Neue Erkenntnisse zwingen zu einer vollständigen Neuüberarbeitung

mit freundlichen Grüßen,
Wolf von Fabeck

Worum geht es?

Wieder ne Sechs

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Wir leben in einer Zeit des Übergangs von der konventionellen Energiebereitstellung zur Versorgung mit Erneuerbaren Energien. Dieser Übergang muss aus ökologischen Gründen beschleunigt werden. Für diesen Übergang suchen wir ein Steuerungsinstrument, das fossile Kraftwerke nur noch dann und nur in dem Umfang einsetzt, wie Sonnen- und Windenergie nicht ausreichend zur Verfügung stehen. Dies ist ein wichtiges Zwischenziel.

Ob Sonnen- und Wind-Energie ausreichend oder nicht ausreichend zur Verfügung stehen, erweist sich erst durch die Wettervorhersage am Tag vor dem aktuellen Stromeinsatz. Erst auf der Grundlage dieser Kenntnisse dürften verbindliche Kraftwerks-Einsatzplanungen erfolgen. Dahin gehen die Überlegungen, über die hier berichtet werden soll.

Geeignetes Instrument dafür könnte der Day Ahead Spotmarkt sein bei vollständigem Verzicht auf vorhergehende OTC- (Over The Counter) und Terminmarkt-Handelsgeschäfte.

Link zum Folienvortrag

pdf-Datei Spotmarkt Only statt freier Strommarkt

 

Gliederung

 

Sinkende Preise am Spotmarkt - ein Indiz für Überangebot von fossiler und atomarer Energie

Der Spotmarkt für Strom ist ein empfindliches Instrument, an dessen Preis sich ablesen lässt, wie hoch das Interesse der Marktteilnehmer an einer Komplettierung ihres Portfolios (also am Einkauf weiteren Stroms) unmittelbar vor dem Liefertermin ist.

Eine Kurzstudie der ISE Fraunhofergesellschaft (dort Abbildung 3) zeigt auf, dass die Vermarktungserlöse für EE-Strom am Spotmarkt seit 2009 laufend (mit einer Ausnahme) von Jahr zu Jahr zurückgegangen sind.

Während sie im Jahr 2009 noch 5,15 Mrd. Euro betrugen, sanken die Erlöse bis 2014 auf ca. 2,74 Mrd. Euro, also fast auf die Hälfte, obwohl die erzeugte und gehandelte jährliche EEG-Strommenge sich in dieser Zeitspanne nahezu verdoppelte.

Wohlgemerkt geht es hier nicht um die Menge (in MWh) des am Spotmarkt gehandelten Stroms, sondern ausschließlich um die ständig nachlassenden Erlöse. Deutlicher lässt sich das Desinteresse der Marktteilnehmer am Kauf von Spotmarktstrom wohl kaum dokumentieren.
Das Desinteresse der Einkäufer lässt sich nur damit erklären, dass sie sich bereits vorher am Terminmarkt oder im OTC-Handel mit ausreichend Strom eingedeckt hatten. Und das konnte nach Lage der Dinge nur fossil oder atomar erzeugter Strom gewesen sein.

 

„Finanzielle Wälzung“ über den Spotmarkt - Ein Schritt in die richtige Richtung

Der Gesetzgeber hat 2009 eine Änderung der Ausgleichsmechanismus-Verordnung vorgenommen. Er bestimmte, dass Strom aus Erneuerbaren Energien erst am Spotmarkt (Day Ahead oder Intraday) verkauft werden darf, also frühestens am Tag vor dem endgültigen Liefertermin. Da zu diesem Zeitpunkt das Wetter des folgenden Tages gut vorhersehbar ist, wurde damit der Großhandel mit EE-Strom auf eine quantitativ verlässliche Basis gestellt.

 

Beauftragung der Übertragungsnetzbetreiber mit der Vermarktung des EE-Stroms

Mit dem Verkauf des EE-Stroms hat der Gesetzgeber ab dem 01.01.2010 die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) beauftragt. Soweit die ÜNB beim Verkauf am Spotmarkt nicht die erforderlichen Einnahmen erzielen, die sie für die Zahlung der gesetzlichen Einspeisevergütung benötigen, soll die fehlende Differenz („Differenzkosten“) von den Letztkundenversorgern durch Aufschläge auf den Strompreis („EEG-Umlage“) erbracht werden (dies wird bisweilen als „finanzielle Wälzung“ bezeichnet.)

