Interview mit Stefan Gehrmann, Geschäftsführer der "Air Energy" Entwicklungsgesellschaft für Batterien

 

Das Solarflugzeug "Solar Impulse 2" ist am 9. März 2015 zu seinem historischen Versuch gestartet, die Erde zu umrunden, ohne einen einzigen Tropfen Treibstoff zu verbrennen. Mitentscheidend für das Gelingen des Versuchs ist ein Beitrag aus Aachen. Die Firma "Air Energy" hat die Batterien für die Solar Impulse entwickelt, die dafür sorgen sollen, dass das Flugzeug die ganze Nacht hindurch fliegen kann und dass am Tage überschüssige Sonnenenergie für diese Nachtabschnitte gespeichert wird. Da die Bundesgeschäftsstelle des SFV zufällig in derselben Stadt ansässig ist wie Air Energy, haben wir den Geschäftsführer dieses Pionier-Unternehmens, Stefan Gehrmann, in der Werkstatt von Air Energy aufgesucht und mit ihm über die Geschichte und die Perspektiven solarer und elektrischer Luftfahrt, über Batterietechniken, über das Verhältnis von Prototypen- zum Großserienbau, und über den Reiz leiser Triebwerke gesprochen. Das Interview fand am 6. März statt.

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SFV: Solar Impulse 2 – in drei Tagen soll der Start sein, nach jetzigem Planungsstand. Fiebern Sie mit?

Gehrmann: Ja, selbstverständlich, klar! Das ist natürlich auch für uns spannend und wichtig, insbesondere dass nichts schief geht.

Dann erklären Sie mal den Lesern, warum.

Die Firma Air Energy hat das komplette Batteriesystem – vier Antriebsbatterien und eine Notbatterie – geliefert. Es macht ein Viertel des Gesamtgewichtes aus und muss für das Gelingen der Mission zu 100% funktionieren. Wir haben sehr viel Arbeit in die Entwicklung und Fertigung des Speichersystems gesteckt und sind auf der Homepage von Solar Impulse prominent unter den Lieferanten aufgeführt. Wenn die Mission nicht klappt, ist es für alle eine große Enttäuschung und für uns fällt eine positive Werbung weg. Man darf dabei nicht vergessen, dass die Risiken des Scheiterns enorm sind. Das Flugzeug fliegt sehr langsam und ist äußerst fragil, das Wetter spielt also eine entscheidende Rolle. Es darf kein Gegenwind herrschen, jede Art von Turbulenzen bringt Gefahr und die Sonne muss ungehindert von Wolken, Nebel oder Dunst scheinen. Daneben gibt es noch die technischen Risiken eines so komplexen Einzelstückes, das praktisch ohne entsprechende Erfahrung auf Anhieb funktionieren muss. Eine zweite Chance gibt es nicht.

Wie kommt es dazu, dass sie die Batterien gebaut haben? Wie sind Sie mit den Machern von Solar Impulse zusammengekommen?

Wir haben uns darum bemüht. Das heißt, wir haben Solar Impulse angesprochen und gesagt: „Wir können das, wir haben Erfahrung im Leichtbau.“ Und dann sind André Borschberg und zwei Kollegen von Solar Impulse hier hergekommen. Wir haben unser Konzept vorgestellt, und wir sind ausgewählt worden.

Und Sie hatten schon Erfahrungen auf dem Gebiet des Solarfluges?

Wir hatten schon Solarflug- und Flugbatterie-Erfahrungen, vor allem Erfahrungen mit großen Lithium-Batterien. Das war damals – ich glaube, es war 2006 – noch nicht so weit verbreitet, es gab wenige andere, die tatsächlich komplette Batteriesysteme entwickeln und bauen konnten.

Welche anderen Solarflugprojekte haben Sie schon begleitet?

Also, wir haben noch den Icaré begleitet, das war ein Solarflugprojekt für den Ulmer Wettbewerb, von der Uni Stuttgart. Und für den Sunseeker 2 haben wir auch die Batterien, die Zellen geliefert.

