Vorbemerkung:

Der folgende Beitrag ist überholt. Er schildert die Verhältnisse vor der Änderung der Ausgleichsmechanismusverordnung – (AusglMechV) zum 1. Januar 2010.

Die Grafiken zu dem folgenden Beitrag stehen teilweise leider nicht mehr zur Verfügung.


Falsche Vorstellungen über den Preiseffekt der Windstromeinspeisung

Ein großes Hindernis beim Ausbau der Windenergienutzung ist die weit verbreitete Befürchtung, die Einspeisung von Windstrom in das öffentliche Netz und seine gesetzlich vorgeschriebene Vergütung würden den Strompreis für die Verbraucher in die Höhe treiben. Die Stromversorger pflegen dieses Vorurteil gerne, indem sie bei jeder passenden Gelegenheit darauf hinweisen, dass Braunkohle- und Atomstrom zu Kosten um die 3 Cent pro Kilowattstunde hergestellt werden, während Windstrom mit über 9 Cent pro Kilowattstunde vergütet wird. Bei unreflektierter Kombination dieser Zahlenangaben entsteht dann in der Öffentlichkeit die Vorstellung, dass der teurere Windstrom den Strompreis anheben würde, denn der Durchschnittswert aus billigem Braunkohle/Atomstrom und teurerem Windstrom liegt deutlich über den Herstellungskosten des Kohle/Atomstroms.

<u>Tatsächlich ist der Strompreis jedoch kein Durchschnittswert </u>aus den Herstellungskosten der verschiedenen Stromsorten, sondern ist ein Börsenpreis, der an der Strombörse in Leipzig festgelegt wird. Die Stromhersteller erzielen dort hohe Gewinne und tun alles dafür, diese Gewinne noch zu steigern.
Die Einspeisung von Strom aus Windenergie und aus den anderen Erneuerbaren Energien verdirbt ihnen jedoch immer wieder dieses Geschäft. Wie und warum das geschieht, wird im folgenden Beitrag erläutert. Der aufmerksame Leser kann dabei gleichzeitig lernen, wie und nach welchem Prinzip Börsenkurse z.B. zu Wertpapieren, generell zustande kommen.

Warum braucht man eine Strombörse?

Strom wird in Deutschland in den unterschiedlichsten Kraftwerken hergestellt und kostet in der Herstellung unterschiedlich viel. Hier eine Auswahl von Kraftwerken mit den ungefähren Angaben der Stromerzeugungskosten: Altes Braunkohlekraftwerk (3 Cent/kWh), Atomkraftwerk (3,5 Cent/kWh), neues Braunkohlekraftwerk (4 Cent/kWh) , Steinkohlekraftwerk (11 Cent/kWh), Gaskraftwerk (18 Cent/kWh und mehr). Die Stromerzeugungskosten hängen ab von der Bauart des Kraftwerks, der Frage, wie weit das Kraftwerk bereits abgeschrieben ist, von den Brennstoffkosten und insbesondere davon, wieviele Stunden im Jahr das Kraftwerk eingesetzt wird, also von der Auslastung des Kraftwerkes. Ihre Ermittlung ist eine Wissenschaft für sich, hier mag der Hinweis genügen, dass die unterschiedlichen Stromerzeugungskosten betriebswirtschaftlich gerechtfertigt sind. All diese Kraftwerke - es handelt sich um mehrere Hundert - bieten ihren Strom gleichzeitig an und möchten beim Verkauf einen hohen Gewinn erzielen. Andererseits möchten die Stromhändler - von ihnen gibt es einige Dutzend - den Strom möglichst günstig einkaufen, um ihre Kunden mit billigem Strom versorgen zu können und selbst Gewinne zu machen.Mit der Methode des Feilschens, d. h. in mündlichen Verhandlungen zwischen allen 200 Verkäufern und Käufern der Strombörse lässt sich diese Aufgabe nicht lösen. Zu bedenken ist auch, dass jede neue Stunde des Jahres einzeln verhandelt werden muss, denn der Strombedarf ändert sich von Stunde zu Stunde (genauer gesagt, er ändert sich sogar noch schneller - aber die Änderungen von Minute zu Minute werden nicht mehr durch den Handel ausgeglichen, sondern durch die regelverantwortlichen Netzbetreiber mit Hilfe ihrer Regelkraftwerke). Schon die Abstimmung für einzelne Stunden ist schwierig genug!

