Wie sinnvoll ist es, eine Energiewende in einem Land anzustreben? Die Freunde (und Profiteure) der konventionellen Energieerzeugung argumentieren immer wieder, solange die Länder mit den größten CO2-Emissionen oder mit den meisten Atomkraftwerken nicht mitzögen, könne ein Umstieg in Deutschland keine nennenswerte positive Wirkung entfalten.

Dieses Argument gegen nationale „Alleingänge“ ist schon deshalb falsch, weil es einer andauernden wechselseitigen Blockierung Vorschub leistet (ähnlich wie es nun seit Jahren in der Frage der Finanztransaktionssteuer läuft). Aber es geht nicht nur darum, dass man das Richtige tun soll, auch wenn andere fortfahren, das Falsche zu tun. Die Gegenseite hat ja recht mit der Annahme, dass im Weltsystem Veränderungen an einem Ort unerwartete Folgen dortselbst und anderswo haben. Aber nicht in dem Sinne: „Dann müssen wir eben unsicheren Atomstrom aus Frankreich und Tschechien kaufen“. Eine diesem Mantra entgegengesetzte Wirkung findet statt!

Dass es eine „Kraft des guten Beispiels“ gibt, haben wir immer behauptet. Wir können es inzwischen beweisen. Dazu kann das hier anzuzeigende Buch dienen. Bob Johnstone wirft in seinem neuesten Werk einen Blick aus den USA auf das deutsche Solarwunder. Der Untertitel seines Buches bekundet das Interesse daran, „was wir“ (also die USA) „von Deutschlands Erfolg bei der Nutzung sauberer Energie lernen können“. Aber in Wahrheit zeigt der Autor, dass die Geschichte der Photovoltaik schon immer ein Prozess wechselseitigen Lernens war, so dass die Fortschritte in einem Land das gesamte Feld beeinflussten. Leider gilt das auch für die Rückschritte.

„Switching to Solar“ schildert die gesamte Geschichte der Photovoltaik, vom Ausruf des späten Thomas Edison im Jahre 1931: „Was für eine Energiequelle! Ich hoffe, dass wir nicht bis zum Versiegen der Öl- und Kohle-Vorräte warten müssen, bevor wir sie in Angriff nehmen!“ (28), bis hin zu den PV-Zellen der dritten Generation, die mit nanotechnischen Methoden die Effizienz dieser Technologie steigern wollen. Das Zentrum des Buches stellt aber die deutsche Erfolgsstory dar. Von den sieben Kapiteln dieses Teils beschäftigen sich übrigens nicht weniger als drei mit dem Solarenergie-Förderverein und dem „Aachener Modell“ der Einspeisevergütung. Aus diesem ging das deutsche „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ hervor – ein „ökologisches Meisterstück“ (187).

Varianten dieses Förderprinzips sind inzwischen in vielen anderen Ländern und Kommunen weltweit implementiert. In den USA war der Ort Gainesville in Florida am 1. März 2009 der erste, der eine Einspeisevergütung nach deutschem Vorbild einführte, nachdem Ed Regan vom örtlichen Energieversorgungs-Unternehmen eine Informationsreise nach Deutschland unternommen hatte – eine „umwerfende Erfahrung“ für ihn (245ff). Johnstone beschreibt an vielen Beispielen, wie die nationale deutsche Erfolgsstory international inspirierend wirkte. Gerade in den USA sei die Haltung verbreitet, dass – wenn ein solcher „Durchbruch“ im „wolkigen Deutschland“ möglich sei – er im eigenen Land erst recht gelingen müsse (13, 17, 226).

Aber wenn Johnstone das deutsche EEG als „Big Bang“ der weltweiten PV-Nutzung beschreibt, also als deren „Urknall“ (325), dann meint er nicht nur den ideellen Vorbild-Charakter dieser Lösung. Das Gesetz hat in einem harten ökonomischen Sinne der weltweiten Solarwirtschaft einen entscheidenden Anstoß gegeben. Jährliche Wachstumsraten von 40 Prozent seit dem Jahr 2000, ein Preisrückgang bei Solarzellen von jährlich 5 bis 6 Prozent sind auf diesen „Big Bang“ zurückzuführen (325). PV-Firmen in aller Welt sind entstanden, die zunächst vor allem auf die Befriedigung des boomenden deutschen Marktes zielten (311). Manager dieser Firmen schätzen ein, dass die deutsche Einspeisevergütung die weltweite Durchsetzung der Photovoltaik um „ungefähr zehn Jahre“ verkürzt habe (311).

Geschichte resultiert für Johnstone einerseits aus dem Idealismus und dem Elan einzelner Akteure. Für Deutschland heißt das bei ihm: „Durch ihre Beharrlichkeit und ihren unermüdlichen Fleiß waren Wolf von Fabeck, Hermann Scheer, Hans-Josef Fell und hunderte, vielleicht tausende ihrer Kollegen und Mitstreiter in der Lage, die Sache der Solarenergie weiter – viel weiter – voranzubringen als irgendwer sonst.“ (195) Aber der Erfolg des EEG beruht andererseits gerade auf dem Gedanken, mit dem Wolf von Fabeck zitiert wird, „die Marktbedingungen so zu verändern, dass Nicht-Idealisten dafür belohnt werden, das Richtige zu tun“ (145). Es sind also strukturelle Faktoren, die letzten Endes ausschlaggebend sind.

Und hier ist es – bei allem Schwelgen in der Erfolgs-Story der Photovoltaik – eine beunruhigende Einsicht Johnstones, mit der er seinen Geschichtsüberblick Ende 2010 abschloss: „Die Schneekugel rollte den Berghang hinab und sammelte auf ihrem Weg Schwung und Masse an. Aber bei allen Fortschritten, die die Photovoltaik an der technologischen Front machte, war eine unterstützende Politik noch immer entscheidend, wenn der Schwung aufrechterhalten werden sollte.“ (330)

Deutschland, so lernen wir aus diesem Buch, ist nicht nur für den Erfolg der Energiewende im eigenen Land verantwortlich, sondern hat hier weltweit eine ausschlaggebende Rolle. Wenn im März 2012 die Bundesminister Röttgen und Rösler sich daran begeben, durch eine geradezu hysterische Absenkung der Einspeisevergütung für Solarstrom den hiesigen Markt zu zerschlagen, dann hat das also nicht nur im Inland verheerende Konsequenzen. Es ist ein Anschlag auf die weltweite Möglichkeit einer Wende hin zu sauberen, erneuerbaren Energien. Ein Skandal also von nicht nur nationalen, sondern internationalen Dimensionen. Um dies richtig einschätzen zu können, auch im Hinblick auf künftige Wahlentscheidungen, wäre diesem bisher nur in englischer Sprache vorliegenden Buch eine weite Verbreitung auch in Deutschland zu wünschen.
 

Bob Johnstone: Switching to Solar. What We Can Learn from Germany's Success in Harnessing Clean Energy. Amherst (NY): Prometheus Books 2011. 402 Seiten. ISBN 978-1-61614-222-3