Großspuriger geht es wohl kaum: Wenige Wochen vor dem geplanten globalen Klimastreik erscheint in der Zeitschrift DIE ZEIT Ausgabe 36 als "Titelthema" ein dreiseitiger Beitrag mit dem Titel: "Was kostet die Rettung der Welt?".

Die Ehre, diesen Beitrag schreiben zu dürfen, nimmt sich Dr. Uwe Jean Heuser, der Leiter des Wirtschaftsressorts der ZEIT, ein Ökonom - aber offensichtlich kein Ökologe.

Wir, die wir an dem Klimastreik teilnehmen wollen, lesen natürlich auch interessiert, was ein Ökonom dazu meint. Wird er möglicherweise sagen, der Preis für die Rettung der Welt sei zu hoch, den dürften wir nicht bezahlen? Oder wird er sich für nicht zuständig erklären?

Diese beiden Fragen bleiben nicht lange offen. Schon im fünften Absatz seines langen Beitrages kommt der Autor, Dr. Heuser auf den ersten Punkt, der ihm wichtig ist:

"Eines steht fest: Aufregung und auch der Greta-Kult allein bringen niemanden weiter. Wir brauchen Antworten, müssen den wahren Stand der Tatsachen kennen. Sollten nach der Formel suchen, mit der die Erde zu retten ist."

Diese Einleitung lässt den Leser gespannt erwarten, was der Autor nun "zum wahren Stand der Tatsachen" berichten wird. Und inwiefern der weltweite Klimastreik, den er herablassend als "Greta-Kult" bezeichnet, uns nicht weiterbringt.

Die Fronten sind bereits schon hier erkennbar: Millionen von Menschen sind Greta Thunberg unendlich dankbar dafür, dass sie als 15-Jährige den Mut aufgebracht hat, öffentlich die Untätigkeit der Politiker gegen die Klimakatastrophe anzuprangern und dass es ihr gelungen ist, nicht nur ihre Altersgenossinnen sondern auch erwachsene Menschen endlich zum aktiven Protest zu zu mobilisieren.
Indem er unsere Dankbarkeit als "Greta-Kult" abtut, demonstriert Dr. Heuser, auf welcher Seite er steht.
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Dem gesamten weiteren Beitrag von Herrn Heuser ist anzumerken, dass der Autor keine Mühe scheut, die Gefährlichkeit der Klimakatastrophe zu relativieren und das Vertrauen in die obrigkeitlichen Beruhigungs-Zeremonien wieder herzustellen. In diesem Bemühen scheut er sich nicht einmal, die Fakten ein bisschen zu manipulieren und Fehlinformationen zu verbreiten:

So verschweigt Heuser die 1,5 Grad Grenze, der in Paris auch die Bundesrepublik zugestimmt hat, und ersetzt sie durch eine von ihm selbst
erfundene "Verheerungsgrenze". Zitat: "Auch wenn die Weltgemeinschaft klimaneutral wird und die Erderwärmung unter den als Verheerungsgrenze definierten zwei Grad halten kann, hat sie noch nicht gewonnen." (S. 18, mittlere Spalte, 3. Absatz von unten)

Der Ton macht die Musik. Ernst gemeinte Forderungen werden von Heuser so dargestellt, als handele es sich um kindische Ideen, die man auch leicht auswechseln könne: "(...) es müsse halt alles erneuerbar sein. Oder beispielsweise in China auch nuklear." (S. 17 zweite Spalte, Ende des ersten Absatzes).

Was er im Wesentlichen über Windenergie zu sagen hat, beschränkt sich auf: "So schneiden Windräder nicht nur ins Landschaftsbild, sie sind
auch schwer zu entsorgen" :(S.18 mittlere Spalte, Absatz 4) Was würde er bezüglich Entsorgung denn dann wohl erst zu Atomanlagen sagen?

Solarenergie wird von ihm nur am Rande erwähnt. Den deutschen Solarboom zwischen 2000 und 2012 verschweigt er und zeigt statt dessen eine Freiflächenanlage in der Mojave Wüste. (Seite 18 ganz oben) Bildunterschrift: "Sonnenschein fast garantiert".