Die Lösung eines so komplexen Handelsproblems erfolgt nach den Regeln des Börsengeschäftes, d.h. nach den gleichen Regeln, nach denen auch der Handel mit Wertpapieren oder Ölfässern oder Goldbarren erfolgt.

Am Spotmarkt der Strombörse in Leipzig einigen sich also eine Vielzahl von Stromerzeugern unter der Regie der Börse mit einer Vielzahl von Stromeinkäufern auf einen einzigen einheitlichen Strompreis. Für jede Stunde des Jahres ergibt sich ein anderer Strompreis. Dieser einheitliche Strompreis (der Börsenpreis) wird dann in dieser Stunde für jeden Strom bezahlt, auch für den aus Braunkohle- und Atomkraftwerken. Oft liegt er erheblich über den Herstellungskosten der Braunkohle/Atomkraftwerke. Darüber sind natürlich deren Betreiber glücklich, denn gerade diese Kraftwerke liefern große Strommengen. So verschafft ein hoher Börsenkurs ihren Betreiber einen hohen Gewinn.

Wenn wir in Gedanken noch einmal zur Ausgangsfragestellung zurückgehen, können wir feststellen:
Die Stromkäufer haben von den niedrigen Herstellungskosten des Braunkohle/Atomstroms kaum einen
Vorteil, denn sie zahlen nicht die Herstellungskosten, sondern den Börsenpreis.

Zum Verständnis der Vorgänge soll nun gezeigt werden

  • wie dieser Börsenpreis zustande kommt.
  • wie sich der Börsenpreis durch die Einspeisung von EEG-Strom ändert und welche Einsparungen die Stromeinkäufer dabei erzielen
  • wie gering die Mehrausgaben für den EEG-Strom im Verhältnis zu den Einsparungen sind.

Wie kommt der Börsenpreis im Spotmarkt zustande

Für die anschauliche Darstellung der Geldmengen, um die es geht, ist eine graphische Darstellung mit der Strommenge in Megawattstunden (oder Kilowattstunden) auf der Abszisse (x-Achse) und dem Strompreis pro Megawattstunde (bzw. Kilowattstunde) auf der Ordinate (y-Achse) besonders geeignet, weil Flächen in dieser Darstellung den umgesetzten Geldmengen entsprechen.

Das Zustandekommen des Börsenpreises und die Auswirkungen der EEG-Stromeinspeisung demonstrieren die hier dargestellten Skizzen in Kurzform. Den ausführlichen Foliensatz finden Sie auf unserer Internetseite unter http://www.sfv.de/artikel/windstrom_senkt_den_strompreis_-_auswirkungen_des_merit-order_effekts.htm. Dieser Foliensatz ist so aufgebaut, dass der Betrachter die Entstehung der Angebotskurve (der Merit Order) und die Wirkung der EEG-Stromeinspeisung in jedem einzelnen Schritt wie in einem Trickfilm mitverfolgen kann. Insofern sei dieser Internetbeitrag besonders empfohlen.

Das Verfahren bei der Strombörse entspricht demallgemein üblichen Verfahren bei jeder Börse. Sowohl die Käufer als auch die Verkäufer geben verdeckte Angebote ab. Zu jedem Angebot gehört die Lieferzeit (meist eine volle Stunde), die Strommenge und der "Reservationspreis". Der Reservationspreis ist für den Verkäufer der Mindestpreis, den er erzielen will. Für den Einkäufer ist der Reservationspreis der Maximalpreis, den er notfalls zu zahlen bereit ist.

Natürlich hofft der Verkäufer, dass er einen höheren Preis erzielen kann und der Einkäufer hofft, dass er die Ware billiger erhalten kann. Aufgabe der Börse ist es, einen einheitlichen Preis festzulegen, der so zu bestimmen ist, dass eine möglichst große Warenmenge umgesetzt wird. Dazu geht die Börse wie folgt vor: Die Angebote werden streng geheim gehalten und von der Börse entsprechend dem Reservationspreis in eine Reihenfolge gebracht. Die Reihenfolge der Verkaufsangebote wird Merit Order genannt. Es ergibt sich eine nach rechts ansteigende Treppenkurve.

 

Bild 1: Der Windstrom musste sofort verbraucht werden. Deshalb mussten die Endkundenversorger an der Börse weniger konventionellen Strom kaufen. Weniger Nachfrage führte zu geringerem Börsenpreis.

