Die Agora-Studie vom September 2014

Hier finden Sie die Studie

 

Inhaltsverzeichnis zur folgenden Diskussion

 

Brief von Wolf von Fabeck, Geschäftsführer des SFV, an Herrn Dr. Patrick Graichen, Direktor der Agora Energiewende

Anschreiben

Sehr geehrter Herr Dr. Graichen

zu Beginn möchte ich mich kurz vorstellen: Ich bin seit 1986 Geschäftsführer im Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV), der in den Jahren vor 2000 das kommunale Programm „kostendeckende Vergütung für Solar- und Windstrom“ initiiert hat. Dieses Programm wurde in über 40 deutschen Städten eingeführt und stellte sozusagen eine Generalprobe für das bundesweite EEG dar. Seitdem hat sich der SFV immer wieder für eine vollständige Umstellung auf Erneuerbare Energien im nationalen Rahmen eingesetzt, weil wir davon ausgehen, dass jeder Staat zunächst einmal im eigenen Bereich das Notwendige tun soll, bevor er verlangt, dass die anderen sich mehr anstrengen, und weil die Rücksichtnahme auf weniger engagierte Ziele anderer Nationen das Tempo der eigenen Umstellung vermindert.

Mit großem Interesse haben wir nun die neueste Agora-Studie vom September 2014 „Die Energiewende muss nicht auf Stromspeicher warten“ gelesen. Vielen Ihrer Feststellungen stimmen wir zu, insbesondere der etwas verklausulierten Feststellung, dass Braunkohleverstromung nicht zur Energiewende passt.

Bezüglich Punkt 1 Ihrer Studie kommen wir allerdings teilweise zu einer anderen Schlussfolgerung als Ihre Studie und möchten Ihnen unsere Überlegungen dazu nahebringen. Ich hoffe sehr, dass Sie die folgenden Hinweise nicht als Destruktion betrachten, sondern als den Versuch, das weitere Vorgehen auf das angestrebte gemeinsame Ziel zu optimieren.

Die Agora Schlussfolgerung zu Punkt 1 lautet: Der Ausbau der Erneuerbaren Energien muss nicht auf Stromspeicher warten Dies wird im Wesentlichen begründet wie folgt:

Agora Begründung zu Punkt 1
Mit dem Anteil an Erneuerbaren Energien steigt der Bedarf an Flexibilität im Stromsystem in Deutschland. Dieser Bedarf kann in den nächsten 10 bis 20 Jahren, das heißt bei einem Anteil der Erneuerbaren Energien am Stromverbrauch von 40 bis 60 Prozent, durch andere Flexibilitätsoptionen kostengünstiger gedeckt werden als durch neue Stromspeicher. Insbesondere können steuerbare Kraftwerke in Zeiten von viel Wind und Sonne ausgeschaltet und in Zeiten von wenig Wind und Sonne benutzt werden. Zusammen mit dem stromgeführten Einsatz von KWK-Anlagen, Lastmanagement sowie dem Stromhandel mit dem Ausland, bietet diese Option in den nächsten 20 Jahren ausreichende kostengünstige Flexibilität für den Ausgleich von Erzeugung und Nachfrage. Investitionen in neue Stromspeicher für den Erzeugungsausgleich führen in diesem Zeithorizont aufgrund der nach wie vor relativ hohen Investitionskosten nur in einem äußerst begrenzten Maß zu einer Reduktion der Gesamtkosten des Stromversorgungssystems. (...)

Den Stromspeichern werden hier zahlreiche „andere Flexibilitätsoptionen“ gegenübergestellt. Bei Dreien davon möchte ich allerdings Bedenken anmelden. Es handelt sich

  • um Abregelung von Erzeugungsspitzen bei Wind- und Solarenergie,
  • um Steuerung der Nachfrage (Demand Side Management)
  • und um Ausbau des Übertragungsnetzes.