Wir wenden uns in diesem Zusammenhang gegen die Befreiung der Viel-Verbraucher (der „privilegierten Stromkunden“) von der EEG-Umlage – aber das gehört zu einem anderen Thema!

 

Direktvermarktung - eine Fehlentwicklung

Unter „Grundsätze des Gesetzes“ besagt § 2 Absatz 2 EEG 2014, „Strom aus erneuerbaren Energien und aus Grubengas soll zum Zweck der Marktintegration direkt vermarktet werden.“ Vorerst sind nur größere PV-Neuanlagen ab 100 kW betroffen, aber eine verhängnisvolle neue Entwicklungsrichtung ist damit klar vorgegeben. Hildegard Müller, Geschäftsführerin im BDEW, hat dazu angemerkt, aus Subventionsempfängern sollten Kaufleute werden.

Hier entsteht vorhersehbar ein neues Problem: Bedenkt man, dass Betreiber dezentraler Kleinanlagen im Regelfall Anderes zu tun haben, als Tag für Tag unterschiedliche kleine PV-Strommengen zu verkaufen, so war (nicht nur im rückblickenden Vergleich) die Beauftragung der ÜNB im Jahr 2009 eine begrüßenswerte Regelung. Ein Eingehen auf die im EEG 2014 erfolgte Neu-Komplizierung würde allerdings den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen.

 

Spotmarktpflicht nur für EE-Strom - nicht aber für konventionell hergestellten Strom - Die letzte Konsequenz fehlt

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Leider hat der Gesetzgeber 2009 bei der Bereinigung des Stromgroßhandels eine entscheidende Konsequenz versäumt. Zwar darf EE-Strom nur noch am Spotmarkt verkauft werden, konventionell erzeugter Strom hingegen darf immer noch am Terminmarkt oder im OTC-Handel (also weit im Voraus) zum Kauf angeboten werden. Diese historisch gewachsene Möglichkeit wurde ihm belassen.

Umgehung des Spotmarkts

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Betrachtet man diese Ausnahmeregelung zu Gunsten des konventionell erzeugten Stromes im Zusammenhang mit der geplanten Energiewende, so zeigt sich ihre Kontraproduktivität! Geht es doch bei der Energiewende um die Bereitstellung von Energie mit möglichst geringer Belastung der Ökologie. Der Strom mit den besseren ökologischen Eigenschaften soll verkauft werden, nicht aber Fossil- oder Atomstrom, dessen einziger Vorteil in der vorherbestimmbaren Planbarkeit liegt!

Der Gesetzgeber hat dies bei der Bereinigung des Stromgroßhandels aus den Augen verloren.

 

Strom aus Erneuerbaren Energien soll sich finanziell selbst tragen können

Millionen von Bürgern haben Geld in die neue Technik investiert und hoffen nun, dass ihr Engagement sich nicht nur durch Verringerung des CO2-Ausstoßes und Verlangsamung der radioaktiven Verseuchung bemerkbar macht, sondern dass Wind- und Solarenergie sich bald auch durch ihre Verkaufserlöse selber tragen können. Der bisherige Notbehelf - die sogenannte EEG-Umlage - sollte endlich entbehrlich werden!

So abwegig ist diese Überlegung nicht! Kohle und Atomstrom werden teurer. Solar- und Windstrom werden dagegen immer billiger. Immerhin hat Massenproduktion von PV- und Windanlagen dazu geführt, dass eine Kilowattstunde Solarstrom für 12 Cent hergestellt werden kann - oder Windstrom sogar mit weniger als 10 Cent/kWh. Beide sind erheblich billiger als der Strom aus der Haushaltssteckdose, für den inklusive Netzgebühren, EEG-Umlage und Steuern unverhältnismäßig weit mehr als das Doppelte, nämlich etwa 28 Cent zu zahlen sind.

