Der SFV stellt mit tiefer Besorgnis fest, dass diese klimawirksame Rolle der Biomasse in der Diskussion um ihre energetische Nutzung nahezu in Vergessenheit geraten ist.
Die Photosynthese ist der 'Motor' im globalen biogenen Kohlenstoffkreislauf. Wird die Leistung dieses 'Motors' durch Verminderung der Biomasse z.B. durch ihre energetische Nutzung verringert, so führt dies unweigerlich zu höheren CO2-Gehalten in der Atmosphäre.
Darüber hinaus muss die pflanzliche Biomasse die Ernährung der Menschen sicher stellen und sie bildet die Grundlage unserer artenreichen Ökosysteme.
Zukünftig wird der Biomasse auch noch verstärkt eine weitere Aufgabe zufallen: Die Rohstoffversorgung in einer Welt, in der die fossilen Ressourcen zur Neige gehen.
Die Fülle dieser Anforderungen macht uns deutlich, dass eine Flächenkonkurrenz praktisch unvermeidbar ist. Die zur Verfügung stehenden Flächen für die Erzeugung von Biomasse sind im "Raumschiff Erde" begrenzt und nicht vermehrbar. Bestehen nun "falsche" Anreize, so führt diese Konkurrenz zur Umwidmung von Flächen unter dem Gesichtspunkt, wie der höchstmögliche (kurzfristige) Gewinn erzielt werden kann. In der globalisierten Welt führt somit jeder Anreiz zur energetischen Biomassenutzung nicht zur Begrünung von Wüsten (weil dies zu teuer ist), sondern zur (billigeren) Urwaldrodung.
Da uns technisch wirtschaftliche Mittel zur CO2-Rückführung aus der Atmosphäre und damit zu einem wirksamen Klimaschutz außer in der pflanzlichen Biomasse nicht zur Verfügung stehen, muss folgerichtig eine Rangfolge für die Nutzung der Biomasse vorgegeben werden.
Der SFV hat somit in Anbetracht der vorherigen Erläuterungen eine neue Positionsbestimmung zur Biomassenutzung und der Rangfolge der Nutzungsarten aufgestellt:
- Ernährung
- Klimaschutz durch biogene CO2-Rückführung
- Naturschutz (Artenschutz und Ökosystemschutz)
- Versorgung mit biogenen Rohstoffen
- Futterversorgung
- energetische Nutzung
In der Konsequenz bedeutet dies insbesondere, dass für den Anbau von Energiepflanzen keine Anbauflächen mehr bereitgestellt werden dürfen (*), solange nicht die weiter oben in der Rangfolge stehenden Aufgaben hinreichend abgedeckt sind. Die energetische Nutzung muss somit mit Rücksicht auf die notwendige Rückführung von CO2 aus der Atmosphäre in biogene Speicher deutlich verringert werden.
Der Solarenergie-Förderverein Deutschland fordert stattdessen den raschen Ausbau der Stromerzeugung aus Sonnen- und Windenergie, aus Geothermie und den umweltverträglichen weiteren Ausbau der Wasserkraft.
Der SFV fordert dringend den Ausbau der dezentralen Speicherung von Strom.
Den weiteren Ausbau der energetischen Biomassenutzung hält der SFV nur für den Sonderfall von biogenen Abfall- und Reststoffen z.B. Gülle für geboten.
Wenn die Nahrungsmittelversorgung sichergestellt ist, muss aus Klimaschutzgründen die Menge des Blattgrüns sowie die Masse der lebenden und abgestorbenen organischen Substanz gesteigert werden.
Dies kann geschehen durch Aufforstung von mehr Wald, durch Vermehrung des städtischen Grüns und des Grüns längs der Verkehrswege und nicht zuletzt durch naturnahe Landwirtschaft mit einer Bodenbearbeitung, die aktiv zur Vermehrung des Kohlenstoffgehalts im Dauerhumus beiträgt.
Die Einsicht, dass eine Vermehrung der Menge lebender Pflanzen aus Klimaschutzgründen überlebenswichtig ist, muss sich letztlich auch in einer Änderung des allgemeinen ästhetischen Empfindens niederschlagen - was z.B. die Anlage von Gärten und Parks bis hin zu solchen Details wie Rückschnitt von Rasen, Hecken und Bäumen anbelangt. Hier gilt die bekannte Erkenntnis im Umweltschutz, dass auch das persönliche Verhalten jedes Einzelnen seinen Einfluss hat. Es steht uns in Deutschland schlecht an, wenn wir anklagend auf die Abholzung des tropischen Urwalds hinweisen, andererseits aber eine immer noch steigende Flächenversiegelung durch Bauten und Verkehrswege vornehmen und bei der Gestaltung unseres eigenen Grüns achtlos die unnötige Vernichtung von Pflanzenmasse hinnehmen.
Schließlich muss die Zersetzung (das Verrotten) der toten Biomasse verlangsamt werden. Dazu bietet sich die stoffliche Nutzung von Biomasse an, z.B. durch Erstellung von Bauwerken aus Holz anstatt aus Beton und zur Herstellung von Gebrauchsgütern aus organischem Material an Stelle von Erdöl, Erdgas und Kohle.
Insbesondere warnt der SFV eindringlich vor dem Import von Biomasse zur energetischen Nutzung. Auch die Biomasse in der dritten Welt muss dort ihren Beitrag zur Photosynthese und Kohlenstoffspeicherung leisten, anstatt hier bei uns "verbrannt" zu werden.
Der SFV warnt vor der weiteren Bereitstellung von Ackerflächen zum Anbau von Energiepflanzen (**). Den Mischfruchtanbau von Ölpflanzen mit Nahrungspflanzen unterstützen wir allerdings, wird doch hierfür keine
zusätzliche Fläche benötigt. Das Pflanzenöl sollte allerdings zunehmend stofflich, nicht energetisch verwertet werden.
Soweit Abfall- und Reststoffe aus organischem Material, z.B. Gülle, stofflich weder genutzt, noch sinnvoll deponiert werden können, sollte bei der energetischen Nutzung auf höchste Effizienz - z.B. durch
wärmegeführte Kraft-Wärmekopplung - hingearbeitet werden.
Mit Besorgnis sieht der SFV, dass derzeit unter dem Stichwort "der Landwirt als Energiewirt" die landwirtschaftlichen Strukturen zum Anbau von Biomasse zur energetischen Nutzung weiter ausgebaut werden. Ähnlich wie beim Bau neuer Kohlekraftwerke werden hier Fehlinvestitionen getätigt, die bei einer späteren Kurskorrektur teuer werden und das schon jetzt notwendige Umsteuern verzögern.
Der SFV weist insbesondere darauf hin, dass die zunehmende Verwendung von Biomasse als Treibstoffersatz - z.B. Alkohol aus Zuckerrohr oder Rapsöl als Ersatz für Dieselkraftstoff - das Zeitalter des fossilen Fahrzeugantriebs verlängert und die notwendige Umstellung des Individualverkehrs auf Elektroantrieb verzögert.
Eigene Berechnungen des SFV zeigen, dass selbst im dicht besiedelten Deutschland die fossilen und atomaren Energieträger auch bei Verzicht auf energetische Biomassenutzung vollständig - zu 100 Prozent - durch heimische Erneuerbare Energien ersetzt werden können.
Daher fordern wir die Entscheidungsträger auf, unverzüglich die Rahmenbedingungen für die Biomassenutzung im Sinne der o.g. Reihenfolge zu ändern. Insbesondere geht es um
- Beendigung der Anreize zur Verstromung von jeglicher Biomasse, die auf extra dafür bereitgestellten Flächen gewonnen wurde
- Wiederaufforstung ehemaliger Landwirtschaftsflächen
- Anreize für die Bauindustrie zur Nutzung von Holz statt Beton
- Anreize für die chemische Industrie zur stofflichen Nutzung von biogenen Rohstoffen statt fossiler Rohstoffe (z.B. Pflanzenöl aus Mischfruchtanbau)
- Anreize für alle Teilnehmer am Stromnetz zur Errichtung dezentraler Stromspeicher
Für den Vorstand des Solarenergie-Fördervereins Deutschland
Alfons Schulte und Wolf von Fabeck
Anmerkungen
(*) Dem Einwand, ein Vereinsprogramm dürfe sich nicht mit der Nutzung von privatem Grund und Boden befassen, tritt der SFV mit dem Hinweis auf die soziale Verpflichtung des Eigentums entgegen: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen" (Artikel 14, Absatz 2 Grundgesetz).
(**) Übergangsregelungen und Bestandsschutz: Die notwendigen Übergangsregelungen müssen insbesondere Rücksicht auf Investitionen nehmen, die im Vertrauen auf die derzeitigen Förderbestimmungen getätigt wurden (Bestandsschutz oder finanzieller Ausgleich).