Der Agora-Vorschlag zur Nutzung dieser drei Flexibilitätsoptionen erfolgt einzig wegen des vorteilhaften augenblicklichen Preisunterschieds, lässt aber die nachteiligen Effekte außer Acht. Auf diese Nachteile will ich im Folgenden hinweisen.

 

Abregelung der Erzeugungsspitzen

Abregelung von Erzeugungsspitzen von errichteten Solar- oder Windanlagen bedeutet Verlust von bereits aufwändig erzeugter Elektrizität aus erneuerbaren Quellen. Dies macht anfangs zwar nur wenige Promille aus und wäre deshalb hinnehmbar, doch mit dem weiteren Ausbau von Solar- und Windenergie wächst die abgeregelte EE-Strommenge überproportional, weil dieses Verfahren auch an den bereits bestehenden EE-Anlagen zur vermehrten Abregelung führt. Aus wenigen Promille werden vorhersehbar zunehmende Prozentwerte. Damit vermindert sich die Effizienz der EE-Erzeugungsanlagen. Es kommt zu weniger Klimaschutz als eigentlich möglich.

Dies ist ein in sich widersprüchliches Vorgehen: Man hat sich aus Klimaschutzgründen zu finanziellen Mehranstrengungen entschieden, um möglichst viel Strom aus Erneuerbaren Energien zu gewinnen und entfernt sich dann - im Widerspruch zur ursprünglichen Zielsetzung - aus finanziellen Gründen wieder vom ursprünglichen Ziel.

Wir setzen uns für eine konsequentere Lösung ein. Die für die Abregelung vorgesehenen EE-Strommengen könnte man schon jetzt bei PV-Anlagen durch gleichstromseitig integrierte Pufferspeicher auf den Abend und die Nacht verschieben. Dazu haben wir bereits einen Vorschlag erarbeitet, den wir Ihnen gerne zukommen lassen. Bei Windparks könnte man schon jetzt die ungenutzten Überschussmengen zur Entwicklung der Power to Liquid Technik (Methanol) nutzen. Und an Kreuzungspunkten des Hochspannungsnetzes mit dem Erdgasnetz könnte man schon jetzt durch mittelständische Betriebe Power to Gas (Methan) zur Einspeisung in das Gasnetz erzeugen lassen, zumal - dies entspricht sogar der Agora-Kostenargumentation - die Überschussmengen am Spotmarkt umsonst (!) eingekauft werden können.

Natürlich entsteht für die dafür notwendigen Investitionen in Hardware und Produktionsanlagen ein nicht geringer Kapitalbedarf. Aber die Entwicklungskosten müssen aus volkswirtschaftlicher Sicht ohnehin bezahlt werden. Je schneller das geschieht, desto besser, denn der Klimawandel wartet nicht!

 

Demand Side Management

Demand Side Mangement, also die Verschiebung des Stromverbrauchs auf Zeiten des Stromüberschusses bzw. die Einschränkung des Stromverbrauchs bei Stromknappheit wurde mit der Verbilligung von Nachtstrom im großen Maßstab bereits seit Jahren erfolgreich praktiziert. Eine wichtige Voraussetzung für den bisherigen Erfolg war die zeitliche Vorhersehbarkeit - jeden Tag um die selbe Uhrzeit. Man konnte sich darauf verlassen. Bei zukünftig zu erwartenden Überschüssen oder Knappheiten von Wind- und Solarstrom sind die Voraussetzungen jedoch erheblich ungünstiger. Die Überschüsse und Knappheiten kommen nicht regelmäßig zur selben Tageszeit und dauern bisweilen tage-, manchmal sogar wochenlang. Diese Unregelmäßigkeiten würden zunehmend mehr Anpassungsanstrengungen von der Wirtschaft verlangen. Die Produktionsbetriebe müssten sich dann nicht nur nach Angebot und Nachfrage, nach Verfügbarkeit von Arbeitskräften, Ersatzteilen, Grundstoffen usw. orientieren, sondern zusätzlich auch noch nach dem zufälligen Strompreis. Dies könnte für Betriebe in einem Land, das eine Vorreiterrolle bei der Einführung der Erneuerbaren Energien einnehmen will, einen Standortnachteil bedeuten.

