Schon eine 5%ige jährliche Senkung der Herstellungskosten, wie sie in den Anfangszeiten des EEG von der Photovoltaik erwartet wurde (die Senkung der Einspeisevergütung wurde damals noch auf diesen Betrag festgelegt), sind Weltrekord und von fossiler und nuklearer Energiegewinnung bei Weitem unerreicht!
Doch verwöhnt von einigen Spekulationsblasen der letzten Jahrzehnte ist offenbar vielen Politikern das gesunde Empfinden für Mögliches oder Unmögliches verloren gegangen.
In der politischen Diskussion wird immer wieder - sogar von Freunden der Solarenergie - behauptet, durch Absenkung der Einspeisevergütung werde der Druck ausgeübt, der nötig sei, die Preise der Solaranlagen zu senken. Ohne diesen Druck würden die Preise für Solaranlagen nicht, oder zu langsam sinken. Und man solle da nicht zu zimperlich sein.
Es gibt kaum ein Fehlurteil, das der Solartechnik mehr geschadet hat.
Unglücklicherweise wird die erwähnte Behauptung scheinbar durch die praktische Erfahrung bestätigt, denn in der Tat sinken die Solaranlagenpreise im Gleichschritt mit der Senkung der Einspeisevergütung. Warum ist das so? Ganz einfach: Solaranlagenbetreiber möchten ihre Investition in eine Solaranlage über die Einspeisevergütung refinanzieren. Solaranlagen, deren Kaufpreis sich durch die Einspeisevergütung nicht refinanzieren lässt, werden kaum noch gekauft.Ihre Anbieter verschwinden vom Markt.
Allerdings wird die üble Kehrseite der Medaille meist übersehen.
Die maßlos übertriebene Senkung der Einspeisevergütung (Absenkung seit dem 1.1.2010 bis heute um etwa 40 Prozent und weitere angekündigte drastische Absenkungen zum nächsten Jahreswechsel) erzwingt Einsparungen um jeden Preis. Tatsächlich wurden auch die Solarmodule auf dem deutschen Markt nahezu im gleichen Verhältnis billiger wie die Einspeisevergütung sinkt. Aber die Gehälter der Monteure, die Sozialabgaben, die Gestelle für die Solaranlagen, die Kabel, die Anschlusskästen, die Stromzähler, die Kleinteile, wie Schrauben und Stecker, die Montagegerüste, das Werkzeug werden nicht billiger, und auch an der Werbung kann der Solarinstallateur nicht sparen.
Und niemand spricht darüber, was der Solarinstallateur tun soll, wenn es ihm nicht mehr gelingt, durch billigeren Einkauf, durch Verbesserung der Montageverfahren, durch Verbesserung der innerbetrieblichen Organisation und Verbesserung des Ausbildungsstandes der Monteure die Montagezeiten und die Verkaufspreise zu senken.
Die Versuchung wächst, dass schließlich auch an der Qualität gespart wird. Besonders natürlich wird dort gespart, wo es nicht gleich auffällt, damit der Käufer solche Einsparungen während der Gewährleisungsfrist nicht bemerkt. Nennen wir einige Beispiele:
- UV-beständige Verkabelung ist teurer als eine Verkabelung, deren Isolation unter dem Einfluss der UV-Strahlung innerhalb weniger Jahre bröckelig wird. Doch der Laie kann sie nicht voneinander unterscheiden.
- Es gibt viele Sorten von Steckverbindungen. Die billigsten sind nicht immer die zuverlässigsten.
- Gestelle aus nichtrostendem Edelstahl halten länger als Gestelle aus Alu oder verzinktem Stahl.
- Ob die Statik der Gestelle auch für extremen Schneefall oder Sturm ausreicht, zeigt sich oft erst nach Jahren. Bekanntlich nehmen die Extremwetter-ereignisse zu.
- Ob die verwendeten Schrauben und Unterlegscheiben aus Edelstahl oder anderem Material sind, wer will das unterscheiden?
- Ob Befestigungsschrauben mit dem vorgesehenen Drehmoment angezogen wurden, kann der Käufer nicht nachprüfen.
