Betr.: untersuchungsrahmen-2014@bnetza.de


Sehr geehrte Damen und Herren,

Ihre Anfrage vom 23.04.14 zur Festlegung des Untersuchungsrahmens beantworten wir gerne. Die Frage, ob und welcher Ausbau der Fernübertragungsnetze dem Umstieg auf die Erneuerbaren Energien aus Sonne und Wind dienlich ist, fällt direkt in unser Arbeitsgebiet.

Leider müssen wir feststellen, dass die diskutierten Erhöhungen der Fernübertragungsnetz-Transportkapazitäten für die zügige Umstellung auf Erneuerbare Energien keineswegs erforderlich sind und die Umstellung sogar erheblich verteuern.

Doch bei weiterer Befolgung der derzeitigen gesetzlichen Vorgaben, die nicht auf eine effiziente und kostensparende Energiewende ausgelegt sind, wird es unausweichlich zu einem weit überdimensionierten und teuren Ferntransportnetzausbau kommen. Das hat hauptsächlich zwei Gründe:

Erstens werden die finanziellen Anreize des Spotmarkts nicht zur Verminderung unnötiger Stromüberproduktion der konventionellen Kraftwerke genutzt. Es fehlt eine gesetzliche Vorgabe, die nicht nur die Erneuerbaren Energien, sondern auch alle konventionellen Energien zur ausschließlichen Vermarktung über den Spotmarkt verpflichtet.

Zweitens werden fossile sogenannte Must-Run-Kraftwerke zur Stabilisierung des Netzbetriebes im Einsatz gehalten, obwohl diese Aufgabe durch Solar- und Windanlagen übernommen werden könnte, wenn diese mit integrierten Stromspeichern und geeigneten Reglern ausgestattet würden. Doch dafür fehlen sowohl die gesetzlichen Vorgaben als auch Anreize zur Markteinführung.

Wir schlagen deshalb vor, die weiteren Netzausbauplanungen zurückzustellen und dem Gesetzgeber zunächst eine Überarbeitung der gesetzlichen Bestimmungen - insbesondere im EnWG und im EEG - nahezulegen. Dies erscheint um so dringlicher, weil der unter "erstens" genannte Grund nach einem von uns in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten sich möglicherweise als Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz herausstellen wird.

Um den Umfang unserer Stellungnahme nicht ausufern zu lassen, beschränken wir uns im folgenden auf den unter "erstens" genannten Grund.

In § 12, Abs. 3 EnWG heißt es: "Betreiber von Übertragungsnetzen haben dauerhaft die Fähigkeit des Netzes sicherzustellen, die Nachfrage nach
Übertragung von Elektrizität zu befriedigen und insbesondere durch entsprechende Übertragungskapazität und Zuverlässigkeit des Netzes zur Versorgungssicherheit beizutragen. (...)"

Hier wird die Befriedigung jeder Nachfrage nach Übertragung von Elektrizität ohne Einschränkung als hinreichende Voraussetzung für
weiteren TransportNetzAusbau festgelegt.

Die Frage stellt sich, was als "Nachfrage nach Übertragung" anerkannt wird.

Nachfrage nach Übertragung wird derzeit als gegeben angesehen, wenn Stromerzeuger und Stromverbraucher sich darüber einigen, eine zeitlich
und leistungsmäßig übereinstimmend definierte elektrische Arbeit von einem Punkt des Stromnetzes zu einem anderen Punkt zu übertragen.

Welche kaufmännischen Abmachungen dieser Einigung zugrunde liegen, interessiert nicht. Es interessiert auch nicht, ob mit der gelieferten
Leistung etwas Sinnvolles geschieht. Der Übertragungsnetzbetreiber ist zur Bereitstellung der notwendigen Übertragungskapazität sogar dann
verpflichtet, wenn der Stromverbraucher den Strom nur deshalb aus dem Netz entgegennimmt, weil ihm Geld dafür geboten wird (negativer Strompreis) und er den Strom einfach "entsorgen" will.