Erzählen Sie doch mal, wie Air Energy entstanden ist. Ich meine doch, dass es sich dabei auch um ein eigenes Flugzeugprojekt gehandelt hat?

Ja, das war eine Idee aus meinem Hobby – ich bin Segelflieger, und die Segelflieger haben ja das Problem: „Wie kommen wir in die Luft?“ Da gibt‘s entweder die Winde, dafür braucht man viel Personal, oder Flugzeugschlepp, das ist sehr teuer und auch nicht gerade ökologisch. Und daher kam die Idee, einen elektrischen Antrieb zu bauen, um damit ein Segelflugzeug selbststartend zu machen. Denn die reine Energiemenge ist ja gering, die man für so ein Flugzeug braucht – das muss ja nur einmal auf höchstens 600 Meter Höhe, dann kann es alleine weiterfliegen. Aus dieser Idee ist dann mit Hilfe des Landes NRW ein kleines 12-Meter-Spannweite-Segelflugzeug entstanden, das alleine starten kann, und das – damals noch mit einer Nickel-Cadmium-Batterie – auf 600 Meter Höhe kam. Die Energie, die man dazu gebraucht hat, war ungefähr so viel wie einmal Spülmaschine laufen lassen, also 1,2 Kilowattstunden etwa. Normalerweise beim Flugzeugschlepp, wo zwei schwere Flugzeuge in die Luft gezogen werden müssen mit ein paarhundert PS …

Das braucht schon ein bisschen mehr.

Ja, auf jeden Fall mehr! Das hatte auch einen ganz deutlichen ökologischen Aspekt. Wir haben davon fünf Stück gebaut. Aber im Sportflugzeugbau ist es sehr schwierig, eine Firma kommerziell zu betreiben. Dafür sind zu viele intelligente Enthusiasten unterwegs, die im Zweifelsfall alles in Hobbyarbeit machen.

Hat sich der Elektroantrieb denn auf dem Sektor der Motorsegler durchgesetzt?

Die eigenstartfähigen Motorsegler gab‘s vorher schon, mit einem Klapptriebwerk wie unsere auch, das aus dem Rumpf herausklappt. Das Elektrische hat sich nicht richtig durchgesetzt – noch nicht. Weil im Zweifelsfall die Leute, wenn sie so viel Geld ausgeben sollen, doch sagen: „Na ja, jetzt komm ich auf 600 (oder mit Lithium-Batterien mittlerweile auf 2000) Meter; wenn ich dann am Wochenende doch mal 100 Kilometer fliegen will, kann ich das nicht.“ Insofern hat sich das nicht richtig durchgesetzt. Auch aus einem Grund, der mir damals noch nicht so richtig klar war: Es macht eigentlich nicht so richtig Sinn, einen elektrischen Antrieb in ein Fahrzeug oder Flugzeug einzusetzen, das nur zehn bis zwanzig Mal im Jahr bewegt wird. Da steht sich die Batterie tot, und eigentlich ist es schade um die Investition! Man sollte sie lieber da einsetzen, wo sie täglich benutzt wird, und wo dann auch entsprechend den Anschaffungskosten und der Kapazität ein angemessener Energie-Return kommt.

Machen Sie auf dem Sektor auch was? Sie arbeiten ja nicht nur an Flugzeugen oder Flugzeug-Batterien …

Unser Hauptgeschäft ist, kleine Serien und Einzelstücke von Batterien zu bauen, in erster Linie für die Entwicklung, und für Sonderfahrzeuge, z.B. unbemannte Unterwasserfahrzeuge, oder „Show-Cars“: Vorentwicklungs-Fahrzeuge der Automobilindustrie; Batterien für Kanalinspektionsroboter und solche Dinger – also alles, was ein bisschen ausgefallen ist und wo man keine großen Stückzahlen braucht. Ein bis zehn Stück, darauf sind wir spezialisiert.