Auch in Privathaushalten würden wetterabhängig wechselnde Strompreise zusätzliche Planungsbemühungen oder zusätzlichen Materialaufwand verursachen. Dazu ein eher triviales Beispiel: Wer nicht täglich den Geschirrspüler benutzen darf, braucht eine größere Menge an Geschirr.

Wir haben den Eindruck, dass die Nachteile eines Demand Side Managements mit unregelmäßig wechselnden Zeitvorgaben bisher nicht praxisnah untersucht und gewichtet wurden.

 

Bau von Fernübertragungsnetzen

RÄUMLICHE Differenzen zwischen Stromerzeugung und Stromverbrauch lassen sich von vornherein durch Errichtung der Erzeugungsanlagen in Verbrauchernähe vermeiden oder nachträglich durch Leitungsbau überbrücken.

ZEITLICHE Differenzen zwischen Erzeugung und Verbrauch lassen sich zuverlässig nur durch Speicher ausgleichen. Genau für diese Aufgabe wurden Speicher originär entwickelt.

Netzbau kann das Problem der zeitlichen Nichtübereinstimmung von Erzeugung und Verbrauch nur in Ausnahmefällen lösen, z.B. wenn abwechselnd mal die eine Region die andere - und kurze Zeit später in umgekehrter Richtung die andere Region wieder die erstgenannte Region mit Stromüberschüssen versorgen kann. Doch mit zufälligen Ausnahmen lässt sich keine Versorgungssicherheit garantieren
Ein weiterer Ausnahmefall könnte vorliegen, wenn eine speicherlose Region durch Netzausbau mit einer Region verbunden werden soll, die über einen nachgewiesenen ausreichenden Überschuss an Stromspeichern verfügt. Im konkreten Fall der viel diskutierten Fernübertragungsleitungen nach Skandinavien besteht der erhoffte ausreichende Überschuss an Stromspeichern in Skandinavien jedoch (noch) nicht.

Es ist deshalb fraglich, ob die für den Fernübertragungs-Netzausbau notwendigen Grundstücks-Enteignungen und Nutzungseinschränkungen überhaupt verfassungsrechtlich zulässig sind, denn Enteignungen sind nach Grundgesetz Artikel 14 nur zulässig, wenn sie dem Gemeinwohl dienen, nicht jedoch, wenn es ersichtlich bessere Lösungen gibt. Dem SFV liegt dafür einRechtsgutachten vor.

 

Psychologische Effekte

Hinzu kommen psychologische Effekte. All die unangenehmen Nachteile der „drei anderen Flexibilitätsoptionen“ werden mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien in Verbindung gebracht und vermindern deren Akzeptanz. Besonders trifft das für die ungeliebten Höchstspannungstrassen zu.


 

Flexibilitäten vermindern die Nachfrage nach Stromspeichern und deren Markteinführung

Schon jetzt werden Erzeugungsspitzen „freiwillig“ im Rahmen der Vermarktung abgeregelt, um die Zahlung der negativen Börsenpreise zu umgehen. So wird die Chance vertan, die mittäglichen Überschussmengen in aufladbaren Batteriespeichern für den Abend und die Nacht zu speichern.

Gerade die aufladbaren Batterien, die sich für Pufferspeicher besonders eignen, bedürfen zu ihrer Verbilligung einer intensiven und ausdauernden Markteinführung.

Der Zeitbedarf für eine Verbilligung durch Massenproduktion hängt nach der Theorie der Lernkurven entscheidend davon ab, wie weit diese Technik schon verbreitet ist. Eine neu entstehende Technik wie Power to Liquid (Methanol) wird schnell im Preis sinken (vielleicht benötigt sie 10 bis 20 Jahre; die Photovoltaik hat das gerade vorgeführt).