 

Wie könnte die Einhaltung einer „Spotmarkt-Only Marktordnung“ kontrolliert werden?

Am Spotmarkt sind für jeden Zeitpunkt alle „individuellen“ Einspeiser (Anbieter) und Entnehmer (Nachfrager), die zum Zug gekommen sind, bekannt. Dazu gehören auch alle Einspeiser von EE-Strom. Alle Einspeiser werden den Bilanzkreisverantwortlichen genannt, die dann bei Problemen ggf. herausfinden können, wer sich nicht an die Einspeise- und Entnahme-Abmachungen gehalten hat.

Die Kraftwerksfahrpläne ergaben sich bisher aus den abgeschlossenen Handelsgeschäften im Termin- und OTC-Handel, sowie am Spotmarkt. Wenn zukünftig nur noch solche „Fahrpläne“ anerkannt werden, die sich aus Spotmarktgeschäften ergeben, verlieren Termin- und OTC-Handel jede Bedeutung.

 

Was ist noch zu tun?

Die vorangehenden Überlegungen zeigen, dass eine Bereinigung des Stromgroßhandels überfällig ist. Doch damit allein ist das Problem noch nicht gelöst. Ein zusätzliches Zurückdrängen der Kohle- und insbesondere der Braunkohleverstromung z.B. durch ordnungsrechtliche Verbote (Kohleausstiegsgesetz) ist erforderlich und last but not least, energische Markteinführungen sowohl für Pufferspeicher zur Glättung der fluktuierenden Solarstromerzeugung als auch für die chemische Langzeitspeicherung von Energie. Die Schaffung einer strategischen Energiereserve an Power to Gas und Power to Liquid (z.B. Methanol) ist ebenfalls dringend erforderlich.

 

Anhang 1:

 

Ist die „physikalische Wälzung“ der „finanziellen Wälzung“ vorzuziehen?

Die Erkenntnis, dass die vorangehenden Handelsabschlüsse im Termin- oder OTC-Handel zu einer Erhöhung des Fossil- und Atomeinsatzes führen, ist noch nicht Allgemeingut. So findet man häufig die Vermutung, dass die Umstellung von der „physikalischen“ auf die „finanzielle Wälzung“ ursächlich für den Preisverfall am Spotmarkt sein könnte.

Die oben erwähnte Fraunhofer-ISE Kurzstudie vertritt diese Annahme. Zitat: „Die Reform des EEG-Ausgleichsmechanismus hin zu einer rein finanziellen Wälzung führte wie zuvor in Abbildung 3 gezeigt zu einem Rückgang der Vermarktungserlöse für EEG-Strom von 5,15 Mrd. Euro in 2009 auf 3,35 Mrd. Euro in 2010.“

Bei Wikipedia liest man (abgerufen am 14.03.2015 11:35) eine ähnliche Version: „Der mit der Verordnung beschlossene reformierte Wälzungsmechanismus gilt als entscheidender Faktor für das starke Absinken der Börsenstrompreise ab 2010 und damit die rapide Verteuerung der EEG-Umlage im gleichen Zeitraum.“

Die drei entscheidenden Unterschiede zwischen dem älteren Wälzungsverfahren und dem neueren Verfahren werden dabei übersehen.

Die Bundesnetzagentur lenkt schließlich die Aufmerksamkeit auf einen wichtigen Punkt - die Abschaffung der EEG-Bandveredelung: „Die Abschaffung der EEG-Bandveredelung und der physikalischen Wälzung an die Stromlieferanten durch die AusglMechV hat die EEG-Vermarktungskosten deutlich vermindert.“ [Quelle: Evaluierungsbericht zur Ausgleichsmechanismus Verordnung].