Sie haben es schon angedeutet, aber ich frage nochmal nach: Umweltschutzaspekte haben bei der Firmengründung durchaus eine Rolle gespielt? Dass es also ökologisch nicht optimal war, wie Segelflieger in die Luft kamen?

Ja. – Und auch, dass die vorhandenen Systeme, 2-Takt-Verbrennungsmotoren, nicht richtig zum Segelflugzeug passen. Also, so ein lauter Motor, in dem ein Verbrennungsprozess stattfindet, der viele Abgase hat und schüttelt – das passt eigentlich nicht zur Philosophie und Gefühlswelt des Segelfliegers. Man ist immer froh, wenn dieses laute Ding wieder hinten eingeklappt ist und man seine Ruhe hat. Und dem ist man mit dem Elektroantrieb entkommen. Die ökologischen Aspekte beziehen sich also auf Gesamt-Energieverbauch, aber auch auf Lärm. Dieses Flugzeug, das wir gebaut haben, ist extrem leise, es hat nur 42 Dezibel, im Vergleich zu 65dB, die mit konventionellem Antrieb erreicht werden; gefühlt ist das mehr als vier mal so laut. Die Lärmtests mussten wir morgens um sechs machen, weil selbst eine entfernte Straße sonst zu laut gewesen wäre, um überhaupt etwas messen zu können. Das ist natürlich sehr angenehm, denn viele Segelflugplätze liegen in lärmempfindlichen Gegenden; früher wurde ja viel mit der Winde gestartet, das ist auch nicht sehr laut, aber heute gibt es schon häufig Flugzeugschlepp, und wenn dann noch die Eigenstarter hinzu kommen, dann fangen die Anwohner an, sich zu beschweren, auch zurecht, denn das sind halt Zweitakter, die sind superlaut. Vor allem während des Starts laufen sie mit voller Leistung und fliegen tief. Da ist es dann schon sehr angenehm, mit einem leisen Flugzeug zu fliegen.

Aber auch aus Eigeninteresse des Piloten?

Sehr stark auch aus Eigeninteresse. Aber da sieht man ein Grundproblem der Hobbyfliegerei: Viele Piloten entwickeln aus Eigeninteresse tolle Neuerungen, und es ist schwer, mit solchen fähigen Leuten kommerziell zu konkurrieren, bei denen ein finanzieller Gewinn nicht zwingend erforderlich ist. Deswegen sind wir dann auch 2003, 04, 05 immer mehr auf industrielle Produkte umgeschwenkt. Man muss auch ehrlicherweise sagen: Warum sollte ein Privatmensch, der nicht richtig, richtig viel Geld hat, der allererste sein, der so ein Flugzeug kauft, wenn er doch genau weiß: In zwei, drei Jahren sind die sowieso viel besser, und in fünf Jahren noch besser, usw. Man kann also solche neuen Entwicklungen in erster Linie der Industrie verkaufen, die eben nicht das Argument hat: „In zwei Jahren ist es besser“, sondern die frühzeitig anfangen will, lange Entwicklungszeiten hat und womöglich jetzt sogar damit schon Geld verdienen kann.

Aber „der Industrie verkaufen“ heißt trotzdem: Prototypen und Kleinserien bauen. Wie muss man sich das vorstellen, dass das dann in Großserienproduktion übergeht?