Bei einer seit langem eingeführten Technik wie den Batteriespeichern wird die Verbilligung jedoch nur noch sehr langsam vonstatten gehen.

Dem optimistischen Satz aus der Agora-Studie „Noch sind neue Stromspeicher teuer. Das kann sich aber auch schnell ändern.“ können wir deshalb gerade bezüglich der Batteriespeicher keineswegs zustimmen. Unsere große Sorge ist vielmehr, wie man überhaupt eine wesentliche Beschleunigung der Verbilligung erreichen kann.

Eine Verbilligung der Speicher ist nur durch eine Kombination von Massenproduktion und Massenanwendung und anwendungsbezogener Forschung möglich. Dieser Vorgang benötigt jedoch erhebliche Zeit und setzt Massennachfrage voraus. Die Größenordnung für die notwendige Massennachfrage bei Batteriespeichern ergibt sich nach der erwähnten Theorie der Lernkurven aus der bisher kumulierten Welt-Batterieproduktion. Die unübersehbare Menge aller seit der vorletzten Jahrhundertwende bisher überhaupt hergestellten Notstromaggregate, aller KFZ-Starterbatterien, aller U-Boot-Batterien, aller Batterien für Hub- und Kranwagen, aller Antriebsbatterien für Elektrofahrzeuge, aller Akkuschrauber-, Taschenlampen-, Handy-, Kamera-, Tablet- und Laptopbatterien muss verdoppelt werden, um auch nur eine Preissenkung von grob 20 Prozent zu bewirken.

Dafür ist die in der Agora Studie hoffnungsvoll angesprochene gegenwärtige Nachfrage nach Antriebsbatterien für Elektroautos noch völlig unzureichend. Die notwendige MASSEN-Nachfrage nach Batteriespeichern erfolgt weder dort, noch bei den Erneuerbaren Energien. Der Grund ist in beiden Fällen die Zukunftsblindheit der Marktwirtschaft, d.h. der Vorrang der billigeren Lösung auf dem Gegenwartsmarkt. Bei den Fahrzeugantriebsbatterien sind es die billigen fossilen Treibstoffe. Bei den Erneuerbaren Energien ist es die durch negative Börsenpreise provozierte Abregelung der Leistungsspitzen.

Die von Agora als Behelf vorgeschlagene Nutzung „anderer Flexibilitäten“ erfolgt sicher in guter Absicht, verstärkt aber noch die Zukunftsblindheit der Entscheider.

Markteinführung bedeutet, dass Speicher bereits jetzt eingesetzt werden müssen, obwohl(!) sie die teurere Lösung sind.

Bedenkt man, dass die Abregelung der Leistungsspitzen und das Demand Side Management wegen ihrer bereits angedeuteten Nachteile später vermutlich wieder aufgegeben werden und der Ausbau neuer Fernleitungen möglicherweise nie vollendet werden wird, sind die dafür jetzt aufzuwendenden Anstrengungen volkswirtschaftlich gesehen Fehlinvestitionen, die die Energiewende verteuern und verzögern.

Wir vermissen deshalb in der Agora Studie die Forderung nach einer energischen Markteinführung von Stromspeichern!

Die Aussage der eingangs erwähnten Agora-Überschrift ließe sich unseres Erachtens optimieren etwa wie folgt: „Der Ausbau der Erneuerbaren Energien wird nur dann nicht auf Stromspeicher warten müssen, wenn der Schwerpunkt der Energiewendeanstrengungen auf die Markteinführung von Speichertechniken gelegt wird“

Ich würde mich freuen, wenn es im Zusammenhang mit diesem Schreiben zu einem fruchtbaren Gedankenaustausch kommen könnte. Wir wollen deshalb die oben aufgeführten Gedanken in Form eines Diskussionsbeitrages im „Solarbrief“ und auf unserer Internetseite www.sfv.de veröffentlichen und werden dort auch gerne Ihre Zustimmung oder Entgegnung einarbeiten oder später nachtragen.

