Vorab:

2016 war in Mitteleuropa meteorologisch gesehen ein Jahr ohne besondere Auffälligkeiten. Es wäre deshalb leichtfertig, anhand des Wetterverlaufs in 2016 den endgültigen Bedarf an Solar- und Windanlagen sowie von Stromspeichern berechnen zu wollen. Um so eindrucksvoller aber ist die Erkenntnis, dass bereits in einem ganz "normalen" Jahr Wetterlagen vorkommen, die bei der geplanten Stilllegung von Atom- und Fossilkraftwerken nur gemeistert werden können, wenn erheblich mehr Solar-, Wind- und Speicheranlagen bereitstehen, als derzeit zumeist noch angenommen wird.

Wenn wir aus den atomaren und fossilen Techniken aussteigen und uns im Wesentlichen auf Wind und Sonnenenergie verlassen wollen, brauchen wir große Reserven für den Fall, dass das Wetter zufällig für einige Wochen keine Energie liefert. Die drohenden Schäden bei einem Zusammenbruch der Stromversorgung müssen hier nicht ausführlich beschrieben werden. Wir verweisen dazu auf eine Studie des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag "Was bei einem Blackout geschieht - Folgen eines langandauernden und großräumigen Stromausfalls.
Auch in seinem gut recherchierten Krimi "Blackout" vermittelt der Bestseller-Autor Marc Elsberg einen Eindruck davon, was für furchtbare Folgen ein Blackout haben würde.

Da niemand weiß, wie sich im Zuge des Klimawandels mit immer mehr Extremen die Wetterverläufe der folgenden Jahre gestalten werden, verlangt die Vorsorge immer höhere Sicherheitsmargen, das heißt, es müssten immer mehr Solar-, Wind- und Speicheranlagen errichtet werden als für das völlig normale Jahr 2016 nötig gewesen wären.

Hier taucht nun eine völlig neue Fragestellung auf: Was tun, wenn wir im Bemühen um eine hohe Sicherheitsmarge "Zu Viel" Solarstrom und Windstrom gewonnen und gespeichert haben, die wir möglicherweise gar nicht aufbrauchen können? Die Antwort auf diese Fragestellung ergibt sich aus der Erkenntnis, dass zur Vermeidung der endgültigen Klimakatastrophe sogar die Rückholung von CO2 aus der Atmosphäre und Lagerung von Kohlenstoff unter der Erdoberfläche notwendig werden wird. Die Rückholung von CO2 aus der Atmosphäre, die chemische Umwandlung des CO2 in eine lagerfähige Kohlenstoffverbindung und die sichere Verbringung dieser Kohlenstoffverbindung unter die Erdoberfläche sind energieaufwendige Vorgänge, für die die Menschheit gar nicht ZU VIEL Energie aus Wind und Sonne gewinnen kann. Die Sorge, dass wir vielleicht zu viel tun, können wir damit getrost beiseite lassen. In den nächsten Jahren werden wir mit der gegenteiligen Sorge zu tun haben und damit befassen wir uns im Folgenden

Fernübertragungstrassen zur Verminderung des Speicherbedarfs?

Gerüchte besagen, dass immer(!) irgendwo in Mitteleuropa genügend Wind weht. Deshalb könne man durch Vervollständigung der Fernübertragungs-Trassen zumindest den Bedarf an Stromspeichern verringern.

Die erwähnten Gerüchte und die aus ihnen gezogenen Schlussfolgerung sind falsch. Es ist noch nicht einmal sicher, dass überhaupt irgendwo in Deutschland Wind weht. Zum Beispiel sind im Jahr 2016 im Bereich des deutschen Stromnetzes (von den Offshore-Windanlagen bis zur deutschen Südgrenze) 52 Dunkelflauten aufgetreten. Unter "Dunkelflaute" verstehen wir den Ausfall der Solarenergie wegen nächtlicher Dunkelheit oder wegen dunkler Wolken und das gleichzeitige Auftreten einer Flaute (sehr schwacher Wind). Die zur Verfügung stehende elektrische Leistung aus Sonne und Wind beträgt dann weniger als fünf Prozent der installierten Gesamtleistung.
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Manche Dunkelflauten dauern nur wenige Viertelstunden, andere können sich über Nächte und sogar Tage hinziehen. Auch während einer Dunkelflaute muss die Stromversorgung ununterbrochen aufrecht erhalten werden. Um die Diskussion zu diesem Thema zu versachlichen, haben wir die Einspeisungen aus Sonne und Wind in das deutsche Stromnetz im Jahr 2016 ausgewertet. Datenquelle: Das "Agorameter"

52 Nächte mit Dunkelflaute

52 Nächte mit Dunkelflaute, in denen die in das gesamte deutsche Stromnetz (von den Offshore-Windanlagen bis nach Baden-Württemberg und Bayern) eingespeiste aufsummierte Windleistung zumindest stundenweise deutlich geringer war als ein Zehntel der installierten Windleistung.

