Liebe Mitglieder und Freunde des Solarenergie-Fördervereins,

zur Mitgliederversammlung am 09.11.2019 habe ich mich aus Altersgründen nach 33-jähriger ehrenamtlicher Vorstands- und Geschäftsführertätigkeit nicht mehr beworben. Beide Aufgaben werden zukünftig von Susanne Jung, meiner engagierten Nachfolgerin übernommen werden.
Stattdessen hat mich die Mitgliederversammlung einstimmig zum Ehrenvorsitzenden gewählt. Und als Ehrenvorsitzender werde ich in Sachbeiträgen auch weiter von mir hören lassen, nicht aber im Editorial. Das kommt der Geschäftsführerin zu. Deshalb ist dies das letzte Solarbrief-Editorial, das ich schreibe.

Diesmal geht es mir um eine grundsätzliche Frage, die den weiteren Kurs unseres Vereins betrifft. Es ist die Frage, wie realistisch wir die Gefahren der Klimakatastrophe und die notwendigen Abwehrmaßnahmen darstellen sollen.

"How dare you!"
Er geht mir nicht mehr aus dem Kopf, der verzweifelte Ausruf von Greta Thunberg bei der Weltklimakonferenz am 23. September 2019 in New York City. Sie hat erkannt, dass es mit uns zu Ende geht, wenn wir weiterleben wie bisher. Sie hat es erkannt und richtet sich nach dieser Erkenntnis.
Manche sprechen verächtlich davon, dass Greta Thunberg einen psychischen Defekt habe, das Asperger Syndrom. Wenn es sich allerdings in der Weise äußert wie bei Greta Thunberg, dann ist es - so empfinde ich es - keine Krankheit, sondern eine Art-erhaltende Eigenschaft.
Wir aber, die wir trotz unseres Klima-physikalischen Wissens mit dem Flugzeug fliegen, unseren Garten mit Steinplatten versiegeln, oder bei der Silvester-Böllerei mitmachen, sind diejenigen, die einen psychischen Defekt haben, der die eigene Spezies ausrotten wird. Ich habe lange nach der Bezeichnung für diesen Defekt gesucht. Mir ist aber bisher nichts eingefallen, als die Bezeichnung "Eigensucht".

Leider ist "Eigensucht" noch nicht als behandlungs-bedürftige psychische Krankheit anerkannt.
Gegenteil der Eigensucht ist die Nächstenliebe. Man muss kein religiöser Mensch sein, um das Gebot der Nächstenliebe anzuerkennen. In dem bekannten Gleichnis vom barmherzigen Samariter ist es gerade ein nichtgläubiger Mensch, der dem Gebot der Nächstenliebe folgt.

Heute sind die Dinge allerdings komplizierter,als damals, weil wir die Folgen unserer Handlungen nicht direkt vor Augen sehen. Dazu ein erdachtes Beispiel zur Veranschaulichung: Wenn ich meine Tochter, die in die USA ausgewandert ist, einmal im Jahr mit dem Flugzeug besuche, weil ich sonst nur per Telefon oder Skype oder per Videos etwas von ihrem Leben und dem meiner Enkel mitbekomme, dann halte ich den jährlichen Flug für eine Selbstverständlichkeit, auf die ich ein Anrecht habe. Nur ein strafbewehrtes Verbot oder ein unbezahlbarer Flugpreis könnten mich davon abhalten. Wenn ich aber verstanden und verinnerlicht habe, dass jeder weitere Flug nach USA das Klima schneller kippen lässt, dann müssten mich doch Zweifel an meiner Entscheidung ankommen.

Deshalb ist es so wichtig, dass wir und unsere Mitbürger die Konsequenzen eines halbherzigen Klimaschutzes wirklich kennen.
Es klingt zwar so schrecklich seriös und überlegen, wenn man sagt: "wir wollen aber nicht in Klimahysterie verfallen". Oder wenn man beschwichtigt: „Wir wollen doch den Mitmenschen nicht die Hoffnung nehmen.“ Genau dieses Kleinreden der Klimagefahr sehe ich jedoch als gravierenden Fehler an.
Leider nur in der äußersten Gefahr sind die meisten Menschen zu verzweifelten Maßnahmen bereit. Und nur verzweifelte Maßnahmen können die Welt jetzt noch retten.

Wenn Greta Thunberg nicht Klartext gesprochen und nicht in scheinbar aussichtsloser Position vor dem schwedischen Reichstag demonstriert hätte, würden wir jetzt immer noch in internen Zirkeln vor uns hin diskutieren.

Deshalb: Eine realistische Darstellung der Klimagefahr ist erforderlich. Auch für den Erfolg unserer Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ist sie unumgänglich.

Ihr Ehrenvorsitzender
Unterschrift vF