Auf mein vorab im Internet veröffentlichtes Editorial - Anzeige wegen Klimawandel - erhielt ich neben vielen zustimmenden auch einige besorgte Reaktionen. Diese waren nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Ich gehe aber davon aus, dass es sinnvoll ist, auf die dort geäußerten Gedanken einzugehen.

Hauptziel meines Editorials ist es, dass erheblich mehr für die Einführung der Erneuerbaren Energien getan werden muss. Aber es geht mir auch um eine rechtsphilosophische Aufarbeitung, zu der ich als Nichtjurist nur einige grundsätzliche Gedanken beitragen will.

Wir erleben in Bezug auf die Beurteilung der Klimagefahren in den Köpfen der Menschen leider eine merkwürdige Umkehrung der Beweislast, der auch wir uns nicht ganz entziehen können. Es wird von uns verlangt, dass wir im juristischen Sinne zweifelsfrei und im naturwissenschaftlichen Sinne schlüssig beweisen, dass die energetische Nutzung von fossilen Energien zur Klimakatastrophe führt. Und wir sollen möglichst auch noch angeben, wann und wie sie sich in etwa auswirken wird. Zur Lösung dieser praktisch unlösbaren Aufgabe werden in Hunderten von Forschungseinrichtungen weltweit Milliarden ausgegeben und von Monat zu Monat steigt die Gewissheit, dass wir auf dem Weg in ein ungeheures Verderben sind. Dennoch gibt es aber immer noch Klimazweifler, die die Forschungsergebnisse aus diesem oder jenem Grund nicht vollständig anerkennen wollen.

Bei einem so komplizierten naturwissenschaftlichen Thema ist ein endgültiger Beweis nicht möglich. Denn den letzten Beweis kann nur ein Experiment im Maßstab 1:1 liefern. Dieses Experiment wird schon seit Jahrzehnten durch die Energiewirtschaft gegen unseren Willen bedenkenlos durchgeführt. Es ist höchste Zeit, dieses Experiment abzubrechen!

Beweisen Sie das erst einmal, fordern die Vertreter der Energiewirtschaft, wenn sie sich überhaupt auf eine derartige Diskussion einlassen.

Aber warum müssen eigentlich WIR den Beweis führen? Die ganze Situation spricht für eine Umkehrung der Beweislast.
1. Es gibt schwerwiegende Indizien dafür, dass die energetische Nutzung fossiler Energien das Klima nachhaltig schädigt mit unabsehbaren schlimmen Folgen für das Überleben von Milliarden von Menschen.
2. Es gibt Erneuerbare Energien, die die Nutzung fossiler Energien überflüssig machen können.
3. Der einzige Vorbehalt gegenüber den Erneuerbaren Energien (der zudem nicht einmal stimmt) besteht heutzutage nur noch darin, sie seien zu teurer.

Wer unter diesen drei Voraussetzungen weiterhin auf der Nutzung der fossilen Energien besteht, müsste seinerseits beweisen, dass die Befürchtungen der Klimaforscher im IPCC falsch sind und die Nutzung der fossilen Energien das Klima NICHT schädigt. Da er das nicht kann, muss er sich vorwerfen lassen, dass er grob fahrlässig das Überleben einer nicht unbeträchtlichen Zahl von Menschen hochgradig gefährdet.

Damit wäre die Beweislast umgedreht, sozusagen vom Kopf auf die Füße gestellt. Das wäre übrigens nichts Ungewöhnliches. Im Bereich der Ingenieurwissenschaften ist es selbstverständlich, dass z.B. eine Brücke, an deren Standfestigkeit Zweifel bestehen, gesperrt wird, auch ohne dass der Gutachter beweisen muss, dass sie auf jeden Fall einstürzen wird. Hier gilt das Vorsorgeprinzip.
Und sogar im Strafrecht gibt es im 28. Abschnitt - Gemeingefährliche Straftaten (§§ 306 - 323c) verschiedene Bestimmungen, die Freiheitsstrafen androhen, wenn durch bestimmte Tätigkeiten oder Unterlassungen Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert nur gefährdet werden.

Die Justiz verurteilt also nicht erst, wenn es wirklich zu einem Unfall kommt, sondern wird bereits strafend tätig, wenn es eine bloße Gefährdung gibt.

Mir liegt es natürlich ferne, nun diejenigen zur Anzeige zu bringen, die „mit dem Auto zum Briefkasten fahren“, aber es geht mir um eine Überarbeitung oder Aufhebung solcher Gesetze, die dazu führen, dass der Normalbürger und die Wirtschaftsführer klimaschädigende Aktivitäten entwickeln, die nicht lebensnotwendig sind oder durch weniger klimaschädliche Aktivitäten ersetzt werden können. So führt z.B. die Steuerbefreiung für Flugkraftstoffe dazu, dass die klimaschädigenden Luftreisen immer weiter zunehmen. Oder die Privilegierung der fossilen Energiewirtschaft führt dazu, dass immer noch neue Kohlekraftwerke und Braunkohlegruben errichtet werden können. Es gibt etliche Gesetze, die den weiteren CO2-Ausstoß und damit eine weitere Schädigung der Atmosphäre begünstigen.
Den Rahmen, der angibt, welche Gesetze zulässig und welche unzulässig sind, finden wir im Grundgesetz:

Artikel 2 Absatz 2: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“

Artikel 14 Absatz 2: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Artikel 14 Absatz 3: „Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.“

Artikel 19 Absatz 2: „In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.“

Deshalb ist zu prüfen, ob nach den neuen Erkenntnissen der Klimaforscher der Betrieb von fossilen Kraftwerken überhaupt noch dem Wohle der Allgemeinheit dient. Falls diese Frage verneint wird, wären alle Gesetze zur Privilegierung der fossilen Energien verfassungswidrig, z.B. die Enteignung von Grund und Boden zur Braunkohleförderung.

Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist anzumahnen. Die Zeit dafür ist reif. Die öffentliche Diskussion dieses Themas könnte manche Menschen aufrütteln, die derzeit das Thema Klimagefährdung noch überhaupt nicht wahrgenommen haben. (vF)