- Verzinkte Gestelle brauchen eine sorgfältige Nachbehandlung jedes nachträglich gebohrten Loches. Doch wenn die Verschraubung erst einmal angebracht ist, lässt sich überhaupt nicht erkennen, ob eine solche Nachbehandlung erfolgt ist. Die unvermeidlichen Rostschäden werden erst nach dem Ablauf der gesetzlichen Gewährleistung sichtbar.
- Das Abisolieren der Kabel ist nicht trivial. Auf welcher Länge muss die Isolation entfernt werden, wie wird vermieden, dass das Kupfer verletzt wird? Wie wird erreicht, dass keine Feuchtigkeit in die Verbindung eindringt?
- Hat der Installateur darauf geachtet, dass die Dachlatten in Ordnung sind, die das Gestell tragen sollen? Hat er genügend Befestigungsschrauben für das Tragegestell vorgesehen?
- Und nimmt sich der Installateur noch ausreichend Zeit für die Planung?
- Wurden bei der Planung die Schatten berücksichtigt, die im kommenden Winterhalbjahr von der Gaube oder dem Schornstein bei tiefstehender Sonne geworfen werden? Was ist mit dem schnellwachsenden Baum beim südlichen Nachbarn?
- Und schließlich ist es dem Käufer einer Solar-Dachanlage sicher nicht gleichgültig, wenn sich die Monteure auf seinem Dach in Lebensgefahr begeben, weil der Installateur die Kosten für die vorgeschriebene Absturzsicherung einsparen wollte.
Aber sehen wir damit nicht zu schwarz?
Wir haben diese Frage an Rechtsanwältin Dr. Christina Bönning aus Kerpen weitergegeben. Sie hat schon vor Monaten gemahnt, dass der Laie eine Solaranlage eigentlich erst dann bezahlen solle, wenn die Solaranlage vorher von einem unabhängigen Fachmann begutachtet worden sei. Sie sei sehr besorgt. Frau Bönning wörtlich: "Dramatisch - und das können Sie gerne zitieren - finde ich allerdings, dass oft der wahre Umfang von Montagefehlern und schlechten Produkten erst deutlich wird, wenn wegen stellenweisen Kleinigkeiten und Unstimmigkeiten zwischen den Vertragspartnern ein Gutachter hinzugezogen wird."
Mit anderen Worten: Unsere Befürchtung ist begründet. Viele Solaranlagenbetreiber ahnen noch gar nicht, dass ihre Anlagen, die derzeit noch funktionieren, möglicherweise in einigen Jahren (im schlimmsten Fall erst nach Ablauf der Gewährleistung oder nach Insolvenz der Montagefirma) technische Probleme bekommen werden.
Auch Nachfragen bei zwei PV-Gutachtern bestätigten unsere Befürchtungen. Der eine meinte sogar, etwa 90 Prozent der ihm zur Begutachtung vorgestellten Solaranlagen wiesen schwerwiegende versteckte Mängel auf. Er stellte uns einige Anschauungs-Fotos zur Verfügung. Eines seiner Gutachten finden Sie anonymisiert unter Sachverständigengutachten über die Prüfung der Photovoltaikanlage
Was folgt aus dem allen?
Ein ehrbarer ("ehrbar" im alten Sinne) Handwerker wird sich weigern, die genannten unseriösen Verbilligungsmöglichkeiten auszunutzen. Aber welche Möglichkeiten bleiben dem ehrbaren Handwerker noch? Soll er sich anderen Aufgaben zuwenden oder muss er schließlich Insolvenz anmelden?
Und noch ein anderer verhängnisvoller Effekt ist nicht ausgeschlossen: Der Zwang zum Sparen um jeden Preis verhindert die Bildung finanzieller Reserven. Schon wenige Gewährleistungsfälle - gleichgültig ob verschuldet oder unverschuldet - können eine Firma in die Insolvenz reißen. Das wissen auch mögliche Käufer der Solaranlagen und es erhöht nicht ihre Bereitschaft, Geld in eine Solaranlage zu investieren.
