Es geht um das Ausbautempo der Solarenergie

Alle wollen eine Umstellung der Energieversorgung auf Erneuerbare Energien. Die Photovoltaik soll mit dabei sein. Doch über das richtige Ausbautempo herrscht Uneinigkeit.

Bild 1 Gegensatz zwischen dem beschlossenen und dem vom SFV gewünschten Ausbautempo

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Die Grafiken stellen das jetzt beschlossene PV-Ausbautempo (links) dem möglichen Ausbautempo (rechts) gegenüber.
Außerdem herrscht Uneinigkeit bezüglich der Instrumente, mit denen das angestrebte Ausbautempo erreicht werden soll. So gibt es drei Gruppen mit unterschiedlichen Strategien:

1a) Die "Solarplaner" mit der Forderung nach einem strikten Ausbaudeckel. In dieser Gruppe finden sich im Wesentlichen die Gegner des solaren Ausbaus.

1b) Die "Solarplaner" mit der Forderung nach einer Steuerung des Ausbautempos mit Hilfe der Einspeisevergütung. Diese Auffassung wird vom Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) mitgetragen sowie von Bündnis 90 / Die Grünen (Bundestagsdrucksache 17/1611).

2) Die Befürworter eines sich selbst regelnden logistischen Wachstums der Solarenergie ohne bremsende Eingriffe. Diese Auffassung wird vom SFV vertreten, von einigen Solarvereinen, weitgehend von Eurosolar, von der ÖDP sowie der Linkspartei (siehe Bundestagsdrucksache 17/1144).

Mit der Bundestagsentscheidung vom 24.02.2011 ist der Machtkampf vorläufig zugunsten der Gruppe 1b entschieden. Das Ausbautempo soll durch dosierte Verminderung der Einspeisevergütung von 7,4 GWp im Jahr 2010 bis auf 3,5 GWp jährlich reduziert werden.
Wie stark das Ausbautempo bereits in der Vergangenheit von der Einspeisevergütung abhing, zeigt Bild 2.

Die Einführung neuer Degressionsregeln (bevor der für 2011 zu erwartende Erfahrungsbericht zum EEG vorliegt) bedeutet zudem einen Verstoß gegen die Regel, dass man neue Experimente erst dann beginnen soll, wenn das vorangegangene Experiment ausgewertet ist.

Bild 2 Absenkung der Einspeisevergütung und die Folgen



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Die Strategie des SFV

Die Kritik des SFV an den zusätzlichen Absenkungen der Einspeisevergütung wird nur verständlich, wenn vorher die Auffassung des SFV über eine sinnvolle Solarförderung kurz dargestellt wird:
Der SFV wünscht - angesichts des galoppierenden Klimawandels, angesichts der furchtbaren Erfahrungen in Japan und der Anhäufung weiteren radioaktiv strahlenden Atommülls - ein möglichst schnelles Wachstum der Solarenergie entsprechend der Leistungsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft. Dies hat oberste Priorität gegenüber allen anderen Zielen.
Der SFV will deshalb den Ausbau der Solarenergie weder deckeln noch bremsen, sondern jede sich bietende Chance zur Beschleunigung des Ausbaus nutzen.

Die Einspeisevergütung ist nach Ansicht des SFV die wichtigste Kapitalquelle für den Umbau der Energiewirtschaft. Sogar das der Energiewirtschaft nahestehende Arrhenius-Institut für Energie- und Klimapolitik spricht in bildhafter Ausdrucksweise davon, dass die Solarstromvergütung das "Gaspedal der Energiewende" sei.
Obwohl der SFV ein schnelles Ausbautempo wünscht, hält er eine geringe, jährlich gleiche, Absenkung der Einspeisevergütung um 5 Prozent jeweils zum 15. Dezember aus psychologischen Gründen für notwendig. Dem Bürger soll deutlich werden, dass hier eine neue Stromgewinnungstechnik aufgebaut wird, die nicht - wie alle anderen Energietechniken - von Jahr zu Jahr teurer, sondern die von Jahr zu Jahr billiger wird. Die vorgeschlagenen 5 Prozent haben den Vorteil, dass der Anreiz zum Bau neuer Anlagen am Tag des Übergangs zur neuen Vergütungshöhe kaum geringer wird. Wer den Zeitpunkt der Vergütungsabsenkung verpasst, erhält zwar eine um 5 Prozent verminderte Einspeisevergütung, aber die Laufzeit der Vergütung ist um ungefähr 5 Prozent länger, da Anlagen mit Betriebsbeginn nach dem 1. Januar noch den "Rest" des Jahres bis zum 31. Dezember zusätzliche Vergütungsdauer haben.
Die Sorge, dass es bei solchen günstigen Bedingungen zu einem ungebremsten Wachstum kommt, hat der SFV nicht, weil der zu erwartende Boom der Photovoltaik von selbst durch Verknappung der Gebäude- und Lärmschutzflächen wieder abflauen wird. Bei ungestörter Entwicklung wird sich in der Tendenz eine logistische Wachstumsfunktion ergeben, wie sie Bild 3 zeigt. Hierzu sind keine zusätzlichen steuernden Impulse notwendig, die Förderbedingungen brauchen nicht verändert zu werden.
Bild 3 Natürliches Wachstum –> logistische Wachstumsfunktion

