Selbst unter den überzeugten Befürwortern einer möglichst schnellen Energiewende gibt es noch Diskussionen darüber, mit welchen Maßnahmen die Energiewende am schnellsten vorangetrieben werden kann. Der Solarbrief bietet ein Forum, in dem wir unterschiedliche Auffassungen einander gegenüberstellen können.

Im gegebenen Fall entzündet sich der Meinungsstreit an einem kleinen aber wichtigen Detail in Eberhard Waffenschmidts Beitrag „Wird das EEG noch gebraucht“.

Er erklärt dort, warum er einer „Bürger-Energiewende“ den Vorzug gibt.

„Für mich (Eberhard Waffenschmidt) sind die Vorteile einer Bürger-Energiewende klar:
„- Es geht schneller, denn Privatleute sind in der großen Mehrzahl mit weit weniger Profit zufrieden als große Unternehmen. Ein Gewinn von 3% ist da meist schon ausreichend, während sich Bereichsleiter in Großunternehmen rechtfertigen müssen, wenn der Profit nicht mindestens zweistellig ist. Damit können wir mit dem selben Geld mehr Investitionen anregen.“

Eberhard Waffenschmidt nennt dann noch weitere Gründe, denen durchaus zuzustimmen ist. Allerdings, seine vorstehend zitierte erste Aussage halte ich - insbesondere wegen ihrer psychologischen Wirkung auf die Leser - für höchst unglücklich, und will das im Folgenden begründen.

Zuerst einmal möchte ich ein mögliches Missverständnis ausräumen: Im EEG bestimmt der Gesetzgeber keine bestimmte Rendite, z.B. von 3% des eingesetzten Kapitals. Der Gesetzgeber gewährt den Privatleuten und den Großunternehmen keine bestimmte Rendite, sondern er bestimmt einen verbindlichen Verkaufspreis in Cent pro Kilowattstunde für Solar-, Wind- oder sonstigen EE-Strom. Welche Rendite sich aus dieser Einspeisevergütung ergibt, hängt davon ab, welche Kosten dem Privatmenschen oder dem Unternehmen bei der Herstellung des Produkts Strom entstehen. Diese Kosten sind im Einzelfall - je nach den „sonstigen Umständen“ - sehr unterschiedlich, und der Gesetzgeber hat auf diese Kosten auch nur einen verschwindend geringen, ziemlich pauschalen Einfluss (so könnte er zum Beispiel alle unnötigen kostentreibenden bürokratischen Bedingungen, Meldepflichten, Steuerpflichten etc. weglassen.)

Die Tatsache, dass der Gesetzgeber NICHT die Rendite bestimmt, sie auch nicht bestimmen kann, sondern statt dessen die Einspeisevergütung bestimmen muss, zwingt ihn dazu, eine Einspeisevergütung nach bestem Wissen und Gewissen festzusetzen. Und damit sind wir dann an dem entscheidenden Punkt, denn diese Einspeisevergütung ist verbindliche Planungsgrundlage für Anlagenbetreiber, Anlagen-Errichter und Anlagen-Produzenten. Alle Beteiligten müssen sich auf diese Vergütungshöhe verlassen können.

Nachträgliche Veränderungen würden die vorhergehenden Planungen nichtig machen und das Vertrauen der Kapitalgeber empfindlich zerstören.

Das hatten wir bereits einmal - beim sogenannten „atmenden Deckel“, den man besser als „würgende Schlinge“ bezeichnet hätte (§ 20 Abs. 2a EEG 2009). Je erfolgreicher der Zubau an EE-Anlagen war, desto stärker zog sich die Schlinge zu, bzw. wurde die Einspeisevergütung abgesenkt. Besonders wurde die Solarenergie betroffen. Die folgende Grafik zeigt den jährlichen Zubau an Solaranlagen in Deutschland und die jährliche Absenkung der Einspeisevergütung für Solarstrom.
Bild PV-Zubau in Abhängigkeit von der Absenkung der Einspeisevergütung
pv-zubau

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Auch wenn für die Frage, ob Bürger eine Solaranlage bauen würden, die Höhe der Einspeisevergütung nicht das einzige Entscheidungskriterium war, ist doch deutlich zu erkennen, dass sich die Drosselung der Kapitalzufuhr erst mit einer Verzögerung von etwa 2 oder 3 Jahren bremsend auf den Zubau ausgewirkt hat. Die Aussicht, dass in den nächsten Monaten die Einspeisevergütung noch mehr abgesenkt werden würde, hat viele bis dahin zögernde Interessenten in Torschlusspanik versetzt und noch zu einem raschen Entschluss getrieben. Doch dann, ab 2013 erlosch das Interesse zunehmend. Soweit ein Blick zurück mit dem Ziel, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen.

