Trotz des Wegfalls zusätzlicher Vergütungen in der PV-Novelle 2012 überzeugen die ökonomischen Vorteile des Eigenverbrauchs weiterhin viele Investoren.

Der Grund hierfür liegt klar auf der Hand: Die Vergütungen für Solarstrom sinken stetig (siehe http://www.sfv.de/lokal/mails/sj/verguetu.htm) und die Strombezugspreise steigen rasant. Damit trägt jede eigenverbrauchte Kilowattstunde Solarstrom direkt zur Verminderung der Stromrechnung bei. Im Dezember 2012 beträgt der finanzielle Vorteil bei Anlagen bis 10 kW z.B. durchschnittlich 2,8 Ct/kWh je eigenverbrauchter Kilowattstunde.

PV-Novelle 2012: Allgemeines zum Marktintegrationsmodell

In § 33 (1) EEG 2012 limitiert der Gesetzgeber nun die vergütungsfähige Strommenge bei Solarstrom-Gebäudeanlagen mit einer Gesamtleistung von über 10 kW auf 90 % der Erzeugung pro Jahr. Speist der Anlagenbetreiber mehr als 90 % des erzeugten Solarstroma in das öffentliche Stromnetz, muss die überzählige Strommenge vom Netzbetreiber nur noch mit dem gemittelten Marktwert des Stroms abgegolten werden.

Bei Anlagen über 10 kW im Zusammenhang mit der 90-Prozent-Beschränkung im „Marktintegrationsmodell“ wird Investoren schnell klar, dass der Eigenverbrauch des Solarstroms und damit die Einsparung des sonstigen Strombezugspreises mit zunehmender Größe der Anlage an Grenzen stößt. Je größer die Anlage, desto schwieriger wird es, 10 % des erzeugten Stroms selbst zu verbrauchen. Für den überzählig ins Netz eingespeisten Solarstrom erhält der Anlagenbetreiber nur noch einen gemittelten Marktwert. Dieser beträgt derzeit ca. 4,3 Ct/kWh. Was tun?

Zunächst bestünde theoretisch die Möglichkeit, Speicher zu integrieren, um den Solarstrom sonnenstunden-unabhängig verbrauchen zu können. Leider sind die Zugewinne des Eigenverbrauchs jedoch noch immer zu gering, um Stromspeicher durch den finanziellen Ertrag der Solaranlage bezahlen zu können. Energiepolitisch dringend notwendige Investitionen in Stromspeicher können damit kaum angestoßen werden.

Solarstrom-Eigenverbrauch durch Dritte in unmittelbarer räumlicher Nähe

Um den Eigenverbrauch zu erhöhen und damit einer Vergütungskürzung zu entgehen, suchen Anlagenbetreiber nach Auswegen. Der Gesetzgebers bietet hier an, den Strom auch an Dritte in unmittelbarer räumlicher Nähe zur Anlage – allerdings nur über private Stromleitungen – liefern zu können. Leitsatz des Empfehlungsverfahrens 2011/2 der Clearingstelle EEG: "Ein Verbrauch in „unmittelbarer räumlicher Nähe“ erfolgt dann, wenn der in der Solarstromanlage erzeugte Strom nicht über ein Netz für die allgemeine Versorgung zu der oder dem Dritten gelangt. Von einem Verbrauch in „unmittelbarer räumlicher Nähe“ ist nur dann nicht mehr auszugehen, wenn sich der Netzverknüpfungspunkt der Solarstromanlage und die Anschluss-/Entnahmestelle der bzw. des Dritten, über die diese bzw. dieser im Übrigen mit Strom versorgt wird, nicht innerhalb desselben Netzbereiches im Netz für die allgemeine Versorgung befinden. Den maßgeblichen Netzbereich stellen dabei alle zusammengehörigen Netzabschnitte einer Spannungsebene dar."