26./27.11.2015 07./08.12.2015 13./14.12.2015 01./02.01.2016 15./16.01.2016
17./18.01.2016 20./21.01.2016 12./13.02.2016 18./19.02.2016 26./27.02.2016
05./06.03.2016 08./09.03.2016 18./19.03.2016 08./09.04.2016 14./15.04.2016*
28./29.04.2016 25./26.05.2016* 26./27.05.2016 27./28.05.2016 04./05.06.2016
16./17.06.2016 22./23.06.2016 04./05.07.2016 07./08.07.2016 12./13.07.2016
24./25.07.2016 25./26.07.2016 26./27.07.2016 30./31.07.2016 18./19.08.2016
31./01.09.2016 05./06.09.2016 09./10.09.2016 20./21.09.2016 22./23.09.2016
26./27.09.2016 09./10.10.2016 15./16.10.2016 22./23.10.2016 25./26.10.2016
30./31.10.2016 11./12.11.2016 22./23.11.2016 25./26.11.2016 28./29.11.2016
02./03.12.2016 04./05.12.2016 05./06.12.2016 06./07.12.2016 12./13.12.2016
13./14.12.2016 14./15.12.2016 16./17.12.2016 18./19.12.2016* 28./29.12.2016

In den mit * gekennzeichneten Nächten betrug die Windleistung sogar weniger als 1 Gigawatt.
Die installierte Windleistung betrug zu Beginn des Beobachtungsjahres etwas weniger als 40 Gigawatt, zum Ende des Jahres etwas mehr als 40 GW.

 

Nicht-Übereinstimmung von Stromverbrauch (dunkelrote Kurve oben) und Windstromeinspeisung (blaue Fläche unten)

Quelle: Grafiken aus dem "Agorameter"

 
Bild 1  Zunehmende Windstromeinspeisung Ende Januar 2016
Agora Wind zunehmend

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Bei weiterem Ausbau von Solar- und Windanlagen würde zu Beginn des hier dargestellten Zeitraums die Leistung nicht ausreichen. Am Monatsende würde es deutliche Leistungsüberschüsse geben.

 

Bild 2  Gute Windstromeinspeisung Ende Januar/Anfang Februar 2016 mit kurzen Einbrüchen
Agora 26-01

Installierte Windleistung nachträglich in rot durch den Verfasser eingezeichnet

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Solche Wetterlagen würden bei weiterem Ausbau von Wind- und Solaranlagen die Stromspeicher füllen.

 

Bild 3  Abnehmende Windstromeinspeisung Februar 2016
Agorameter abnehmender Wind

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Bei weiterem Ausbau von Solar- und Windanlagen würde in den letzten drei Nächten des hier dargestellten Zeitraums das Leistungsangebot nicht ausreichen.

 

Bild 4  Kaum Wind vom 09.04.16 bis 17.04.2016
Agora 09-04 bis 17-04-2016

Installierte Windleistung nachträglich in rot durch den Verfasser eingezeichnet

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Bei weiterem Ausbau von Solar- und Windanlagen gäbe es tags ein Leistungsüberangebot, nachts jedoch einen Leistungsmangel.

 

Bild 5  Extremer EE-Strommangel in den Nächten - Frühsommer 2016
agora 31-05 bis 08-06-2016.png

Installierte Windleistung nachträglich in rot durch den Verfasser eingezeichnet

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Bei solchen Wetterlagen und weiterem Ausbau von Wind- und Solaranlagen könnten tagsüber die Stromspeicher aufgeladen werden. Nachts dagegen wird Leistung fehlen.

 

Bild 6  Extremer EE-Strommangel im November 2016
agora 5-11 bis 13-11-16

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Trotz weiterem Ausbau von Solar- und Windanlagen können bei solchen Wetterlagen nur wohlgefüllte Langzeitspeicher die Stromversorgung sichern.
 

Schlussfolgerungen

Mit weiterem Ausbau von Solar- und Windanlagen können wir rechnerisch im Jahresmittel den Energiebedarf decken.
Es wird dann genügend Solar- und Windenergie geben, nur kommen sie nicht immer zur gewünschten ZEIT. Überhöhte Solar- und Wind-Leistung muss ZEITLICH verschoben werden.
Nur Stromspeicher können Leistungen ZEITLICH verschieben. Stromleitungen können Leistung nur ÖRTLICH verschieben. Wir brauchen deshalb Strom-SPEICHER statt Strom-Fern-Leitungen.

Würde man mit entsprechendem Engagement sofort dezentrale Stromspeicher errichten, dann brauchte man Windanlagen und Solaranlagen bei Starkwind und gutem Sonnenschein nicht mehr abzuregeln. Die Milliarden für die Fernübertragungsleitungen sollte man besser in den Speicherbau stecken.