Das ist dann gar nicht mehr unser Geschäft. Die Großserien sind ja im Wesentlichen in der Automobilindustrie angesiedelt. Bei den Unterwasserfahrzeugen bleibt es bei Kleinserien, da liefern wir auch weiter, und unsere Kunden sparen viel Geld durch z.B. drei- bis fünffache Tauchzeiten von autonomen Tauchrobotern aufgrund unserer Batterietechnik. Aber in der Automobilindustrie sind unsere Batterien in der „Vorentwicklung“ verbaut, also noch nicht mal in der Entwicklung. Das heißt, damit werden Konzeptfahrzeuge angetrieben, bei denen es darum geht, erst mal ein Fahrgefühl zu vermitteln, den gesamten Antriebsstrang auszulegen, die Software zu entwickeln, wie die Batterie mit dem Hybridantrieb, mit einem Leistungssteller usw. zusammenspielt. Da ist die Batterie, die wir bauen, im Wesentlichen ein Dummy, der an den Schnittstellen, die für eine Batterie wichtig sind, also Spannung, Strom, Kommunikation, Gewicht, dem sehr ähnlich ist, was man später als Serie baut, aber innendrin kann der ganz anders aussehen. Der braucht nicht die Lebensdauer zu haben, der kann also in vielem anders sein, außerdem muss sein Verhalten nicht bis ins kleinste Detail erforscht und nachgewiesen sein. Deswegen bauen wir eine Batterie nur als Prototyp, und die Industrie, die das bestellt, sagt: „Wenn die das jetzt als Prototyp können, dann dient uns das als Vorlage für das, was wir vielleicht in fünf Jahren nach Serienkriterien hinkriegen werden, mit der entsprechenden Haltbarkeit, Zuverlässigkeit, Normierung etc., die wir beim Prototypen nicht garantieren können und müssen.“

Das heißt, irgendwelche patentrechtlichen Probleme oder so was tauchen da gar nicht auf. Die konkreten Lösungen, die dann der Abnehmer für seine Großserie findet, sind ganz andere.

Die sehen ganz anders aus! Da sind ganz andere Zellen drin, da sind andere Bauteile verbaut. Was wir jetzt für die Automobilindustrie machen, das ist größtenteils serienmäßig noch nicht möglich. Das ist schon zu sehr ausgefuchst und ausgereizt, sozusagen am Limit, als dass man das in der Serie schon machen würde. Deswegen die Vorstellung: Was jetzt als Prototyp geht, kriegt man in fünf Jahren auch in der Serie hin, mit den notwendigen Nachweisen, der Zuverlässigkeit und der Lebensdauer etc., die dem hohen Standard moderner Automobile entsprechen.

Welchen Beitrag kann eine Firma wie Ihre, so ein kleines „Garagen-Unternehmen“, zu dem technischen Fortschritt bei Speichertechnologien leisten? Das interessiert unseren Verein ja stark, mit Blick auf die Speicherung von regenerativ erzeugtem Strom. Können Sie sich vorstellen, dass es einen Transfer gibt, den wir von Firmen wie Ihrer nehmen können?

Einen eigentlichen Technologietransfer wird es in der Regel kaum geben, weil die Techniken, die für Großserien gebraucht werden, doch ganz andere sind. Aber wir sind dafür da, dass man überhaupt loslegen und mal in einem Umfeld testen kann. Zum Beispiel, wenn es heißt: Wir brauchen eine Speicherbatterie für ein großes Windkraftwerk, die hat soundsoviel Megawattstunden, dann muss das erste Ding ja irgendjemand bauen, um das mal auszuprobieren: Wie passt das mit dem Netz zusammen, usw. Alles das können wir machen. Wenn sich das dann durchsetzt und jemand bestellt 1000 Stück, weil er 1000 Windräder hat, dann wird man das nach ganz anderen Gesichtspunkten bauen. Dann werden plötzlich Fertigungskosten, Baukastenprinzip und solche Dinge interessant, und nicht: Wie mache ich jetzt möglichst schnell, möglichst günstig und möglichst effektiv ein Stück. Insofern bringen wir das Ganze auf den Weg – wir können demonstrieren, dass es möglich ist – aber in der eigentlichen Umsetzungsphase, wo Kosten und solche Dinge eine entscheidende Rolle spielen, da sind unsere Lösungen dann eigentlich nicht mehr so wichtig.

Sie arbeiten hauptsächlich mit der Lithium-Ionen-Technologie, weil sie eine gute Energiedichte hat und deswegen für Fahrzeuge und erst recht Flugzeuge das Mittel der Wahl ist. Das wäre wahrscheinlich bei Stromspeicherung von EE-Anlagen nicht das ausschlaggebende Kriterium, oder?