Mietgenossenschaften oder Besitzer von Mietobjekten diskutieren nun darüber, ob die Bewohner/Nutzer des Hauses mit Solarstrom versorgt werden könnten. Aber auch Betreiber von PV-Anlagen auf fremden Dächern möchten ihre Anlage so realisieren, indem sie Hausbesitzern anstelle einer Dachmiete den Solarstrom zur Verfügung stellen.

Zunächst muss geklärt werden, ob der Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zum Erfolg steht.
Der Verkauf an Dritte ist aufwändig und geht nicht ohne umfangreiche Vorbereitungen, Verwaltungsaufgaben und Zusatzkosten einher:

1. Stromlieferverträge

Zunächst müssen Stromlieferverträge mit dem zu beliefernden Dritten formuliert werden. Dabei ist zu empfehlen, juristische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die auf Rechtsfragen im Bereich erneuerbare Energien spezialisierte Anwältin Frau Margarete von Oppen schrieb hierzu: „Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind so komplex, dass es kaum möglich ist, Selbstverbrauchsmodelle rechtssicher zu gestalten. Deswegen tun sich auch Banken mit der Finanzierung schwer, vor allem bei kleineren Anlagen.“ Bei jedem Projekt sind andere Randbedingungen zu erwarten: Ob der zu beliefernde Gewerbebetrieb, die Mieter im Haus, der nette Nachbar von nebenan oder die Eltern im gemeinsam genutzten Haus – die Verträge sollten maßgeschneidert werden. Die Stromlieferung muss mit Klarstellungen und Regelungen z.B. zur Angebotsstruktur (eine Kontinuität der Lieferung kann i.d.R. nicht zugesichert werden), zu den Solarstrom-Bezugskosten, zur Abschlagszahlung und zu Zeitpunkten der Endabrechnung, zu Verantwortlichkeiten, Haftungsfragen und zu Kündigungsmöglichkeiten unterfüttert werden. Nach § 309 Nr. 9 BGB sind nach unserer Kenntnis nur Zweijahresverträge möglich.

2. Private Leitung zum Verbraucher

Wenn noch keine private Leitung zu dem Solarstromverbraucher existiert, müssen neue Kabel verlegt werden. Das öffentliche Netz – auch wenn bereits vorhanden – darf nicht genutzt werden. Werden neue Stromkabel von Privathand auf kommunalem Grund verlegt, muss mit der Gemeinde über Pachtzahlungen verhandelt werden.

3. Zusätzliche Zähleinrichtungen

Die Abrechnung des zu liefernden Solarstroms kann nur dann exakt erfolgen, wenn zusätzliche Zähleinrichtungen eingebaut werden. Je mehr Verbraucher, desto umfangreicher die Zählsysteme. Will man z.B. öffentlichen Einrichtungen (z.B. Schulen), die häufig Sondervertragskonditionen mit dem kommunalen Energieversorger vereinbart haben, maximal 10 Prozent des erzeugten Solarstroms verkaufen und ansonsten die kaufmännisch-bilanzielle Durchleitung (§ 8 (2) EEG 2012) nutzen, könnten kostenintensive Messungen im ¼ h-Takt notwendig werden.

4. Abrechnungsaufwand

Der Solarstromlieferant sollte die Höhe der Abschlagszahlungen bestimmen und die Jahresendabrechnungen durchführen. Diese Abrechnungen - je nach dem - wieviele Solarstromkunden belefert werden, ist nicht zu unterschätzen. Nimmt der Anlagenbetreiber am Umsatzsteuerverfahren teil, schließt sich eine Umsatzsteuerabrechnung gegenüber dem Finanzamt an.

5. Wie hoch sollte der Preis mindestens sein

Zunächst ist festzuhalten, dass es über die Mindesthöhe des Solarstrompreises zur Abgabe an einen Dritten keine gesetzlichen Bestimmungen gibt. Der Solaranlagenbetreiber kann also den Preis in Rechnung stellen, den er für kostendeckend hält.

Dieser Preis sollte im Stromlieferungsvertrag festgehalten werden.

