesteuer" heißt die Lösung. Der Produktionsfaktor "Arbeit" ist zu entlasten, der Produktionsfaktor "Energie" muss erheblich stärker besteuert werden.