Der Leser soll gar nicht erst an die Notwendigkeit von Stromspeichern denken. Dass die Politik auch in dieser Angelegenheit schläft, soll er
besser nicht mitbekommen. Besonders Langzeit-Stromspeicher, die wichtigste neu in den Markt einzuführende Technik sucht man in Heusers Beitrag vergeblich.

Psychologisch geschickt, aber sachlich irreführend ist Heusers Darstellung des Klimawandels in den Zeitmaßstäben eines Fußballspiels:

"1990 hatte die Menschheit noch 60 Jahre Zeit, um klimaneutral zu werden. Jetzt sind es noch 30." (Seite 17, rechte Spalte ganz oben) "Zum Glück ist zur Halbzeit aus dem Sack noch nicht viel Gold gerieselt." Mit dem Gold, was aus einem kleinen Loch im Sack rieselt, meint Heuser die Wohlstandsverluste, die die Welt wegen Fehlern in der Klimapolitik erlitten hat.

"Die Nationen könnten den Klimawandel nach wie vor noch rechtzeitig bewältigen und auch ihren Wohlstand erhalten - ja sogar steigern.
Allerdings dürfen sie sich dabei nicht mehr viele Fehler erlauben".

Aha, Halbzeit haben wir jetzt, wie beruhigend. Dann kann sich ja noch viel ändern. Dann können wir uns ja noch getrost eine neue Flasche Bier aus dem Kühlschrank holen. Wie beim Fußball. Das IST aber auch richtig aufregend, aber ist eben doch nur ein Spiel.

Wenn Sie sich als kritischer Leser noch weiter ärgern wollen, brauchen Sie nur weiter zu lesen. Der Beitrag von Herrn Heuser ist noch lang.

Ich will jetzt allerdings zum Schluss kommen - und da wartet noch ein besonderes Bonbon auf uns alle.

Im letzten Absatz seines Beitrages wagt Heuser den folgenden Satz: "Klima könnte das größte Geschäft des 21.Jahrhunderts werden -gerade für die Deutschen, die vor 20 Jahren schon einmal führend waren bei der Umwelttechnik und der Umweltpolitik und die dann abkamen vom grünen Weg."

Wie bitte? " d i e    d a n n   a b k a m e n   v o m   g r ü n e n   W e g ". Was meint er wohl damit? Was war denn damals vor 20 Jahren?

Ach ja, 1999, vor 20 Jahren, Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 13.12.1999 wurde im Deutschen Bundestag eingebracht und im Folgejahr hat der Bundestag das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) verabschiedet, das zu einem bis dahin nie für möglich gehaltenen Wachstum der Solar- und Windenergie geführt hat, weil jeder Haus und Grundstückseigentümer Solar- oder Windanlagen errichten durfte und zwanzig Jahre lang eine staatlich festgesetzte rentable Einspeisevergütung erhielt, wenn er Solar- oder Windstrom ins öffentliche Netz einspeiste.

Bis es dann der Fossilwirtschaft und ihrer Lobby gelang, in den Jahren 2010 bis 2017 das EEG immer weiter zu verhunzen, so dass nicht nur
80.000 Arbeitsplätze in der Solarbranche verloren gingen sondern inzwischen auch noch der Windkraftausbau zum Erliegen gekommen ist.

Meine Empörung gilt aber nicht nur dem Autor, der offenbar den Anregungen der berüchtigten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) folgt. Meine Empörung gilt in besonderem Maße der Redaktion der ZEIT, die einen solchen Beitrag als Titelthema anbietet, mit einem Ressortleiter, der mit psychologischen Tricks, mit Auslassungen und sogar mit Fehlinformationen arbeitet und dem entweder die physikalischen Grundlagen zur Beurteilung der Klimakatastrophe fehlen, oder dem das Überleben der menschlichen Gesellschaft so ziemlich gleichgültig ist.