Es ist, glaube ich, noch nicht unbedingt entschieden, was man da sinnvollerweise einsetzt. Die Lithium-Ion-Batterie lohnt sich im Augenblick aus Kostengründen für so etwas vielleicht noch nicht so unbedingt; es hängt ein bisschen davon ab, wieviel Leistung gebraucht wird. Wenn man sehr viel Leistung braucht, man also die Batterie in zehn, zwanzig Minuten entladen können will, dann lohnt es sich schon jetzt, auf Lithium-Ion umzusteigen, denn um eine Bleibatterie so schnell zu entladen, muss ich sie stark überdimensionieren, ich bräuchte am Ende eine viel größere Bleibatterie, um dieselbe Leistung zu realisieren. Dann kann man schon heute in die Bereiche kommen, wo sich Lithium-Ion rechnet. Über kurz oder lang werden die Lithium-Ion-Batterien auch bei geringeren Leistungen konkurrenzfähig sein; diese Grenze verschiebt sich, je günstiger produziert werden kann.

Würden Sie sagen, dass dieses kleine Pionier-Segment der Solarfliegerei eine Rolle dabei spielt, durch Nachfrage die Technik preisgünstiger zu machen?

Die Preise werden hauptsächlich von der Automobilindustrie und den Abnehmern von großen Stückzahlen gemacht. Wir kriegen es ja auch zum Teil mit, zu welchen Preisen Automobilhersteller Zellen einkaufen – davon träumen wir natürlich nur. Wir können mit unseren kleinen Stückzahlen nichts zur Preisentwicklung beitragen; wir sind froh, dass wir beliefert werden, auch wenn wir ein Vielfaches bezahlen. Wir sind einfach froh, dass wir Firmen haben, die uns beliefern, weil sie schätzen, was wir tun. Hat ja auch einen gewissen Effekt, wenn wir die Zellen in eine Vorserie bringen, dann bringen wir sie auch an die entsprechenden großen Firmen schon mal näher ran. Aber wesentliche Preisimpulse können wir, wie gesagt, nicht setzen.

O.k. Also Preisimpulse nicht, Technologieimpulse auch nur begrenzt, weil in der Großserie dann andere Lösungen gemacht werden …

Technologieimpulse insofern nur begrenzt, als es nur wenige Batteriehersteller gibt, die sagen: „Wir entwickeln was für einen Prototypen.“ Also, das ist schon ein Sonderfall, dass wir mit Kokam einen Partner haben, der Zellen extra für uns – in diesem Fall für das Solar-Impulse-Projekt – entwickelt, denn diese Zellen sind ausschließlich in diesen Batterien drin, sonst nirgends.

Aha! Was ist das Besondere an diesen Zellen?

Sie sind extrem leicht. Stichwort Energiegewicht, Energiedichte: Das heißt, sie können pro kg Gewicht rekordverdächtig viel Energie speichern. Das war ja ein Hauptkriterium für Solar Impulse.

Es gibt noch einen anderen Sektor, wo eine Firma wie Air Energy Einfluss entfalten kann: über die Öffentlichkeit. Also in dem Sinne, dass Sie Projekte mit nach vorne bringen, die „sexy“ sind auf eine gewisse Weise, wie jetzt Solar Impulse. Ist das auch für Sie ein Motivationsfaktor?

Ja natürlich, bei so einem Projekt eine der wichtigsten Komponenten zu bauen, ist eine großartige Sache und eine super Motivation. Aber wir versuchen uns trotzdem ein bisschen aus der Öffentlichkeit herauszuhalten und mehr im Stillen zu werken …

Das ändern wir ja jetzt gerade!

