Vorab:
Die Wiederinbetriebnahme der schadhaften belgischen Kernkraftwerkblöcke Tihange 2 und Doel 2 wird zum 15. Dezember erwartet.
Der vorliegende Beitrag eines juristischen Laien verfolgt unter dem herrschenden Zeitdruck ausschließlich den Zweck, die Öffentlichkeit auf eine Möglichkeit der Abwehr hinzuweisen, die bisher kaum in der Diskussion erwähnt wurde. Wie realistisch diese Möglichkeit ist, kann durch den Verfasser nicht beurteilt werden.
Fachkundige Leser werden um berichtigende oder ergänzende Beiträge gebeten. Richten Sie Ihre Beiträge bitte an zentrale@sfv.de

 

Deutschland ist Mitglied bei EURATOM.

Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (ab 1. Dezember 2009 geltende Fassung) bietet möglicherweise die Chance für eine aufschiebende Klage Deutschlands gegen den Belgischen Staat oder eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission.

Hier müssten Juristen im Auftrag der Bundesrepublik tätig werden.

Die Europäische Kommission als Kontrollinstanz von Euratom könnte bei Vertragsverletzung den Betrieb auch ohne Gerichtsurteil stoppen.

Die Europäische Kommission bzw. die ihr unterstellte EURATOM-Agentur ist zuständig für die Einhaltung des EURATOM Vertrages.
Sie kann das Liefern spaltbaren Materials an AKWs unterbinden!
"Die Kommission kann die Ermächtigung [zur Versorgung mit spaltbaren Stoffen (KvF)] nicht erteilen, wenn die Empfänger dieser Lieferungen nicht alle Garantien dafür bieten, dass die allgemeinen Interessen der Gemeinschaft gewahrt werden"! (Artikel 69)
Dies sogar ohne einen Gerichtsbeschluss.

Ausserdem muss die Kommission ihre Zustimmung erteilen, wenn "besonders gefährliche Versuche" stattfinden sollen.
Der Mitgliedsstaat [hier: Belgien] hat hierzu vorher die Stellungnahme der Kommission einzuholen." (Art.34 siehe weiter unten)

Hier wäre die Frage zu klären, ob das Wiederinbetriebsetzen eines aus Sicherheitsgründen abgeschalteten Reaktors ohne Beseitigung des Mangels und gegen das Minderheiten-Votum eines der Sachverständigen als "besonders gefährlicher Versuch" angesehen werden kann.
Die Untersuchungskommission FANC hätte dann erst die Kommission fragen müssen.

Artikel 34
Jeder Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebieten besonders gefährliche Versuche stattfinden sollen, ist verpflichtet, zusätzliche Vorkehrungen für den Gesundheitsschutz zu treffen; er hat hierzu vorher die Stellungnahme der Kommission einzuholen.
Besteht die Möglichkeit, dass sich die Auswirkungen der Versuche auf die Hoheitsgebiete anderer Mitgliedstaaten erstrecken, so ist die Zustimmung der Kommission erforderlich.
Die Kommission richtet an die Mitgliedstaaten Empfehlungen über den radioaktiven Gehalt der Luft, des Wassers und des Bodens.
In dringenden Fällen erlässt die Kommission eine Richtlinie, mit der sie dem betreffenden Mitgliedstaat aufgibt, innerhalb einer von ihr festgesetzten Frist alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um eine Überschreitung der Grundnormen zu vermeiden und die Beachtung dieser Vorschriften zu gewährleisten.
Kommt der Staat innerhalb der festgesetzten Frist der Richtlinie der Kommission nicht nach, so kann diese oder jeder beteiligte Mitgliedstaat in Abweichung von den Artikeln 258 und 259 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unmittelbar den Gerichtshof der Europäischen Union anrufen.
Hervorhebung im Gesetzestext durch Fettdruck hier und im folgenden durch den Autor

…
Abschnitt 1
EURATOM-Agentur oder auch kurz: Die Agentur

Artikel 53
Die Agentur steht unter der Aufsicht der Kommission; diese erteilt ihr Richtlinien, hat gegen ihre Entscheidungen ein Einspruchsrecht und ernennt ihren Generaldirektor sowie ihren stellvertretenden Generaldirektor.
Jede ausdrückliche oder stillschweigende Handlung der Agentur bei Ausübung ihres Bezugsrechts oder ihres ausschließlichen Rechts zum Abschluss von Lieferverträgen kann durch die Beteiligten der Kommission unterbreitet werden, die hierüber innerhalb eines Monats zu beschließen hat.
…..
Artikel 69
… Die Kommission kann die Ermächtigung nicht erteilen, wenn die Empfänger dieser Lieferungen
[von spaltbaren Material (KvF)] <i>nicht alle Garantien dafür bieten, dass die allgemeinen Interessen der Gemeinschaft gewahrt werden, oder wenn die Klauseln und Bedingungen dieser Verträge den Zielen dieses Vertrags zuwiderlaufen.


Artikel 144
Die Zuständigkeit des Gerichtshofes der Europäischen Union umfasst die Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung sowie zur Änderung oder Verhängung von Zwangsmaßnahmen
a) bei Klagen, die gemäß Artikel 12 zur Festlegung angemessener Bedingungen für die Erteilung von Lizenzen oder Unterlizenzen durch die Kommission erhoben werden;
b) ...

Artikel 145
Ist die Kommission der Auffassung, dass eine Person oder ein Unternehmen eine Verletzung dieses Vertrags begangen hat, auf welche Artikel 83 keine Anwendung findet, so fordert sie den für diese Person oder dieses Unternehmen zuständigen Mitgliedstaat auf, wegen dieser Verletzung Zwangsmaßnahmen nach seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu verhängen.
Kommt der betreffende Staat innerhalb der von der Kommission gesetzten Frist der Aufforderung nicht nach, so kann die Kommission den Gerichtshof der Europäischen Union zur Feststellung der Verletzung anrufen, die der betreffenden Person oder dem betreffenden Unternehmen zur Last gelegt wird.

Artikel 157
Soweit dieser Vertrag nichts anderes bestimmt, haben Klagen bei dem Gerichtshof der Europäischen Union keine aufschiebende Wirkung. Der Gerichtshof der Europäischen Union kann jedoch, wenn er es den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen.