Die Deutsche Bahn wirbt für die Benutzung ihrer Fernzüge mit dem Argument, alle Fahrten mit BahnCards, Streckenzeitkarten und im Rahmen des Firmenkundenprogramms bahn.corporate würden mit 100% Ökostrom in den Zügen des Fernverkehrs durchgeführt. Für alle anderen Fahrten gibt es die Möglichkeit mit dem Angebot "Umwelt-Plus" gegen einen Aufpreis von einem Euro pro Fahrt ebenfalls mit 100% Ökostrom unterwegs zu sein. Laut Pressemitteilung der DB sind das rund 75% aller Fahrten in ICE, IC und EC.
DB Unterwegs mit Ökostrom
Plakette "Unterwegs mit Ökostrom" neben der Tür eines ICE

Aus der in den Zügen der DB ausliegenden Zeitschrift Mobil erfahren die Bahnreisenden: "Die dafür erforderlichen Lieferverträge wurden mit dem Energiekonzern RWE geschlossen. Zudem gingen kürzlich zwei neue Windparks in Ostfriesland für die Bahn ans Netz."
Ökostromwerbung der DB

Der SFV hat nachgefragt und erhielt eine unbefriedigende Auskunft, die wir weiter unten unter Punkt 2 veröffentlichen. Für uns ergibt sich daraus, dass durch die Ökostromaktion der DB keine zusätzlichen Wasserkraftwerke und nur sehr wenige zusätzliche Windanlagen geschaffen werden.

Wir haben uns deshalb gemeinsam mit dem Bund der Energieverbraucher in einem offenen Brief an die DB gewendet, in dem wir die DB ermutigen, eigene Wind- und Solaranlagen auf ihrem Betriebsgelände zu errichten.

1. Wortlaut des Offenen Briefs



Offener Brief des SFV und des Bund der Energieverbraucher vom 10.05.2013 an die Deutsche Bahn wegen fragwürdiger Ökostromwerbung


Liebe Deutsche Bahn,

die große Mehrheit der Bahnfahrer wünscht sich den Ersatz von Atom und Kohle durch die Erneuerbaren Energien Wind und Sonne. Die Deutsche Bahn hat diesen Wunsch richtig erkannt und nutzt ihn für ihre Kundenwerbung:

"... Anhand der Kenntnisse über die Reiseweiten der Kunden ermittelt die Deutsche Bahn jeweils den Strombedarf an Ökostrom. Diese Menge kauft DB Energie zusätzlich ein und ersetzt mit ihr den herkömmlichen Bahnstrommix in gleichem Umfang. Der Strom aus erneuerbaren Quellen wird physisch ins Bahnstromnetz eingespeist..."
http://www.deutschebahn.com/de/nachhaltigkeit/oekologie/angebote_mit_reinem_oekostrom.html

Eingekauft wird dieser Strom im wesentlichen beim Energiekonzern RWE
(Quelle: Magazin Mobil der DB vom April 2013 auf Seite 28).

Wir sind befremdet. Die Rede des RWE Vorstandsvorsitzenden Peter Terium bei der RWE-Hauptversammlung (18.04.13) steht noch im Internet.
http://www.media-server.com/m/p/dxjhme5a/lan/de
RWE werde seine Ausgaben für Erneuerbare Energien von 1 Mrd im Jahr 2013 in den nächsten 2 Jahren auf je 500 Mio reduzieren. Das sieht nicht nach Einsatz für Erneuerbare Energien aus. Vom Neubau von Wasserkraftwerken war nicht die Rede. Die Mehrausgaben der Deutschen Bahn für Ökostrom verlaufen also im Sand.

Die Umwelt hat ersichtlich keinen Vorteil davon, wenn die Deutsche Bahn dem RWE seinen >grünen Strom< abkauft. Wenn die Bahn ihn nicht kaufen würde, würde jemand anderes den RWE-Wasserkraftstrom verbrauchen, wie das ja auch vor dem 1. April der Fall war.

Entscheidend ist doch, dass mehr Strom aus Erneuerbaren Energien erzeugt wird. Aber nicht jeder Bürger kann ein Windrad oder eine Solaranlage errichten. Das können nur die Eigentümer von geeigneten Flächen. Hier könnte die Deutsche Bahn ein Zeichen setzen. Sie ist einer der größten Flächeneigentümer Deutschlands. Ihr gehören weit mehr Flächen als dem RWE. Die Deutsche Bahn könnte längs ihrer 35 Tausend Kilometer langen Bahnlinien viele Hunderte von Windanlagen installieren und an den Lärmschutzwänden und auf den Bahnhofshallen Solaranlagen in Hülle und Fülle! Damit würde sie das Mengenverhältnis zwischen EE-Strom und konventionellem Strom im Stromnetz tatsächlich verbessern.
Auch ihre Werbung wäre überzeugender. Windräder und Solaranlagen längs der Bahnstrecken würden mehr beeindrucken als flotte Sprüche und die grünen Krawatten der Zugbegleiter, über die sich die Reisenden inzwischen schon lustig machen.

Wir wünschen deshalb der Deutschen Bahn, unserem Lieblings-Verkehrsmittel für Fernreisen, etwas Konsequenz und mehr mutige EIGENinitiative beim Eintritt in das neue Zeitalter der Erneuerbaren Energien.

Alfons Schulte, 2. Vorsitzender und Wolf von Fabeck, Geschäftsführer des Solarenergie-Fördervereins Deutschland e.V.

Dr. Aribert Peters, Vorsitzender Bund der Energieverbraucher e.V.

 


 

2. Zurückliegende Antwort der DB vom 6.5.2013 auf vier Fragen des SFV vom 1.4.2013

...

vielen Dank für Ihr Interesse und Ihren konstruktiven Nachfragen zu unseren neuen Angeboten mit 100% Ökostrom. Unten finden Sie unsere Antworten auf Ihre Fragen.

Frage 1 - Bei wem kauft die Bahn den Strom ein?

DB Energie beschafft den Ökostrom in diesem Jahr hauptsächlich aus Wasserkraftwerken der österreichischen Verbund AG, ab nächstem Jahr zusätzlich bei RWE und ab 2015 darüber hinaus bei E.ON. Im Anhang schicke ich Ihnen die drei entsprechenden Pressemitteilungen.

Frage 2 - Welche VorgängerKunden haben vor dem 1. April den Strom von diesen Wasserkraftwerken, Windparks usw. bekommen?

Dies sind interne Informationen unserer Stromlieferanten über die DB Energie als Stromkunde keine Kenntnis hat.

Frage 3 - Werden die VorgängerKunden darüber informiert, dass sie den gewohnten Ökostrom, den sie bis zum 1. April aus den betreffenden Anlagen bekamen, nunmehr nicht mehr bekommen, weil die DB ihn nun wegkauft?

Auch hierzu hat DB Energie keine Kenntnisse.

Wir sind der Ansicht, dass die zusätzliche Ökostrombeschaffung durch die DB einen deutlichen Effekt auf den "freiwilligen Ökostrommarkt" in Deutschland hat. Die beiden Verträge mit RWE und E.ON sind die größten Beschaffungsverträge zum Einkauf von Ökostrom, die es in den vergangenen Jahren in Deutschland gegeben hat. Die Nachfrage nach Strom aus Wasserkraft in Deutschland führt - so ist auch unsere Erfahrung aus der Strombeschaffung - zu einer zunehmenden Verknappung entsprechender Strommengen. Dies erhöht die Investitionsanreize deutlich, in zusätzliche erneuerbare Erzeugungskapazitäten außerhalb des EEGs zu investieren.

Denn der für die grünen Angebote im Fernverkehr beschaffte Ökostrom stammt nicht aus Erzeugungsanlagen, die über das EEG gefördert und somit über die EEG-Umlage finanziert werden. Grundsätzlich darf Strom aus EEG-geförderten Erzeugungsanlagen nicht von Stromversorgern oder Endkunden - wie hier der DB - als Ökostrom ausgewiesen werden. Die DB trägt also durch ihre
zusätzliche und steigende Nachfrage nach Ökostrom zu einem zusätzlichen Ausbau erneuerbarer Erzeugungsanlagen außerhalb des EEGs bei.

Dazu kommt noch der Neuanlagenbonus, mit dem die DB jedes Jahr innovative Projekte zum Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland unterstützt.

Zuletzt wurde das Hybridkraftwerk Prenzlau der Firma Enertrag gefördert, mit dem Windstrom als Wasserstoff zwischengespeichert werden kann um diesen dann bei Windstille wieder in Strom umzuwandeln und ins Stromnetz einzuspeisen
http://www.deutschebahn.com/de/nachhaltigkeit/oekologie/klimaschutz/hybridkraftwerk.html .

Frage 4 - Wieviele eigene Wind- oder Solaranlagen hat die DB bisher auf ihrem ausgedehnten Betriebsgelände errichtet?

Die DB betreibt keine eigenen Wind- oder Solaranlagen, sondern bezieht - wie auch bei einem Großteil der konventionellen Strommengen - den Ökostrom von dritten Kraftwerksbetreibern. Allerdings stellt sie ihre Flächen für Investoren zur Verfügung. Insgesamt waren auf DB-Flächen von Investoren in 2012 PV-Anlagen mit einer Leistung von insgesamt 6,34 MWp installiert, was
einen Zuwachs um 0,42 MWp (+7,1%) gegenüber 2011 darstellt. Der Zuwachs in 2013 an zusätzlich installierter PV-Kapazität wird voraussichtlich im deutlich zweistelligen Prozentbereich liegen.

Auf DB-Flächen wurden bislang keine Windparks errichtet.

Bei weiteren Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Jan Rordorf
DB Umweltzentrum
Grundsätze, Gestaltung, Entwicklung (TUG)

 

Pressemitteilungen der DB zu den Ökostromlieferverträgen

PM zum Vertrag mit dem RWE

DB - RWE Vertrag 2011_07

PM zum Vertrag mit EON

DB - EON Vertrag 2012_11

PM zum Vertrag mit Verbund Wasserkraft

DB - Verbundkraftwerke 2013_03