… ja, das freut uns auch. In erster Linie wollen wir allerdings unsere Arbeit gut machen, und bei uns ist keiner so, dass er unbedingt im Fernsehen sein möchte. Wir freuen uns, wenn es funktioniert, und sind stolz darauf. Wir sind halt Ingenieure, wir wollen das technisch beste Ergebnis erzielen. Die wesentlichen Impulse werden in dieser Hinsicht nicht von uns kommen. Das sind dann die Universitäten, die können viel mehr tun, sind auch interessiert an Öffentlichkeit. Wir kriegen auch unsere Kunden nicht durch solche Öffentlichkeit.

Hier mit der Aachener Hochschule arbeiten Sie auch zusammen?

Da arbeiten wir sehr eng zusammen, ja.

Können Sie dazu etwas sagen, wie das funktioniert?

Ja, das funktioniert auf mehreren Ebenen: Zum einen benutzen wir die Hardware der Hochschule mit. Wir erteilen der Hochschule Aufträge, z.B. für uns etwas zu testen, denn sie hat hervorragend ausgestattete Testlabore. Die Aachener Hochschule, in unserem Fall das ISEA/EES, ist natürlich auch stark in der Theorie, z.B. bei Algorithmen und Modellen, mit denen man das Verhalten von Batterien theoretisch beschreibt; davon profitieren wir auch. Und zum anderen geht es auch in die andere Richtung: Die Ingenieure der Hochschule schnuppern auch gerne mal hier rein und gucken, wie man so was in der Praxis macht, tatsächlich eine einbaufertige Batterie baut, die Theorie sozusagen zur Anwendung bringt. Also, das befruchtet sich gegenseitig. Wir gründen jetzt gerade eine Firma zusammen mit Batterieforschern der RWTH, die dann in noch weiterem Rahmen, als wir das jetzt tun, sich mit Batterien beschäftigt, Lösungen anbietet und berät.

Für welchen Anwendungsbereich wäre das dann?

Rund um Batterien, bzw. elektrische Energie-Speicher für alle Anwendungen. Dabei geht es dann mehr in Richtung Testen, Fertigungstechnik, Serienprodukte und Beratung.

Ich meinte: Bei Air Energy ist der Anwendungsbereich Flugzeuge, Fahrzeuge im weitesten Sinne. Ist das bei der neuen Firma breiter aufgestellt?

Auch bei Air Energy fühlen wir uns in vielen Anwendungsbereichen gefordert, hier allerdings liegt der Focus auf Einzelstücken und Kleinstserien. Die neue Firma wird sich eher um technologische Aspekte von Serienbatterien, Produktlinien etc. kümmern. Hier stehen z.B. die genaue Kenntnis des Zellverhaltens, Lebensdaueraspekte und Alterung und entsprechende Testreihen im Fokus. Wir werden Firmen Möglichkeiten der Batterieentwicklung bieten, die selbst keine entsprechende Entwicklungsabteilung haben, das heißt mittelständischen, kleineren Firmen, die für ihre eigentlichen Produkte eine Batterie brauchen – Stichwort Rasenmäher, Rollstühle – aber kein eigenes Batterien-Knowhow haben, um so eine Serienbatterie zu entwickeln. Die Beratung, Kenntnisvermittlung und auch Bereitstellung von Kapazitäten bis hin zur Bereitstellung von Laborflächen wird Aufgabe der neuen Firma sein. Sie wird das bei uns im Augenblick fehlende Segment in Richtung industrielle Serien bedienen. Das intensive Testen von Zellen und Batterien ist ja dann besonders erforderlich, wenn Großserien gebaut werden. Da will man ganz genau wissen: Wie benimmt die Zelle oder Batterie sich? Da geht‘s nicht nur darum, dass sie für ein halbes Jahr oder ein Jahr gut arbeitet, sondern da will ich auch wissen: Was macht sie in Zukunft, auf lange Sicht? Wie altert oder stirbt sie? Wie benimmt die sich in Extremsituationen – Stichwort „Abuse“. Dann werde ich sie bewusst mal anders belasten, als sie vielleicht belastet werden soll, um zu erfahren: Was macht sie dann? Das – also Abuse – können wir ja für Prototypen aufgrund der kontrollierten Bedienung von Fachleuten im Wesentlichen ausschließen, aber bei Serien muss man alles einkalkulieren, was passieren könnte, und sei es noch so unwahrscheinlich. Crashtests, extreme Temperaturen, Frühausfalle etc. spielen da eine wichtigere Rolle.
Daher: Alles, was über Prototypen und Kleinserien hinaus an Aktivitäten rund um Batterien nötig ist, wird die neue Firma zusätzlich abdecken.