 

Auch die Kaufwünsche der Stromeinkäufer werden gemäß ihren Reservationspreisen in eine Reihenfolge gebracht. Hier ergibt sich eine nach rechts abfallende Treppenkurve. Da Wirtschaft und Gesellschaft von Stromlieferungen extrem abhängig sind, wird Strom auch gekauft, wenn er sehr teuer ist. Deshalb gibt es nur wenige Einkäufer, die ihren Stromeinkauf vom Strompreis abhängig machen. Die Nachfragekurve ist deswegen extrem steil abfallend (preisunelastisch).

Für ein erstes Verständnis der Vorgänge kann man sie praktisch durch eine senkrechte Linie ersetzen. Der Schnittpunkt der Nachfragekurve mit der Angebotskurve definiert die gehandelte Strommenge und den Börsenpreis. Diese werden beim Fixing veröffentlicht. Alle Angebote rechts vom Schnittpunkt werden nicht benötigt. Alle Angebote links vom Schnittpunkt finden einen Käufer und werden mit dem Börsenpreis bezahlt.

Wie ändert sich der Börsenpreis durch die Einspeisung von EEG-Strom?

EEG-Strom - vorwiegend handelt es sich um Windstrom - wird an der Börse nicht gehandelt, denn für ihn steht der Preis fest und auch die von den Stromhändlern, die Endkunden beliefern, entgegenzunehmende Menge ist durch das EEG festgelegt.

Der EEG-Strom vermindert somit die Nachfage, d.h. er verschiebt die Nachfragekurve nach links. Der Schnittpunkt wandert nach links. Daraus folgt, dass sich der Börsenpreis durch Einspeisung von EEG-Strom immer(!) vermindert. Für die Betreiber der Braunkohle/Atomkraftwerke bedeutet das, dass sich auch ihr Gewinn vermindert.

Bild 2: Obwohl die Betreiber von Grundlastkraftwerken mit 3 - 4 Cent/kWh wirtschaftlich arbeiten können, erhalten sie hier im Beispiel 18 Cent/kWh.


Bild 3: Windstromeinspeisung verschiebt die Nachfragekurve nach links. Es ergibt sich ein niedrigerer Börsenpreis und die Gewinne verringern sich.

 

EEG-Stromeinspeisungen sind bei den Betreibern der konventionellen Kraftwerke also aus zwei Gründen
extrem unbeliebt:

  1. Sie ersetzen Strom, der sonst von einem konventionellen Kraftwerk geliefert worden wäre.
  2. Sie vermindern die Gewinne bei den noch verbleibenden konventionellen Stromlieferungen.

Wie groß sind die Einsparungen für die Stromeinkäufer?

In einem funktionierenden Markt werden die Einsparungen weitgehend an die Endkunden weitergegeben, denn die Stromhändler stehen untereinander im Wettbewerb. Deshalb wirkt sich eine Verminderung der Einkaufspreise für die Stromeinkäufer auch preismindernd auf die Endkunden aus.

Den Einsparungen für die Stromeinkäufer stehen allerdings die Ausgaben für die Vergütung des EEG-Stroms gegenüber. Diese laufen nicht über die Strombörse, müssen nach EEG aber letztlich durch die Elektrizitätsversorgungsunternehmen bezahlt werden, die Strom an Letztverbraucher liefern. Die Ausgaben für die Vergütung des EEG-Stromes müssen deshalb ebenfalls berücksichtigt werden.

Sowohl die Einsparungen durch die Einspeisung von EEG-Strom als auch die Ausgaben für den EEG-Strom sind in Bild 4 als Flächen abgebildet.

 

Bild 4: Die Stromeinkäufer bekommen den konventionellen Strom erheblich billiger. Obwohl sie zusätzlich noch die volle Vergütung für den Windstrom bezahlen müssen, erzielen sie doch deutliche Einsparungen.

 

Die Ausgaben für die Vergütung des EEG-Stromes entsprechen dem Produkt aus der eingespeisten Strommenge multipliziert mit der Höhe der Einspeisevergütung.

So ergibt sich das vergleichsweise kleine gelbe Rechteck rechts neben dem Stromeinkaufspreis. Diese Geldmenge wird so oder so ausgegeben. Bei fehlender Windstromeinspeisung wird sie für den konventionellen Strom ausgegeben, bei vorhandener Windstromeinspeisung geht diese Geldmenge an die Windanlagenbetreiber.