Der allgemeine Strombezugspreis setzt sich in der Regel aus Grundpreis, Arbeitspreis, Netznutzungsentgelt, Stromsteuer, Konzessionsabgabe, EEG- und KWK-Umlage sowie Umsatzsteuer zusammen. An welche Rechnungspositionen muss der Anlagenbetreiber denken, wenn er den Solarstrom an einen Dritten verkauft?

Arbeitspreis?
Der Arbeitspreis könnte mindestens genauso hoch sein wie die Netzeinspeisevergütung nach EEG.

Grundpreis?
Wenn Solaranlagenbetreiber die Kosten für Verwaltung (Abrechnung, Steuerberatung, Rechtsberatung, Wartung) sowie die Kosten für zusätzliche Zähleinrichtungen anteilig auf den Letztverbraucher des Solarstroms umzulegen wollen, können sie dies zum Beispiel über einen Grundpreis organisieren.

Umsatzsteuer?
Wenn der Anlagenbetreiber am Umsatzsteuerverfahren teilnimmt, muss er dem Solarstrom-Letztverbraucher die Umsatzsteuer in Rechnung stellen und später an das Finanzamt weiterreichen. Wie genau sich das umsatzsteuerliche Verfahren beim Eigenverbrauch nach der PV-Novelle 2012 gestaltet, wird allerdings derzeit noch vom Bundesfinanzministerium geprüft.

Netznutzungsentgelt?
Netznutzungsentgelte werden von Netzbetreibern für den Transport und die Verteilung der Energie erhoben. Da das allgemeine Versorgungsnetz beim Eigenverbrauch durch Dritte in unmittelbarer räumlicher Nähe zur Anlage nicht genutzt wird, fallen auch keine Netznutzungsentgelte an und müssen demnach NICHT in Rechnung gestellt werden.

Stromsteuer?
Die Stromsteuer muss nicht eingezogen werden, denn laut § 9 (1) Nr. StromStG ist Strom aus Erneuerbaren Energien von der Stromsteuer befreit, wenn dieser aus einem ausschließlich aus solchen Energieträgern gespeisten Netz oder Leitung entnommen wird.

Konzessionsabgabe?
Die Konzessionsabgabe entfällt, da diese in Verbindung mit der Netzgebühr erhoben wird (§ 1 Konzessionsabgabenverordnung - KAV). Wenn öffentlicher Grund z.B. durch einen privaten Leitungs(neu)bau beansprucht wird, könnten ggf. Pachtgebühren fällig werden.

EEG-Umlage?
Gemäß der Ausgleichsmechanismusverordnung (AusglMechV) müssen Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) für jede an Letztverbraucher gelieferte Kilowattstunde Strom eine EEG-Umlage an die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) entrichten. Diese EEG-Umlage wird auf den Strompreis aufgeschlagen. Damit soll die Differenz aus den Einnahmen und den Ausgaben der Übertragungsnetzbetreiber bei der EEG-Umsetzung beglichen werden. Nach § 37 (3) EEG 2012 „Vermarktung und EEG-Umlage“ stehen Letztverbraucherinnen und Letztverbraucher Elektrizitätsversorgungsunternehmen gleich, "wenn sie Strom verbrauchen, der nicht von einem Elektrizitätsversorgungsunternehmen geliefert wird"

Ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom 09. Dezember 2009 (VIII ZR 35/09) bestätigte, dass Strommengen, die in nicht öffentlichen Stromnetzen (Objektnetze z. B. in Mehrfamilienhäusern, Industriebetrieben o.ä.) durch eine andere juristische oder natürliche Person verbraucht werden, EEG-pflichtig sind. Damit werden Anlagenbetreiber, die in diesen Netzen Strom anbieten, als Lieferant im Sinne des EEG betrachtet. Sie sind verpflichtet, ihren Stromabsatz an Letztverbraucher bei dem regelverantwortlichen ÜNB zu melden und für diesen die EEG-Umlage zu entrichten.