Wir hoffen auf eine zustimmende Rückantwort. Mit freundlichen Grüßen vom SFV-Vorstand,

Wolf von Fabeck
- Geschäftsführer -


 

Erwiderung von Dr. Patrick Graichen - Direktor der Agora Energiewende

Anschreiben

Sehr geehrter Herr von Fabeck,

vielen Dank für Ihren Brief und auch dafür, dass Sie sich so intensiv mit unserer Studie beschäftigt haben. Wir wissen Ihre Arbeit und die des SFV sehr zu schätzen, gehören Sie doch zu den „Urvätern“ der Energiewende.

Wie Sie sicher wissen, ist es auch unser Ziel, die Energiewende in Deutschland zum Erfolg zu führen und so den Aufbau einer auf Wind- und Solarenergie basierenden Energiewirtschaft weltweit zum Durchbruch zu verhelfen. Wir denken jedoch, dass es hierfür unerlässlich ist, dass die Energiewende möglichst kosteneffizient realisiert wird, da sie nur dann im Ausland als nachahmenswertes Vorbild wahrgenommen wird – und nicht als teures Experiment, das sich nur reiche Länder wie Deutschland „leisten“ können. Vor diesem Hintergrund müssen auch die Studie und unten folgenden Antworten gelesen werden.

Lassen Sie mich auch noch eines unserer Stellungnahme vorweg schicken: Ich gebe den Kritikern der Studie in einem Punkt völlig Recht – nämlich, dass diese Studie eine Momentaufnahme darstellt und es sein kann, dass die Speicherkosten viel schneller sinken als in der Studie angenommen. Dann würden Stromspeicher möglicherweise viel früher wirtschaftlich als in der Studie avisiert. An der Grundaussage der Studie, dass die Energiewende bis zu einem Anteil von 60% Erneuerbaren Energien auf neue Stromspeicher nicht angewiesen ist, ändert dies jedoch meines Erachtens nichts. Letztlich ist dies ja eine gute Nachricht, denn so oder so können wir demnach in den nächsten Jahren den Weg der Energiewende weiter voran gehen und müssen nicht, wie dies ja oft behauptet wird, mit dem weiteren Zubau von Wind- und Solaranlagen warten, bis genügend kostengünstige Stromspeicher zum Ausgleich der fluktuierenden Einspeisung zur Verfügung stehen.

Lassen Sie mich abschließend Ihnen dafür danken, dass Sie uns die Gelegenheit geben, unsere Argumente auf Ihrer Homepage zur Diskussion zu stellen. Dies entspricht m.E. genau der Diskussionskultur, die für ein Gelingen des Generationenprojekts Energiewende notwendig ist, denn nur im konstruktiven Streit können die besten Lösungen gefunden werden. In diesem Sinne freue mich auf einen weiteren Austausch zu diesen, aber auch anderen Themen rund um die Energiewende.

Mit freundlichen Grüßen

Patrick Graichen


Es folgen die Antworten zu den zentralen vom SFV vorgebrachten Kritikpunkten bezüglich der Speicherstudie

1) Flexibilitäten

Wind- und Sonnenenergie werden die Basis des Stromsystems der Zukunft sein. Diese Feststellung hat Agora Energiewende seit seinem Bestehen immer wieder erneut betont und untermauert. Dies bedeutet, dass das Stromsystem insgesamt viel flexibler werden muss, um die je nach Wettersituation schwankende Erzeugung aus Erneuerbaren Energien aufnehmen zu können. Das Ziel ist es dabei, möglichst hohe Anteile von Erneuerbaren Energien zu möglichst geringen Kosten zu erreichen.