Der Gesetzgeber steht also nun vor der Frage, wie er eine schnelle Energiewende erreichen kann. Soll er die Einspeisevergütung hoch ansetzen, um möglichst viele potentielle Anlagenbetreiber zu aktivieren, oder soll er die Einspeisevergütung eher niedrig ansetzen, damit nur die genügsamen privaten Betreiber neue Anlagen errichten? Ich denke hier an die von E.W. erwähnten Privatpersonen, die auch mit drei Prozent Rendite noch zufrieden wären.
Hier darf ich noch eine Erfahrung aus unserer jahrzehntelangen Beratertätigkeit für Solaranlagenbetreiber beitragen. Als die Einspeisevergütungen für Solarstrom unter den Steckdosenstrompreis absanken (manche Optimisten sprachen schon irrtümlich von der „Netzparität“ ohne zu bedenken, dass ohne Speicher weder Solarstrom noch Windstrom den Netzstrom ersetzen können), gab es auffällig viele Solaranlageninteressenten, die ihre Solaranlage auf den Eigenverbrauch „optimierten“. Besser gesagt, sie „beschränkten“ die Anlagengröße aus finanziellen Gründen auf eine Abmessung weit unter der verfügbaren Dachfläche. Jahre vorher machten wir die umgekehrte Beobachtung, als man mit Solaranlagen gute Gewinne erzielen konnte. Damals errichteten viele Anlagenbetreiber gleich mehrere Solaranlagen. Die Höhe der Einspeisevergütung wirkte sich also nicht nur auf die Zahl der neu gewonnenen Anlagenbetreiber aus, sondern auch auf die Gesamtgröße der von ihnen installierten Anlagen. Sie haben uns ihre Renditen natürlich nicht genannt, aber es liegt nahe, dass sie extra große oder gleich mehrere Anlagen deshalb angeschafft haben, weil sie sich zu der damaligen Zeit eine gute Rendite ausrechneten. Mit ganz normalen PV-Anlagen konnte man damals hohe Renditen erzielen, was zu der gehässigen Aussage führte, die Zahnärzte ließen sich ihre PV-Anlagen durch die Hartz IV-Empfänger bezahlen. Wer kommt nur auf einen solchen Spruch? Hat sich der Vorstand eines fossilen oder atomaren Großkonzern diesen Spruch ausgedacht, um von seinem Gehalt abzulenken? Der Anreiz jedenfalls wächst, den eingenommenen Gewinn sogleich in neue Anlagen zu stecken, wenn dort weitere entsprechende Gewinne winken.

Ist solch ein Verhalten verwerflich? Wenn die Betreiber den finanziellen Gewinn für den Kauf von Waffenaktien oder RWE-Aktien oder sonstige zweifelhafte Vergnügungen ausgegeben hätten, wären wir natürlich enttäuscht. Doch sie haben es ja offensichtlich gerade für den bestmöglichen Zweck, nämlich für die Beschleunigung der Energiewende ausgegeben.

Je höher die Einspeisevergütung ist, desto mehr Privatpersonen und Unternehmer werden sich zum Bau einer EE-Anlage entschließen. Mehr EE-Anlagen, größere EE-Anlagen und dazu noch eine höhere Einspeisevergütung - alle drei Effekte erhöhen die Gesamtausgaben - eine beunruhigende Vorstellung, aber doch nur für jemanden, der die Schäden vergessen hat, die der galoppierende Klimawandel bereits jetzt schon anrichtet und die er zukünftig anrichten wird. Die sind - soweit man sie überhaupt abschätzen kann - um mehrere Größenordnungen höher. Da geht es nicht mehr nur um Geld. Die Klimakatastrophe kann Millionen von Menschen das Leben kosten. Bei einer volkswirtschaftlichen oder noch besser, bei einer globalwirtschaftlichen Betrachtung kann es deshalb überhaupt nur eine Lösung geben: „Energiewende so schnell wie möglich“. Und alles Geld, das dafür erforderlich ist, werden wir in der Hoffnung ausgeben, dass wir damit die Klimakatastrophe stoppen können.

Doch verrechnen dürfen wir uns dabei nicht. Und damit komme ich auf einen zusätzlichen wichtigen Effekt, den Eberhard Waffenschmidt anscheinend nicht bedacht hat. Zwar stellt er zutreffend dar, dass die Menge der derzeitigen Solar- und Windanlagen in möglichst kurzer Zeit auf das Zehnfache (diese Zahl schätzt er zwei Absätze vorher) anwachsen muss.

Da wir den Klimawandel aber nicht nur in Deutschland, sondern weltweit bekämpfen müssen, sollen sich auch andere Länder entsprechend verhalten. Dort, in den meisten anderen Ländern dieser Welt, sind sogar noch höhere Steigerungsraten notwendig.