Anlagenbetreiber sollten auf Grund dieser Tatsache von dem belieferten Dritte für jede verbrauchte Kilowattstunde Solarstrom die EEG-Umlage einfordern, um sie dann an den ÜNB weiterzureichen. Nach § 49 EEG 2012 müssen sie dem ÜNB die gelieferte Energiemenge elektronisch mitteilen und bis zum 31. Mai die Endabrechnung des Vorjahres vorlegen. Einige ÜNB bieten auf ihren Internetseiten eine Anmeldung an (z.B. Tennet über (http://www.tennettso.de/site/EEG_KWK-G/eeg/eeg-kwk-g-portal). Wird eine solche Anmeldemaske nicht angeboten, sollte man sich schriftlich an den Übertragungsnetzbetreiber wenden.

Verminderung der EEG-Umlage nach dem Grünstromprivileg:
Unter https://www.eeg-kwk.net/de/Grünstromprivileg.htm sollten Anlagenbetreiber bereits vor Lieferung des Strom an Dritte eine Verminderung der EEG-Umlage beantragen, um nach Anwendung des Grünstromprivilegs (§ 39 (3) EEG 2012) eine Reduzierung um 2 Ct/kWh wirksam werden zu lassen (z.B. 2013: 5,28 Cent abzüglich 2 Cent Grünstromprivileg = 3,28 Cent). Der Antrag muss vor Beginn des vorangegangenen Kalendermonats (z.B. bis Ende November für eine Inanspruchnahme ab Januar) eingehen (siehe § 39 (3) Nr. 2 EEG 2012). Versäumt der Anlagenbetreiber diese Frist, wird für den entsprechenden Zeitraum die gesamte EEG-Umlage fällig. Somit ist dringend davon abzuraten, erst rückwirkend abwickeln zu wollen.

Solarstromlieferanten müssen sich ggf. zur Kontrolle des EEG-Umlageverfahrens nach § 50 EEG 2012 auf Wunsch des Netzbetreibers oder EVU einer Testierung durch einen Wirtschaftsprüfer unterziehen. Hier ist allerdings angedacht, eine Bagatellgrenze einzuführen, um den operativen Aufwand zu verringern. Entweder werden generelle Befreiungen zur Testierung erteilt oder Einzeltestate gefordert.

Der Solarstromlieferant ist nach § 51 EEG 2012 auch dazu verpflichtet, die Bundesnetzagentur über die gelieferte Strommenge und damit über die gezahlte EEG-Umlage zu informieren. Hier könnte ggf. der regelverantwortliche Übertragungsnetzbetreiber behilflich sein. Ob die nach § 52 EEG 2012 notwendige Internetveröffentlichung auf Grundlage einer Bagatellgrenze entfällt, ist auch noch nicht sicher. Die Praxis wird in den nächsten Monaten zeigen, wie hier verfahren wird.


KWK-Umlage?
Der Unterschied zwischen EEG und KWK bzgl. des Wälzungsmechanismus besteht darin, dass die EEG-Umlage auf den gelieferten Strom aufgeschlagen, der KWK-Aufschag allerdings auf die Netznutzungsentgelte addiert wird (siehe § 9 Abs. 7 KWKG 2002). Eine KWK-Umlage wird also nur dann erhoben, wenn der Solarstrom durch ein öffentliches Netz fließt. Dies ist bei dem Verbrauch durch Dritte in unmittelbarer räumlicher Nähe zur Anlage nicht der Fall.

Um keine finanziellen Verluste in Kauf nehmen zu müssen, sollten Anlagenbetreiber einem Dritten
(a) mindestens die Netzeinspeisevergütung des Solarstroms
(b) die anteilmäßige Umlage zusätzlicher Ausgaben z.B. für Zähler, höheren Abrechnungsaufwand, Steuerberatung,Wartung
(c) die Umsatzsteuer
(d) die EEG-Umlage
in Rechnung stellen.