Stromspeicher sind dabei kein Selbstzweck, sondern müssen mit Blick auf ihre Funktion ein einem solchen Stromsystem der Zukunft betrachtet werden. Die zentrale Dienstleistung von Speichern ist es daher zunächst, Flexibilität für das Stromsystem zu liefern, damit die schwankende Stromerzeugung aus Wind- und Solaranlagen und die Stromnachfrage in Einklang gebracht werden können. Die von Ihnen getätigte Beobachtung, dass andere Flexibilitätsoptionen – wie zum Beispiel die Flexibilisierung fossiler Kraftwerke oder die Verschiebung der Nachfragelasten – eine Konkurrenz zu Speichern sind, ist insofern zutreffend. Dies führt dazu, dass aufgrund der deutlich höheren Kosten für Stromspeicher als für andere Flexibilitätsoptionen die Stromspeicher in größerem Maßstab erst bei sehr hohen Anteilen von Erneuerbaren Energien notwendig werden. Hierbei sind natürlich die getroffenen Speicherkostenannahmen zentral. Unsere Studie beinhaltet hier bereits eine sehr deutliche Kostenreduktionsannahme, aber natürlich könnte die Senkung in der Realität noch schneller erfolgen, was die Ergebnisse entsprechend ändern würde.

Speicher können dennoch auch schon vorher – wenn auch nur in einem begrenztem Umfang – einen wichtigen Beitrag zum kosteneffizienten Fortgang der Energiewende leisten. Wie in den Schlussfolgerungen geschrieben, zeigen die Ergebnisse der Studie, dass bis zu Erreichen eines Anteils von etwa 60 Prozent Erneuerbare Energien in Deutschland die wesentliche Flexibilitätsmaßnahme im zeitweise Abschalten konventioneller Kraftwerken besteht (Vermeidung von fossilem „Must-Run“). Wenn Stromspeicher die Systemdienstleistungen erbringen, die derzeit von fossilen Kraftwerken geleistet werden, können mehr fossile Kraftwerke in Zeiten von hoher EE-Stromproduktion abgeschaltet werden. Es ist daher sinnvoll, den Markt für Systemdienstleistungen für Stromspeicher und andere Technologien – wie zum Beispiel EE-Anlagen und Nachfragemanagement – zu öffnen. Dem stehen heute noch Barrieren entgegen. Diese zu beseitigen ist eine vordringliche Aufgabe der Politik in den nächsten Monaten und Jahren.

2) Abregelung von Erneuerbaren Energien

In den Szenarien wurde nicht die Abregelung von Strom aus einzelnen Erneuerbaren-Energien-Anlagen optimiert. Das Ziel war stattdessen, in allen Szenarien die gleiche Menge an konventionellen Energien durch Erneuerbare Energien zu ersetzen. Denn die Vermeidung von Abregelung von Strom aus EE-Anlagen ist kein Zweck an sich – derselbe Gesamteffekt kann etwa erzielt werden, wenn Abregelung zugelassen wird, aber ein erhöhter Zubau von neuen Anlagen stattfindet. Dies ist auch Bestandteil der Analysen (siehe S.70 der Studie).

Grundsätzlich zeigen unsere Analysen, dass Strom aus Erneuerbaren Energien bereits heute kostengünstig ist und in Zukunft noch kostengünstiger sein wird. Daher ist es unbedingt erforderlich, auf die Gesamtkosten des Energiesystems zu schauen, anstatt auf einzelne Technologien mit möglicherweise hohen Kosten zu fokussieren.

Das lässt sich an folgendem Beispiel illustrieren: Solarstromanlagen können so ausgelegt werden, dass die theoretische maximale Anlagenleistung physikalisch gesehen niemals erreicht wird – beispielsweise bei Ost-West-Anlagen. Eine solche Auslegung kann je nach konkreter Kostensituation durchaus günstiger sein als ein auf maximalen Ertrag hin ausgelegtes System. Zwar verringert sich dadurch der spezifische Ertrag des einzelnen Moduls, gleichzeitig reduziert eine solche Auslegung aber andere Kosten im System, wie die spezifischen Kosten für Wechselrichter, Netzanschluss oder Flächenkosten. Die in solch einer Konstellation auftretende kostenoptimale „Abregelung“ auf Ebene des Moduls lässt sich auf das gesamte Stromsystem übertragen: Eine gewisse Menge an Abregelung kann dazu führen, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Summe günstiger wird.