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Die Erfahrung von Jahrhunderten zeigt, dass natürliche Wachstums-Vorgänge – sofern sie nicht durch Katastrophen unterbrochen werden – etwa einem Zeitverlauf folgen, wie ihn die logistische Wachstumskurve beschreibt. Die Sättigung der Haushalte mit Fernsehern oder Handys, mit Computern usw., sogar das Wachstum der Menschheit ist etwa diesem Verlauf gefolgt. Bild 3 deutet an, wie ohne steuernden Eingriff das Wachstumstempo zunächst zunehmen würde, um dann später, wenn die nutzbaren Dach-, Fassaden- und Lärmschutzflächen für PV-Anlagen knapp werden, wieder von alleine abzunehmen.

Stellungnahme des SFV zur weiteren Gängelung des solaren Wachstums

Der SFV hält die bisherigen Bundestagsenscheidungen zur Einführung zusätzlicher Vergütungsabsenkungen mit dem Ziel, ein bestimmtes Wachstumstempo zu erzielen für falsch – in Hinsicht auf Klimapolitik, Energiepolitik, Industriepolitik und Beschäftigungspolitik.
Insbesondere wird die geplante Reduzierung des Ausbautempos auf weniger als die Hälfte gegenüber dem Jahr 2010 das deutsche Solarhandwerk schwer treffen. Mehr als die Hälfte der bisher getätigten Investitionen der Installationsbetriebe in Personal, Ausbildung, Werkstattausstattung und Montagegeräte werden dann zukünftig nicht mehr benötigt, sind "stranded investments".
Außerdem macht der SFV darauf aufmerksam, dass auch durch eine dosierte Änderung der Einspeisevergütung kein gleichmäßiges Ausbautempo erreicht werden kann, aus zwei Gründen:
Einmal hängt das Ausbautempo der Photovoltaik nicht nur von der Höhe der Einspeisevergütung ab, sondern auch von vielen weiteren unvorhersehbaren nationalen und globalen Ursachen. Zum anderen kann es wegen der unvermeidbaren Totzeitglieder in der Regelungskette zu einem Stop and Go im deutschen Solarhandwerk führen, (ähnlich dem in der Volkswirtschaftslehre berüchtigten "Schweinezyklus"). Durch das "Stop and Go" werden dann auch weiterhin Investitionen in Ausbildung des Personals, Verbesserung der Werkstattausstattung usw. vernichtet, können zumindest nicht voll genutzt werden. Der einzige gewünschte Zweck, Geld zu sparen, wird also überhaupt nicht erreicht.
Die Vorstellung, man könne eine völlig neue Energieversorgung ohne vorübergehende deutliche Mehrkosten gegenüber der bisher bestehenden bereits langjährig etablierten und abbezahlten Energieversorgung errichten, scheint uns, nicht realistisch.
Es ist vorhersehbar, dass der spätere Ausbau der PV später umso höhere Anreize brauchen wird, je mehr sich die Solarinstallateure angesichts der knappen Renditen jetzt die günstigeren Großanlagen herauspicken.
Auch vom Endziel her lehnen wir die Verminderung des vorgesehenen Wachstums auf gleichbleibende 3,5 GWp pro Jahr ab, denn so wird die PV bis zum Jahr 2030 nur etwa 10 Prozent des jetzigen Strombedarfs erreichen. Siehe dazu die linke Grafik in Bild 1. So würde das mögliche Potential der PV in Deutschland nicht genutzt.