Und die wird auch in Aachen sitzen?

Die wird auch in Aachen sitzen, ja.

Ja, da sind wir dann mal gespannt! Und da sind Sie dann auch Chef?

Da sind wir mitbeteiligt.

O.k. Und die Hochschule auch?

Und die Hochschule. Genau.

Wo ich jetzt gerade aus Versehen „Chef“ sagte: Wie ist das eigentlich hier bei Air Energy strukturiert? Gibt es eine Hierarchie? Flach, steil?

Ganz flach.

Aber es gibt schon einen Chef; und das wären Sie?

Ich bin Geschäftsführer. Und die neue Firma wird drei Geschäftsführer haben, davon bin ich einer. Und ansonsten versuchen wir auch da die Hierarchie möglichst flach zu halten und die Kreativität der Mitarbeiter nicht zu behindern.

Das habe ich ja auch ansatzweise schon mitbekommen, dass hier keine Ehrerbietung im Vordergrund steht.

Nein, darum geht‘s nicht. Es geht nur ums Ergebnis. Und natürlich ein bisschen um die Freude an der Arbeit. Das ist ganz wichtig.

Ich möchte zum Schluss noch mal auf die Fliegerei zurückkommen. Welche Perspektiven hat die solarbetriebene Fliegerei – oder im allgemeineren Sinne die Elektrofliegerei? Es kursieren ja sehr optimistische Zeitschriftenartikel. Ist das alles reine absurde Spinnerei?

Elektrofliegerei ist sicher keine absurde Spinnerei. Da sind auch EADS und Airbus schon dran und überlegen sich: „Was können wir machen?“ In der Kurzstreckenfliegerei ist das im Zeitraum der nächsten 20, 30 Jahre vielleicht sogar realistisch. Auf der Langstrecke sicher noch lange nicht. Und solar erst recht nicht; da wird‘s mit Sicherheit über den reinen Hobbybereich hinaus nichts geben.

In einem Zeitschriftenartikel ist vom Transport von dreistelligen Passagierzahlen die Rede. Das hat mich überrascht.

Das hängt immer von der Strecke ab. Wenn ich nur von hier nach Berlin fliegen will, dann ist das durchaus denkbar. Aber auch da wird es so sein, dass man mit Hybrid anfängt, um vielleicht Start- und Landephasen lärmreduziert zu gestalten, um das Rollen am Boden nicht mehr mit den Triebwerken machen zu müssen, und damit insgesamt energieeffizienter zu werden. Damit wird es sicher anfangen. Denkbar ist aber auch, dass man irgendwann kurze Strecken tatsächlich rein elektrisch fliegt.

Das sind doch spannende Perspektiven!

Ja ja, auf jeden Fall. Nur: solar ist eben dadurch beschränkt, dass wir nur dieses eine Kilowatt, also ca. 1,3 PS pro Quadratmeter Sonneneinstrahlung haben. Es wären also riesige Flügel notwendig, die wiederum auch einen Riesen-Widerstand erzeugen, und damit brauche ich noch mehr Energie …

Der Solar Impulse ist ja auch verblüffend langsam.

Der ist sehr langsam – 50-70 km/h – aber genauso groß wie der größte Airbus. Von daher kann man leider ausschließen, dass die Solarfliegerei kommerziell praktikabel wird. Man könnte natürlich im weitesten Sinne ein Elektroflugzeug auch als Solarflugzeug bezeichnen, wenn die Solarzellen an geeigneten stationären Flächen am Boden sind.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

 

Interview: Rüdiger Haude