Warum sind diese negativen Auswirkungen der überhasteten Vergütungsabsenkung nicht öffentlich bekannt? Immerhin ist die Zahl der im ersten Halbjahr 2011 neu erbauten Solarstromanlagen geringer als in den entsprechenden Vorjahresmonaten. Und schaut man über die Dächerlandschaften der großen deutschen Städte, so findet man kaum eine neu erbaute Solaranlage. Gab es im vergangenen Jahr noch ein erhebliches Wachstum gegenüber dem Vorjahr (fast eine Verdoppelung) so sieht die Statistik in diesem Jahr bisher eher nach einem Schrumpfen aus. Wenn weniger Solaranlagen gebaut werden sollen als im Vorjahr (das ist ja die Absicht hinter den Vergütungsabsenkungen), beginnt der Kampf unter den Installateuren ums Überleben. Es erfolgt ein Ausleseprozess, bei dem die "ehrbaren" Handwerksbetriebe die schlechtesten Chancen zum Überleben haben (ihnen ist es verwehrt, genauer gesagt, sie verwehren es sich selber, mit Pfuscharbeit Geld zu verdienen).
Glaubt man der Werbung, so erzielen die Käufer von Solarstromanlagen weiterhin auskömmliche Renditen. Legt man die zunehmend mit Qualitätsverlusten erkauften unreellen billigen Verkaufspreise zu Grunde, so mag die Renditeberechnung noch hinkommen - wenigstens auf dem Papier. Doch wehe, wenn die Qualitätsmängel zu späteren Ertragsausfällen und teuren Nachbesserungsarbeiten führen. Diese Folge der überhasteten Vergütungsabsenkungen wird sich, wie das für Spätschäden typisch ist, erst in einigen Jahren zeigen.
Käufer, die auf Qualität der Solaranlage achten, haben es zunehmend schwerer, einen ehrbaren Handwerke zu finden. Schauen sie sich ältere Solaranlagen an, die sich bewährt haben, so ist ihr Erbauer häufig nicht mehr im Solaranlagenbau tätig. Kein Wunder! Es erfolgt ein Ausleseprozess, den nur wenige seriöse Firmen überleben.
Keine noch so ausgeklügelte Umfrage kann es überzeugender ermitteln: Für Betreiber kleiner Hausdachanlagen und dementsprechend auch für Installateure ist die Einspeisevergütung nicht mehr attraktiv.
Obwohl die Zahl der installierten Solaranlagen im Vergleich zum Vorjahr deutlich zurückgegangen ist, findet sich allerdings kein Solarinstallateur, der öffentlich zugibt, dass er Probleme hat. Denn die Installateure wissen sehr genau: Jedes Wort der Klage, ja jede Andeutung, dass ihre Geschäfte nicht so gut laufen, wie man es sich wünschen sollte, werden als Eingeständnis des nahenden Endes gewertet. Und solche Eingeständnisse zerstören das Vertrauen möglicher Kunden und beschleunigen zuallererst den Untergang der eigenen Firma.
Und nicht nur nebenbei gesagt: Auch die Veröffentlichung dieses Beitrags wird potentielle Solaranlagenkäufer verunsichern. Wir bedauern das sehr, doch Missstände können nicht beseitigt werden, indem eine ganze Branche sie beharrlich verschweigt. Ein Ende des Vergütungssenkungs-Wahnsinns ist nur möglich, wenn offen darüber gesprochen wird, dass die fortlaufende Absenkung der Einspeisevergütung zunehmend auch zu Lasten der Qualität und Zuverlässigkeit geht. Denn gute Qualität gibt es nicht umsonst.
Jedem Investor, dem eine Solaranlage zu einem unschlagbar günstigen Preis angeboten wird, mahnen wir zur Vorsicht. Notgedrungen sollte er einen Anteil von etwa 1/3 der Kaufsumme bis zur Abnahme der Anlage zurückbehalten und zur Abnahme einen vereidigten PV-Sachverständigen hinzuziehen.
PS: Nur um mögliche Missverständnisse auszuschalten. Auch der SFV hält eine jährliche Absenkung der Einspeisevergütung für sinnvoll. Aber fünf Prozent einmal in jedem Jahr zum 15. Dezember sind bereits ambitioniert, sind rekordverdächtig. Es gibt keine andere Energietechnik, die sich in diesem Tempo verbilligt. Wer mehr will, wird weniger erreichen. Der Versuch, durch übertriebene Absenkung der Einspeisevergütung zu Einsparungen an der EEG-Umlage zu kommen, verzögert nicht nur die Energiewende, sondern entwertet auch - wie hier gezeigt - die getroffenen Investitionen bezüglich Zuverlässigkeit und Lebensdauer.