Kommen wir also auf die entscheidenden Unterschiede, die letztlich zur Erhöhung der Differenzkosten geführt haben. Die entscheidenden Unterschiede zwischen dem älteren und dem neueren Verfahren liegen darin:

1. Dass bei dem älteren Verfahren die Energiemengen, um die es ging, erheblich geringer waren

2. Dass bei dem älteren Verfahren der EEG-Strom zu Monatsbändern „veredelt“ wurde

3. Und dass wegen 2. die benötigten Geldmittel nicht die Spotmarkterlöse sondern die Netzkosten belasteten.

Ein zusätzlicher Hinweis findet sich in der eingangs erwähnten Fraunhofer-ISE Studie. Dort findet sich die Anmerkung, die Bundesnetzagentur hätte z.B. im Jahr 2007 Kosten für die EEG-Veredelung in Höhe von 570 Mio. Euro genehmigt.
Nun ja, so könnte man es ausdrücken: Die Übertragungsnetzbetreiber haben mutig abgeschätzt, wie viel EEG-Strom die Solar- und Windanlagen im kommenden Monat wohl bringen könnten und haben dann diese Strommenge als „Monatsband“ (ununterbrochene gleichmäßige Lieferung) an die Endkundenversorger verkauft. Die unvermeidlichen Fehler korrigierten die ÜNB dann viertelstündlich mit Hilfe der ihnen zur Verfügung stehenden Regel- und Ausgleichsenergie.

Die lyrische Umschreibung der Vorgänge mit der Aussage es seien „veredelte Monatsbänder“ an die Letztkundenversorgungsunternehmen geliefert worden, war die Beschreibung eines Wunschtraums. So lange die Wettervorhersage ihren Vorhersagezeitraum nicht ganz erheblich ausdehnt, ist der Vorabverkauf von Solar- und Wind-Strom ein regelrechtes Glücksspiel. Und die „Veredelung“ gar zu einem „Monatsband“ hat keinen Bezug zur Realität. Mit gleichem minimalisierten Anspruch an Genauigkeit könnte man einen kurzen Trommelwirbel durch einen einmonatelangen Dauerton ersetzen (ihn „veredeln“).
Ein seriöser Großhandelsmarkt für EE-Strom kann jedenfalls frühestens am Day Ahead Spotmarkt stattfinden.

 

Anhang 2: Beispiele

Nach den grundsätzlichen Überlegungen zur Missachtung des EE-Strom-Vorrangs im Großhandel scheinen weitere Ausführungen prinzipiell entbehrlich.

Die folgenden Beispiele sind lediglich zur Illustrierung der bisherigen Überlegungen gedacht. Sie betrachten die Verhältnisse aus anderen Blickwinkeln, führen aber letztlich zum selben Ergebnis. Erhellend dürfte dabei insbesondere die Tatsache sein, dass sich kein einziges Beispiel findet, bei dem die Teilnahme der konventionellen Stromerzeuger am Termin- oder OTC-Handel dem Vorrang des EE-Strom in irgend einer Weise gedient hätte.

 

Beispiel 1 - Verminderung der Spotmarkt-NACHFRAGE durch Terminmarkt und OTC-Handel

Die üblichen Erklärungen für den Verfall der Spotmarktpreise gehen zumeist davon aus, dass ein zunehmendes ANGEBOT an EE-Strom durch den Merit-Order-Effekt zum Preisverfall geführt hat. Das ist richtig, ist aber nicht die ganze Wahrheit. Der Merit-Order-Effekt tritt nicht nur bei einer Veränderung der Strom-Angebote, sondern auch bei einer Änderung der Strom-Nachfrage ein. Eine Verminderung der Nachfrage führt in Stunden mit hohem EEG-Strom-Angebot ebenfalls zum Preisverfall am Spotmarkt!

Stromhandelsabschlüsse, die bereits Monate oder Jahre im Voraus am Terminmarkt oder im OTC-Handel getätigt wurden, vermindern die NACHFRAGE nach Strom am folgenden Spotmarkt. Der Grund: Die bereits im Terminhandel oder in zweiseitigen OTC-Verträgen befriedigte Nachfrage kann später am Spotmarkt von denselben Nachfragern nicht noch einmal ausgeübt werden. In Stunden mit hohem EEG-Strom-Angebot steht diesem am Spotmarkt nur eine reduzierte Nachfrage gegenüber. Bei weiterer Zunahme der EE-Strom Mengen wird dieses Missverhältnis immer weiter zunehmen.

 

Beispiel 2 - Preisverfall am Spotmarkt schädigt Anbieter von EEG-Strom stärker als andere Anbieter

EEG-Strom wird ausschließlich (zu 100 %) am Spotmarkt verkauft; konventionell hergestellter Strom dagegen nur zu einem erheblich geringeren Prozentsatz. Ein Preisverfall am Spotmarkt wirkt sich deshalb auf EEG-Strom zu 100 Prozent, d.h. am heftigsten aus. Die EEG-Strom-Anbieter werden durch jeden Preisverfall am Spotmarkt finanziell geschädigt. Für die konventionellen Stromerzeuger gilt dies nicht generell, denn sie bekommen ihre Bezahlung oft nur zu einem (kleineren) Anteil vom Spotmarkt, haben dafür aber sonstige Einnahmen vom OTC-Markt oder Terminmarkt.

Noch eine kurze Anmerkung zu dem „Schaden“, den die Anbieter des EEG-Stroms erleiden: Es sind zumeist die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB), die den EEG-Strom am Spotmarkt anbieten. Von einer „Schädigung“ der ÜNB durch verfallende Spotmarktpreise kann man hier nicht direkt sprechen, da sie die fehlenden Beträge über die EEG-Umlage wieder ersetzt bekommen. Es ist aber offensichtlich, welchen Entmutigungseffekt das scheinbar unaufhaltsame Ansteigen der EEG-Umlage bei der Durchführung der Energiewende verursacht; ein weiterer Gesichtspunkt also, der für eine Bereinigung des Strommarktes spricht.

 

Beispiel 3 - Negative Spotmarktpreise - Abregelung von EE-Anlagen - Stromverschwendung

An vielen Tagen im Jahr kommt es bereits zu negativen Spotmarktpreisen. Die oben erwähnte Kurzstudie der ISE Fraunhofergesellschaft zeigt in Abbildung 6 auf, dass es im Jahr 2013 an etwa 20 Terminen am Day Ahead Spotmarkt zu Preisen zwischen -8 €/MWh und -100 €/MWh gekommen ist, im Wesentlichen verursacht durch den Weiterbetrieb von Atom- und Braunkohlekraftwerken.

Es sind aber nicht diese Atom- und Braunkohlekraftwerke, die diese negativen Spotmarktpreise bezahlen, denn diese Grundlastkraftwerke nehmen nur zu einem sehr geringen Anteil am Spotmarkt teil. Im wesentlichen sind es die am Überangebot „unschuldigen“ EEG-Stromanbieter, die den negativen Preise am Spotmarkt nicht entgehen können.

Wichtig ist auch der nachteilige Einfluss, den negative Spotmarktpreise auf EEG-Anlagenbetreiber ausüben, die freiwillig oder gezwungener Maßen versuchen, ihren Strom selbst zu verkaufen. Dienstleister, die EEG-Strom am Spotmarkt verkaufen, vereinbaren mit ihren Auftragsgebern, dass sie deren Anlagen abregeln dürfen, wenn negative Spotmarktpreise drohen. So kommt es zu einem „freiwilligen“ Verzicht auf den Einspeisevorrang. Außerdem nimmt die erzielte Rendite für betroffene EEG-Anlagen ab und damit der Anreiz zum Bau weiterer EEG-Anlagen.

Schließlich darf nicht vergessen werden: Die Stromnachfrage wird bei negativem Strompreis elastisch. Es kommt zu Stromverschwendung und zusätzlichem CO2-Ausstoß, denn jeder, der in diesen Stunden Strom verbraucht, bekommt Geld für jede „entsorgte“ Kilowattstunde dazu. Dies führt zum Beispiel dazu, dass Kühlhäuser gleichzeitig kühlen und lüften, dass Kühlwasserpumpen bereits stillgelegter Kohlekraftwerke das Hafenbecken „umrühren“, dass Weichenheizungen im Sommer betätigt werden usw.

Aus ökologischen Gründen dürfte man eigentlich nur den Betreibern von Speicheranlagen die Nutzung negativer Spotmarktpreise gestatten.