Ein solcher Nachfrageboom kann nicht im entferntesten durch die bisher global bestehenden Solarfabriken, Windanlagen- und Speicherfabriken befriedigt werden - schlicht deshalb weil es so viele Solarfabriken überhaupt nicht gibt. Entsprechendes gilt für die Fabriken, in denen Windanlagen hergestellt werden und die Fabriken für Stromspeicher. Die müssen erst einmal geplant, gebaut und sie müssen vorab FINANZIERT werden, 3 - 4 Jahre, bevor sie zum ersten mal Solarmodule, Windräder und Stromspeicher (kurz gesagt: „EE-Anlagen“) liefern können.
Hier handelt es sich allerdings nicht mehr um Millionen, sondern um Milliarden und noch dazu zu einem Zeitpunkt, zu dem noch keine einzige neue EE-Anlage aus diesen Fabriken verkauft werden kann. Es geht vorab um den Aufbau einer Produktions-Infrastruktur für EE-Anlagen. Dieser Aufbau ist nicht ohne Kapital möglich.

Wir müssen wohl nicht begründen, dass der Aufbau von vielen EE-Fabriken mehr Kapital benötigt als der Weiterbetrieb der bereits bestehenden bisherigen EE-Fabriken. Das notwendige Tempo lässt sich nur erreichen, wenn sehr schnell sehr viel Kapital zur Verfügung gestellt wird, Risikokapital übrigens, das nur zusammenkommt, wenn sehr hohe Gewinnanreize geboten werden

Und was passiert, wenn für die Vorabfinanzierung der großen Zahl von EE-Fabriken nicht das nötige Geld aufgebracht wird? Nun, dann gibt es halt nicht genügend EE-Anlagen für die angestrebte Beschleunigung der Energiewende und dann können sich die vielen anspruchslosen „Privatleute“ auf den Kopf stellen und bekommen trotzdem keine Solaranlage. Dann haben wir endgültig verspielt.

Und nun geht es ins Psychologische:

Das größte Problem ist die Überbrückung der ersten vier Jahre, bis die EE-Fabriken die ersten EE-Anlagen liefern können. Die Fabriken werden sicher nicht alle gleichzeitig gebaut, aber in möglichst kurzen Abständen hintereinander und dann müssen noch jahrzehntelang immer neue hinzu kommen.

Wer mag schon Kapital für Investitionen geben, wenn er nicht sicher sein kann, dass die Fabriken nach 3 - 4 Jahren auch wirklich funktionsfähige EE-Anlagen liefern, so dass er sein Kapital mit Gewinn zurück erhält?

Über diese Frage sollten wir genauer nachdenken. Wichtig ist, dass uns die hier geführte Diskussion überhaupt erst einmal auf das zu lösende Problem gestoßen hat.

Eine EEG-Umlage würde zu Beginn vielleicht nicht ausreichen, denn sie kann erst erhoben werden, wenn Anlagenbetreiber eine Vergütung erhalten. Das setzt voraus, dass die neuen Fabriken schon produzieren. Es bleibt also die Finanzierungslücke von 3 bis 4 Jahren. Vielleicht würden Staatskredite das Problem lösen helfen?

Kapital ist ein scheues Reh.
Wenn wir in unseren Ankündigungen auch nur andeuten, dass wir die Energiewende nach den Kosten optimieren könnten, nicht aber nach dem Tempo der Umsetzung, verlieren wir Vertrauen bei den Kapitalgebern. Denen steht dann deutlich vor Augen, wie schon Peter Altmaier und Sigmar Gabriel den Ausbau der Erneuerbaren mit dem Kostenargument ausgebremst haben. Die Kapitalgeber erinnern sich, wie sie ihr damals bereitgestelltes Kapital verloren haben, wie allein in Deutschland 80.000 Solararbeitsplätze verloren gingen und fast alle Solarfabriken wieder dicht machen mussten. So etwas vergisst man nicht und jede Andeutung, die in dieser Richtung auch nur missverstanden werden kann, gellt wie ein Alarmsignal.

Wenn wir also über die Kosten der Energiewende sprechen, sollten wir uns auf jeden Fall auf ein Plädoyer für großzügige und verlässliche finanzielle Anreize einigen, etwa so:

Wir brauchen eine Energiewende, an der sich jede Privatperson und jedes Unternehmen beteiligen kann. Die Beschleunigung der Energiewende muss Angelegenheit des ganzen Volkes werden. Unser oberstes Ziel ist es, die fossilen und atomaren Energieträger überall so schnell wie möglich durch dezentrale Solar- und Windanlagen mit den dazugehörigen Strom- und Energiespeichern zu ersetzen. Zur schnellen Umsetzung der technisch erforderlichen Investitionen sind großzügige und verlässliche finanzielle Anreize notwendig. Bei der anstehenden Reform des EEG ist ein hoher finanzieller Anreiz für den Bau von EE-Anlagen eine höchst wichtige Voraussetzung für ein hohes Investitionstempo und ist deshalb unser Ziel.

Die hier vorgetragenen Überlegungen verlieren für Wirtschaftsfachleute und Wachstums-Anhänger vollends ihren Schrecken, wenn sie erst einmal erkennen: Investitionen in Erneuerbare Energien schaffen zukunftsfähige Arbeitsplätze und ein zukunftsfähiges Wachstum! Auf uns wartet als große Chance das größte je gesehene Investitionsprogramm.

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