Wie kommen die kaufmännischen Vereinbarungen zustande?

Derzeit verkaufen die Betreiber konventioneller Kraftwerke, insbesondere die Grundlastkraftwerksbetreiber, ihren Strom weit vor dem endgültigen
Liefertermin am Terminmarkt oder OTC (im direkten Kontakt). Sie finden damit Stromverbraucher, die ihren Strom verbindlich abnehmen wollen.

Was geschieht bei nachträglichem Weiterverkauf?

Bis zum Tag vor dem Liefertermin können die Stromkäufer den eingekauften Strom weiter verkaufen. Damit wird der neue Käufer des Stroms zum neuen Abnehmer. Dem Stromerzeuger wird mitgeteilt, wer der neue Abnehmer seiner Stromlieferung werden wird.

Bis zum Tag vor dem Liefertermin können die Stromerzeuger ihre Stromerzeugungspflicht ebenfalls "verkaufen". Sie finden einen Ersatz-Stromerzeuger. Den bisherigen Stromkäufern wird mitgeteilt, wer ihr neuer Stromlieferant sein wird.

Am Tag vor dem Liefertermin teilt der nunmehr feststehende Stromlieferant dem Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) seinen "Fahrplan" mit. Dies wird als "Nachfrage nach Übertragung von Elektrizität" im Sinne von § 12, Abs. 3 EnWG anerkannt.

Dem ÜNB genügt es, wenn ihm am Tag vor dem Liefertermin der "Fahrplan" des einspeisenden Kraftwerkes mitgeteilt wird und er erfährt, wo die
Abnehmer sind. So kann er herausfinden, wo es eventuell Netz-Engpässe geben wird und wo er deshalb ausnahmsweise durch Redispatch eingreifen (und von Amts wegen einen netztechnisch besser angebundenen Stromerzeuger beauftragen) muss .

Für die Erneuerbaren Energien erstellen die ÜNB den Fahrplan aufgrund der Wetterprognose.
Da sie den EE-Strom in Befolgung der Ausgleichsmechanismusverordnung immer als billigstes Angebot - notfalls sogar mit negativem Strompreis -
am Spotmarkt anbieten, finden sie auf jeden Fall Abnehmer. Die Übertragung des Stroms aus Erneuerbaren Energien wird also ebenfalls
als Nachfrage im Sinne von § 12, Absatz 3 EnWG anerkannt, selbst dann, wenn negative Strompreise am Spotmarkt signalisieren, dass eigentlich kein echter Bedarf nach weiterer elektrischer Leistung vorliegt.

So kommt es, dass die ÜNB ihre Netze für die gleichzeitige Übertragung von terminmarkt-gehandeltem konventionellen Strom plus höchstem
denkbaren Anfall von EE-Strom ausbauen. Die Lasten und Kosten trägt maßgeblich der deutsche Gewerbe- und Haushaltskunde.


Kritik an diesem Verfahren

Die Tatsache, dass negative Preise am Spotmarkt auftreten, ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass mehr Strom erzeugt wird als notwendig und mehr Netzausbau betrieben wird als notwendig und dass somit das Gebot der sparsamen Mittelverwendung verletzt wird.

Der Gesetzgeber lässt es zu, dass das einzige Intrument, das die Nachfrage nach Übertragung von Strom objektiv und diskriminierungsfrei feststellen könnte, nämlich der Spotmarkt, durch konventionelle Kraftwerke, insbesondere die schwer abregelbaren Grundlastkraftwerke, umgangen werden kann.

Der SFV fordert deshalb eine Teilnahmepflicht für alle Stromerzeuger am Spotmarkt: "Spotmarkt only"

Dieser Vorschlag hätte vier Vorteile:

Ausführlicher haben wir diese Kritik unter Einfache Lösung für das Strommarktdesign - "Spotmarkt only" ausgeführt.

Mit freundlichen Grüßen,
Wolf von Fabeck
Geschäftsführer im Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV)