Kürzlich haben wir eine Fotostrecke über die Zerstörung des Dorfes Alt-Pier im rheinischen Braunkohletagebau-Revier Inden veröffentlicht. Diese Veröffentlichung hat eine gute Resonanz gefunden und wurde u.a auch von der Neuen Rheinischen Zeitung weiterverbreitet.

Auf der anderen Seite gab es auch zornige Reaktionen von Windkraftgegnern, die ungefähr zur gleichen Zeit auf unsere Facebook-Seite aufmerksam wurden und sie mit Kommentaren überhäuften. Einer dieser Eiferer forderte uns, garniert mit Schimpfwörtern, dazu auf, doch lieber Fotos vom Zerstörungswerk der Windräder zu veröffentlichen. Nun, das ist sicherlich nicht unsere Aufgabe. Jeder kann für sich selbst den Vergleich der Natureingriffe bei verschiedenen Energiegewinnungsformen anstellen. Selbst wenn Braunkohle nicht die klimaschädlichste Energieform überhaupt wäre, würde ein solcher Vergleich wohl zulasten dieser großflächig naturzerstörenden Tagebaugebiete ausfallen.

Was aber speziell bei der Braunkohle noch hinzu kommt, ist das Leid, das in sozialen Gemeinschaften und bei Menschen hervorgerufen wird, die mit einer Enteignung ihres Hauses und mit einer Zwangsumsiedlung konfrontiert sind. Die kleinen Tragödien, die mit diesem Verschwinden ganzer Dörfer verbunden sind, geschehen im allgemeinen abseits der großen medialen Aufmerksamkeit. Es erscheint uns wichtig, gelegentlich daran zu erinnern.

Wir freuen uns deshalb sehr, dass der Fotograf Elmar Aretz uns weitere Bilder aus seinem reichen Fundus zur Verfügung gestellt hat, von denen wir nachfolgend eine Auswahl präsentieren. Diesmal geht es um den Braunkohletagebau Garzweiler II bei Erkelenz, wo derzeit die Orte Borschemich und Immerath verwüstet werden. Aus diesen beiden Dörfern stammen die nachfolgenden Fotos. In einer dritten Fotostrecke werden wir demnächst über den Widerstand der Menschen gegen den Braunkohletagebau berichten. Gerade bei Garzweiler erscheint es nämlich keineswegs schon ausgemacht, wann und wo genau die Bagger ihr Zerstörungswerk beenden werden.

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Braunkohletagebau Garzweiler

Lage der Orte Borschemich und Immerath im Gebiet des Braunkohletagebaus Garzweiler II. Quelle: Wikipedia/Thomas Römer. CC BY-SA 2.0.

Borschemich

Borschemich ist ein Stadtteil von Erkelenz, dessen Geschichte sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen lässt. Seit 2006 werden die Einwohner umgesiedelt, seit 2012 läuft die Zerstörung der Gebäude, die bis 2016 abgeschlossen sein soll.

"Mut ist ...". Das Misereor-Plakat wurde wahrscheinlich zufällig an dieser Hauswand in Borschemich platziert. Seine Aussage muss den Dorfbewohnern aber unmittelbar eingeleuchtet haben. Ihr Kampf war zwar am Ende vergeblich, aber sie bewahrten sich so ihre Würde.
"Besucher". Parkplatz für Besucher der "RWE Power, Abteilung Umsiedlung".
Erläuterung zum vorstehenden Bild: Üblicherweise wird in den zu zerstörenden Orten ein Haus (meist ein ehemaliges, kleines Geschäft) zu einem Büro umfunktioniert, in dem die "Umsiedler" vor Ort von RWE beraten werden. Dies war auch in Borschemich der Fall. Das Büro ist aber bereits seit längerem geschlossen. Der jetzt parkende "Besucher" ist ein Abriss-Bagger.
"Türsprechanlage". Schon länger wurde hier nicht mehr geklingelt.


"Zugewachsen". Die ungezügelte Pflanzen- und Tierwelt schickt sich an, die verlassenen Gebäude in Besitz zu nehmen. Aber ihr Sieg ist von sehr kurzer Dauer ...
"Weinende Garage". Noch kurz vor dem Abriss wurde diese Garagenwand mit einem künstlerischen Kommentar versehen.
"Die Seele bleibt". Graffiti zwischen Trotz und Resignation an einer Hauswand.
"Frohes Fest"
Erläuterung von Elmar Aretz zum vorigen Bild: "Der Schein trügt. Hier wurde kein Weihnachtsfest gefeiert. Dieses Haus in Borschemich ist schon lange nicht mehr bewohnt und längst an RWE verkauft. Trotzdem haben die ehemaligen Eigentümer noch die Schlüssel und hegen und pflegen ihr ehemaliges Haus. Selbst die Stromrechnung wird noch bezahlt, um ein bewohntes Haus vorzutäuschen. Vor einigen Wochen wurde trotzdem eingebrochen und das Glas an der Haustüre zerstört. Zunächst wurde diese dann - wie üblich - mit einem Brett vernagelt. Kurze Zeit später ist die Scheibe aber dann fachmännisch ersetzt worden. Nur eine kleine Geschichte am Rande, die aber - wie ich finde - gut erkennen lässt, wie sehr man etwas liebt, das man zwangsweise aufgeben musste. 'Loslassen können' ist hier wohl das Thema ... "
"Sterne über Borschemich". Nächtliche Stimmung in dem noch teilweise bewohnten Ort.
"Rückbau"
"In Trümmern". Menschen vor den Überresten ihres Hauses.
"Im Griff der Bagger". Abrissarbeiten.

