Unser Umgang mit Strompreiserhöhungen

vom 09.04.2001


Sehr geehrte Umweltfreunde,

Sie haben sich sicherlich auch schon darüber geärgert:

Das Problem


Die Stromversorger erhöhen die Strompreise seit einigen Monaten mit der Begründung, die Preiserhöhung sei eine Folge auch des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG). Sie nennen in diesem Zusammenhang einen deutlich übertriebenen Betrag.

Vermutete Absicht der Stromversorger

Die Stromversorger wollen ihre Kundschaft gegen das EEG mobilisieren.

Angemessene Reaktion der Umweltfreunde?

Ich sehe zwei Alternativen

Alternative 1


Wir beweisen, dass die vorhandenen Anlagen zur Nutzung der Erneuerbaren Energien keine Rechtfertigung für einen so hohen Aufschlag geben.
Wir zeigen, dass den Rechnungen der Stromwirtschaft nicht zu trauen ist, dass das EEG "nicht so schlimm" ist, wie die Stromwirtschaft behauptet.
Wer sich für Alternative 1 entscheidet, findet einen Textvorschlag von Hans-Josef Fell.

Alternative 2


Wir drehen den Spieß um, drücken unsere Freude darüber aus, dass das EEG einen sichtbaren Erfolg hat.
Wir weisen darauf hin, dass die Strompreiserhöhungen zur Zahlung einer wirtschaftlichen Einspeisevergütung verwendet werden und werben dafür, dass möglichst viele Umweltfreunde sich am Ausbau der erneuerbaren Energien beteiligen.
Wir weisen außerdem darauf hin, dass die höheren Strompreise hauptsächlich die Stromverschwender belasten. Eher beiläufig erwähnen wir, dass die Stromversorger sich zahlenmäßig verrechnet haben.


Abwägung


Es geht hier um drei Dinge, die eng miteinander verwoben sind.

1. Die Stromversorger können nach der Liberalisierung des Strommarktes ihre Preise ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Gewinnoptimierung gestalten und erhöhen. Eine Strompreisaufsicht, die sie daran hindern würde, gibt es praktisch nicht mehr. Es steht den Stromversorgern frei, ob sie ihre Preiserhöhungen öffentlich begründen.

2. Die Begründung für die Preiserhöhung ist teilweise gelogen! Gegen Lügen können wir publizistisch vorgehen, vielleicht sogar rechtlich, doch was bringt es?

3. Die Lüge ist so gestrickt, dass sich die Stromversorger eine politische Nebenwirkung erhoffen, nämlich die Diskreditierung des EEG.
Meine Meinung: Mit Sicherheit wird eine Diskreditierung eintreten bei denjenigen, die ohnehin das EEG ablehnen (doch wird damit politisch kein Schaden verursacht, der nicht ohnehin bereits vorhanden ist).

4. Wir befinden uns in einer Zwickmühle.
Einerseits wollen wir, dass viele Anlagen der erneuerbaren Energien gebaut werden, wodurch der Strompreis auch zukünftig ansteigen wird. Auch wollen wir, sogar unabhängig davon, dass der Strompreis ansteigt, damit ein Sparanreiz gegeben wird.
Andererseits möchten wir, dass das EEG nicht in seinem Ruf leidet. (Ein wenig wird die Situation dadurch entspannt, dass wir uns dabei auf den Teil der Stromkunden beschränken können, die umweltpolitischen Argumenten zugänglich sind.)



Die Frage ist jetzt, wie wir uns verhalten.
Wenn wir gegen die falschen Zahlenangaben der Stromversorger wettern, wird man uns erstens für Pedanten halten, die jede Gelegenheit ergreifen, die Stromversorger schlecht zu machen. Zweitens wird der Eindruck vermittelt, wir hielten bereits eine Strompreiserhöhung von einem Pfennig zugunsten der Erneuerbaren Energien für zu hoch und seien unglücklich über diese Auswirkung des EEG.
Drittens wird man glauben, auch wir seien für billigen Strom.
Viertens werden sich argumentative Probleme ergeben, wenn in wenigen Jahren der finanzielle Anteil der erneuerbaren Energien am Strompreis tatsächlich so hoch sein wird, oder sogar noch höher, als jetzt von den Stromversorgern (vorläufig noch fälschlich) behauptet wird.
Die 100%-erneuerbare-Energien-Studie für die Europäische Kommission, auf die wir uns gerne berufen (Solarbrief 2/99), geht immerhin von einer Verdoppelung der Energiepreise (bei Halbierung des Verbrauchs) bis zum Jahr 2050 aus.
Auf diese Entwicklung müssen wir argumentativ vorbereitet sein.
In wenigen Jahren wird die Zahlenangabe von einem Pfennig stimmen und wir werden sogar froh darüber sein und sie verteidigen müssen.

Vorschlag



Vielleicht ist es besser, wenn wir den Anstieg der Strompreise zum Anlass nehmen, auf das Funktionieren des EEG hinzuweisen?

Etwa so:
Ihre Stromrechnung hat sich erhöht? Das ist neben anderen Ursachen sicherlich auch eine Folge des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG).
Allerdings wird der Anteil, der vom EEG verursacht ist, von den Stromversorgern ERHEBLICH übertrieben.
Aber eine Debatte um Zehntelpfennige wollen wir uns in diesem Zusammenhang nicht aufdrängen lassen.
Betreiber von Solaranlagen, Windanlagen und Biogasanlagen erhalten jedenfalls nun endlich eine fast kostendeckende Vergütung für den von ihnen gelieferten Strom. Und wer muss dafür bezahlen?
Besonders die Vielverbraucher unter den Stromkunden tragen jetzt - entsprechend ihrem Stromverbrauch - ihren finanziellen Anteil zum Aufbau einer neuen Energieversorgung bei.
Wollen Sie zu den Gewinnern zählen?
Beteiligen Sie sich an einer Wind-, oder Biogas-, oder Solaranlage. Die Stromversorger zahlen dann auch Ihnen die erhöhte Mindestvergütung nach dem Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG)!


Umfrageergebnisse haben gezeigt, dass die Mehrzahl der Deutschen einen Anstieg der Strompreise zugunsten der Solarenergie begrüßen würde, wenn alle Stromkunden mittragen müssen. Wir können deshalb davon ausgehen, dass zumindest bei dem Teil der Bevölkerung, dem die Umwelt am Herzen liegt, eine solche positive Aussage zu den Preiserhöhungen für einen positiven Denkanstoß sorgen würde.

Was meinen Sie?


Mit freundlichen Grüßen
Wolf von Fabeck