Zustimmung: Erneuerbarer Strom für Afrika - Ablehnung: Verkauf von Grundlaststrom nach Europa
Eine Stellungnahme des SFV zum Projekt Desertec
Der SFV begrüßt alle Anstrengungen, auch (Nord-)Afrika vollständig mit Strom aus Sonne und Wind zu versorgen.
Der SFV wendet sich jedoch energisch gegen das Desertec-Projekt, solange es von den Befürwortern mit dem Argument vorangetrieben wird, man könne so Deutschland preiswert und sicher mit Erneuerbarem Strom aus Nordafrika beliefern. Die Grundannahmen hierzu sind sachlich falsch und lenken die Hoffnungen und die politischen Anstrengungen in eine falsche Richtung.
Bei einer zukünftigen Vollversorgung Deutschlands (und Europas insgesamt) mit Erneuerbaren Energien kann Desertec in der geplanten Form keine Rolle spielen. Es kommt zu gleich mehreren Zielkonflikten:
1. Import von Grundlaststrom kollidiert mit hiesiger Eigenerzeugung:
Die Befürworter von Desertec stellen die Grundlastfähigkeit der Desertec-Anlagen heraus. Sie argumentieren, die solarthermischen Anlagen mit Wärmespeicher wären in der Lage, auch nachts zuverlässig Strom zu liefern. Es ist geplant, konstant eine Menge von ca. 15% des in Deutschland verbrauchten Stroms zu liefern. Die Wirtschaftlichkeit der dazu notwendigen Investitionen ist jedoch nur gegeben, wenn diese Strommenge auch zuverlässig abgenommen wird. Damit werden aber wie auch durch noch existierende nicht regelbare Atom- oder Braunkohlekraftwerke unsere Erneuerbaren Erzeugungskapazitäten ausgebremst und müssten an sonnigen und windigen Tagen abgeregelt werden, um Platz für den Desertec-Strom im Netz zu lassen.
2. Import von Spitzenlaststrom kollidiert mit nordafrikanischer Eigenversorgung:
In Zeiten einer zeitweiligen Unterversorgung in Deutschland (wenn die Sonne nicht scheint und nur wenig Wind weht) benötigt Deutschland nicht Grundlast- sondern Spitzenlaststrom. Es müsste eine sehr große Strommenge über lange und sehr teure Leitungen aus Nordafrika importiert werden. Damit wäre womöglich die Selbstversorgung Nordafrikas gefährdet und der Leitungsbau müsste zudem auf Spitzenlasten ausgelegt werden, was nach unserer Einschätzung unwirtschaftlich ist.
3. Importabhängigkeit und mangelnde Robustheit der Stromversorgung:
Der Import von Desertec-Strom würde die Abhängigkeit Europas von fossilen Quellen (z.B. in Russland und im Nahen Osten) auf Nordafrika umlenken. Ein nennenswerter Teil des benötigten Stroms würde beständig aus politisch unsichereren Regionen importiert, mit allen Folgen der Erpressbarkeit und der Anfälligkeit für Sabotage und terroristische Angriffe, insbesondere auf die Fernleitungen.
Grundsätzlich gilt:
Die Übertragung von zeitweilig überschüssigem Spitzenleistungen über Fernleitungen ist mit zunehmender Länge der Leitungen und der Auslegung auf hohe Spitzenlasten unwirtschaftlich. Wirtschaftlicher ist die Übertragung einer gleichmäßigeren und dafür niedrigeren Leistung, wenn der Strom aus Leistungsspitzen möglichst nahe am Ort ihrer Entstehung verbraucht oder über Speicher gepuffert wird.
Wegen der absehbar sehr hohen Kapitalkosten allein der nach Europa zielenden Leitungen des Desertec-Projekts erscheint aus wirtschaftlichen Erwägungen eine Auslegung auf einen Grundlast-Stromtransport als einzig sinnvolle Alternative. Damit ist Desertec aber inkompatibel mit der zukünftigen europäischen Stromerzeugung, die eine schnelle und flexible Reaktion auf volatile Erneuerbare Energien erfordert.
Die Gründe, die der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) gegen eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke und gegen neue Kohlekraftwerke angeführt hat, gelten damit sinngemäß auch für Desertec.
WvF und AS