Entweihung der St.-Martinus-Kirche in Borschemich

Am 23.11.2014 wurde die Kirche St. Martinus in Borschemich entwidmet. Die nachfolgenden Bilder entstanden bei dieser Gelegenheit. Einen einfühlsamen Bericht darüber brachte damals auch die Aachener "Lokalzeit" des WDR.

Borschemich Kirchentweihung 1 In ihren Vereinstrachten stellen die Borschemicher sich zum Einzug in die Kirche auf.
Borschemich Kirchentweihung 2 Auszug aus der Kirche nach vollzogener Entwidmung.
Borschemich Kirchentweihung 3 Die sakralen Gegenstände wurden in einer Prozession zur Kirche des benachbarten Ortes Keyenberg gebracht. Auch dieser soll in einigen Jahren dem Tagebau zum Opfer fallen.
Borschemich Kirchentweihung 4 In den Körben liegen als Andenken Steine, die aus den Mauern von St. Martinus herausgestemmt wurden.

Immerath

Der Ort Immerath wurde im Hochmittelalter gegründet und ist heute ebenfalls ein Ortsteil von Erkelenz. 2013 begann der Abriss. Von den ehemals etwa 1500 Einwohnern sind heute nur noch wenige übrig.

Immerath 002 "Ortskern". Im Hintergrund der im Volksmund wegen seiner Größe sogenannte "Immerather Dom". Vorne ein ehemaliges Einzelhandelsgeschäft, mittlerweile völlig mit Spanbrettern vernagelt.
Immerath 007 "Am Kreuz"
Immerath 011 "Immerather Mühle". Ein Wunsch der Dorfbewohner war es immer, dieses Wahrzeichen mit zum Umsiedlungsort "Neu-Immerath" zu nehmen. Zunächst gab es seitens RWE positive Signale. Mittlerweile aber ist die Mühle in einem derart desolaten Zustand, dass sich für RWE dieses Problem wohl 'von selbst gelöst' hat.
Immerath 012 "Toter Friedhof". Auch die Toten müssen dem Bagger weichen; sie werden umgebettet. Die umzubettenden Grabstätten werden vorher mit Holzpfählen markiert.
Immerath 015 "Sicherungsmaßnahmen". Wer noch in Immerath wohnt, lebt in ständiger Angst vor Einbrechern und Vandalen.
Immerath 019 "Baustelle". Der "Immerather Dom" ist kein Sakralbau mehr, sondern eine "Baustelle". Die Kirchenglocken wurden bereits entfernt.
Immerath 020 "Schaukel". Auf dem Spielplatz in Immerath.

Die Bilder, von denen wir hier nur eine Auswahl zeigen, machen eines ganz deutlich: Die menschlichen Tragödien, die sich aus dieser nutzlosen, schädlichen Form der Energiegewinnung - dem Braunkohletagebau - ergeben, bestehen nicht nur in dem schieren Sachverhalt des Verlusts der Heimat. Dies ist für die meisten wohl schlimm genug. Hinzu kommt jedoch das jahrelange Schweben zwischen Bangen und Hoffen; die Aufspaltung der Gemeinschaft in jene, die die Entschädigungsangebote der Braunkohlefirmen als erste annehmen und ihren Ort verlassen, und jene, die bis zum Schluss bleiben; die zunehmende Angst der verbliebenen Einwohner in einem mehr und mehr zum Geisterdorf sich verwandelnden Ort, wo man nicht mehr seine Nachbarn, sondern allenfalls Schaulustige, vielleicht auch Vandalen, meist aber keine Menschenseele mehr trifft. Dieser traurige, empörende Prozess zieht sich in jedem betroffenen Dorf über einige Jahrzehnte. Für diese sozialen Tragödien gibt es keine Entschädigung. Man bräuchte schon sehr gute Gründe, um die existenziellen Interessen tausender Menschen derart zu verletzen. Solche Gründe haben RWE (oder die entsprechenden ostdeutschen Braunkohleförderer wie Vattenfall) auch nicht ansatzweise.