Unsere Ergebnisse zeigen insofern, dass aus Sicht der Gesamtkosten - die am Ende von allen Stromverbraucher zu tragen sind - Investitionen in Speicher derzeit noch nicht sinnvoll sind. Denn die Kosten der Speicherung von ansonsten abgeregeltem EE-Strom überwiegen deutlich die Kosten, die dadurch entstehen, dass zusätzliche Anlagen errichtet werden müssen, um die gleiche EE-Strommenge in das System integrieren zu können.

3) Demand Side Management

Die Annahmen zum Beitrag des Demand Side Management wurden im Rahmen der Studie intensiv diskutiert; die benutzten Werte werden von weiten Expertenkreisen als sehr konservativ eingeschätzt. Denn es wäre schizophren, auf der einen Seite deutliche Kostenreduktionen bei den Speichern in den nächsten 10 bis 20 Jahren anzunehmen – wie dies die Studie tut – gleichzeitig aber auf der Lastmanagement-Seite von vollständigem Stillstand auszugehen. Auch hier ist Fortschritt zu erwarten, zumal andere Märkte schon jetzt zeigen, wie große Mengen steuerbarer Lasten in das System integriert werden. Zur Verdeutlichung: Im westaustralischen Strommarkt leistet das Demand Side Management derzeit einen Beitrag von mehr als zehn Prozent der Maximalleistung.

Zur Bewertung des Beitrags des Demand Side Managements sollte man sich zudem vergegenwärtigen, dass die in 10 bis 20 Jahren im Einsatz befindlichen Anlagen in der Industrie großteils erst heute beziehungsweise in den kommenden Jahren geplant werden. Bei diesen Planungen können zeitabhängige Strompreisen schon heute berücksichtigt werden. Darüber hinaus sind zukünftige neue, strombasierte Anwendungen wie Elektromobilität oder Wärmepumpen, die ebenfalls ein hohes Lastmanagementpotenzial besitzen, in diesen Annahmen noch nicht enthalten. Insgesamt ist das Lastmanagementpotenzial insofern eher konservativ abgeschätzt worden.

4) Technologische Entwicklung

Wie in den Schlussfolgerungen beschrieben, sehen wir einen zunehmend dynamischen Markt insbesondere für Batteriespeicher, aber auch für Power-to-X-Technologien. Wir erwarten entsprechend eine technologische Entwicklung von Speichern unabhängig von ihrem Einsatz im deutschen Stromsystem. Eine Vielzahl von Experten beobachtet hier neben dem deutschen und dem europäischen Markt die Entwicklungen weltweit und kommt zu einem ähnlichen Schluss.

Auf Basis der Ergebnisse unserer Studie und dieser globalen Marktentwicklung ist es daher nicht vertretbar, eine Markteinführung von Stromspeichern über ein „Speicherfördergesetz“, finanziert beispielsweise durch eine zusätzliche Umlage, zu forcieren. Für die Akzeptanz der Energiewende in Deutschland ist es wichtig, die von den Stromkunden aufzubringenden Kosten im Blick zu behalten. Unsere Studie zeigt, dass eine massenhafte Einführung von Speichern über ein staatlich oder umlagefinanziertes Markteinführungsprogramm das Ziel der Kosteneffizienz gefährden würde. Zur Integration von Speichern in das Stromsystem, die ohnehin errichtet werden, ist es jedoch richtig und sinnvoll, die bestehenden Förderprogramme zu nutzen. Wie in der Studie beschrieben, schlagen wir daher vor, solche Programme auf die unterstützende Integration von Stromspeichern in das Stromsystem zu fokussieren.