Die Einsparungen beim Stromeinkauf durch Senkung des Börsenpreises entsprechen somit der dick eingerahmten hellen Fläche. Im Beispiel ist klar erkennbar: Die EEG-Einspeisungen senken den Stromeinkaufspreis.
Selbst wenn die Einspeisevergütung höher ist als der Börsenpreis - was in etwa 95 Prozent der jährlichen Lieferstunden der Fall ist - ergeben sich noch Einsparungen. Dies wird im Abschnitt über die Solarstromeinspeisung genauer erläutert.

Quantifizierung der Einsparungen

Für jede Stunde des Jahres ergeben sich andere Angebote und Nachfrageverhältnisse, unterschiedliche Börsenpreise und unterschiedliche Entlastungen durch die Einspeisung von Wind- und Solarstrom.
Zur endgültigen Beurteilung, wie stark Wind- und Solarstrom den Strompreis entlasten, ist deshalb eine Untersuchung aller 8760 Stunden des Jahres erforderlich. Eine Untersuchung des IfnE (Ingenieurbüro für neue Energien) vom November 2007 im Auftrag des Bundesumweltministeriums ergab eine Senkung des Großhandelspreises durch alle Erneuerbaren Energien für das Jahr 2006 mit einem Volumen von bis zu 5 Mrd. Euro. Zieht man davon die gesamte Einspeisevergütung nach EEG für den Windstrom und alle anderen Erneuerbaren Energien ab, so ergibt sich immer noch eine Netto-Ersparnis von ca. 2 Mrd Euro.

Senkt auch die Einspeisung von PV-Strom den Strompreis?

Generell senkt jede Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren Energien den Börsenpreis und damit die Gewinne der konventionellen Stromerzeuger. Das gilt auch für Solarstrom-Einspeisungen.

 

Bild 5: Auch die Einspeisung von Solarstrom senkt den Börsenpreis

 

Wenn die Einspeisevergütung über dem vorher zu zahlenden Börsenpreis liegt, ergeben sich für die Einkäufer infolge der ihnen obliegenden Solarstromvergütung echte Mehrkosten gegenüber dem Börsenpreis. Hier muss geprüft werden, ob diese Mehrkosten die Einsparungen beim Börseneinkauf aufzehren. Nur eine sorgfältige Untersuchung aller Stunden eines Jahres kann diese Frage beantworten.

 

Bild 6: Die Mehrausgaben für die Solarstromeinspeisevergütung sind häufig geringer als die Einsparungen beim Einkauf des konventionellen Stroms an der Strombörse

 

Da Solarstrom schwerpunktmäßig um die Mittagszeit eingespeist wird, und weil um die Mittagszeit wegen der Mittagsverbrauchsspitze auch etliche Spitzenlastkraftwerke mit hohen Stromgestehungskosten zum Zuge kommen, sind erstens die darüber hinausgehenden Mehrkosten des Solarstroms nicht sonderlich hoch. Zweitens kann - wegen der Steilheit der Angebotskurve - schon eine sehr geringe Verschiebung der Nachfragekurve nach links zu einer deutlichen Verminderung des Börsenpreises und damit zu deutlichen Einsparungen beim Stromeinkauf führen.

Wir sind gespannt auf das Ergebnis einer solchen Untersuchung. Fraglos würde die Erkenntnis, dass sogar PV-Strom-Einspeisung - über das Jahr gesehen - den Strompreis senkt, der Photovoltaik zu einem gewaltigen Prestigegewinn verhelfen.

Wirken sich die Verhältnisse am Spotmarkt auch auf die Terminmarktgeschäfte aus?

Da am Spotmarkt nur etwa 20 Prozent oder weniger des gesamten Stromhandels abgewickelt wird, stellt sich die Frage, wie sich die Entlastung der Spotmarktpreise durch Wind- und Solarstromeinspeisung auch auf die weit vorher abgewickelten Termingeschäfte auswirkt. Dass eine Rückwirkung erfolgt, ist unstrittig. Wenn der Stromhändler vorhersieht, dass die Wind- und Solarstromeinspeisung die Preise am Spotmarkt drücken wird, ist er eher geneigt, mit seinem Einkauf bis zum letzten Tag zu warten. Der Stromerzeuger hingegen wird dann lieber schon früher verkaufen und bietet seinen Strom im Termingeschäft günstiger an.

Die Entlastung am Spotmarkt wird sich also - zumindest von der Tendenz her - auch auf den Terminmarkt
auswirken.