 

Beispiel 4 - Betreiber rasch regelbarer Fossil-Kraftwerke erzeugen sekundäre Nachfrage und senken damit das Preisniveau

Ein Steinkohlekraftwerksbetreiber verkauft Strom zum Steinkohle-Vollkostenpreis am Terminmarkt an einen großen Glashersteller. Dieser Glashersteller kann dann später am Day Ahead Spotmarkt keinen billigeren Strom mehr einkaufen, denn sein Bedarf ist bereits gedeckt. Die offensichtlich höheren Stromkosten, die er am Terminmarkt bezahlt hat, akzeptiert er aus Gründen der Versorgungssicherheit nach dem Motto „Sicherheit hat ihren Preis“.

Erst am Day Ahead Spotmarkt kommen dann die Solar- und Windanlagen ins Spiel. Sie hatten keine Chance, ihren Strom am Terminmarkt vorher zu verkaufen. Und am Day Ahead Spotmarkt fehlen ihnen dann die bereits befriedigten Nachfrager, z.B. der erwähnte große Glashersteller. Auch deshalb geht am Spotmarkt der Preis runter.

Der Steinkohlekraftwerksbetreiber aber nutzt seine Chance. Er kauft am Day Ahead Spotmarkt eine entsprechende Menge von Strom und fährt für die betreffenden Stunden sein Steinkohlekraftwerk herunter. Damit spart er die Brennstoffkosten. Statt des von ihm ursprünglich zugesagten Steinkohlestroms wird die gleiche Menge von billigerem Spotmarktstrom ins Verbundnetz eingespeist.

Der Steinkohlekraftwerksbetreiber bezahlt also am Spotmarkt für den „Ersatzstrom“ weniger als die Vollkosten seines Steinkohlekraftwerks (sonst hätte es sich für ihn nicht gelohnt). Im Endeffekt wird also am Day Ahead Spotmarkt die selbe MWh-Menge von Strom nachgefragt, aber das Preisniveau ist geringer als es ohne vorhergehenden Terminmarkt gewesen wäre. Den Gewinn streicht der Steinkohlekraftwerksbetreiber ein und die EEG-Stromanbieter müssen mit dem verringerten Spotmarktpreis vorlieb nehmen.

Bei einer „Spotmarkt Only“ Marktordnung würden dagegen alle für die betreffende Lieferstunde relevanten primären Angebote und Nachfragen ohne Ausnahme vollständig herbeigezogen. Dagegen würden alle bisher durch Zwischenhandel und Börsenspekulation entstehenden sekundären Nachfragen und Angebote unberücksichtigt bleiben.

 

Beispiel 5 - Verursacher negativer Spotmarktpreise sollten diese selber tragen!

Ein „Spotmarkt Only“ Gebot würde dazu führen, dass die Verursacher unzureichender oder gar negativer Spotmarktpreise selbst in erster Linie an deren Finanzierung beteiligt würden. Um welche Beträge es dabei geht, zeigt die erwähnte Kurzstudie in Abbildung 6. Dort sind 20 Ereignisse grafisch dokumentiert, bei denen die deutschen Atomkraftwerksbetreiber mit 75 % ihrer Gesamtleistung weiter betrieben wurden, obwohl der Spotmarktpreis zwischen -8 €/MWh und -100 Euro/MWh gelegen hat. Diese Atomkraftwerke haben vermutlich nicht am Spotmarkt teilgenommen. Aber man stelle sich die von den AKW-Betreibern zu leistenden Zahlungen alleine nur in diesen 20 Stunden vor, wenn damals bereits das Spotmarkt Only Gebot gegolten hätte. Niedrige Clearing-Preise hätten dann nicht nur die „schuldlosen“ Erneuerbaren Energien getroffen, sondern auch die eigentlichen Verursacher, nämlich die konventionell erzeugten Energien, die - wie Abbildung 6 zeigt - nur etwa auf 55 bis 80 Prozent abgeregelt worden sind.

Die von Stunde zu Stunde (bzw. Viertelstunde zu Viertelstunde) wechselnden Spotmarktpreise würden dann unterschiedslos sowohl für konventionell erzeugten Strom als auch für EE-Strom gelten. Auf diese Weise wird eine diskriminierungsfreie händlerische Bewertung des EE-Stroms möglich.

 

Vorstandsbeschluss am 20.03.2015 zum Thema Spotmarkt Only

Nach eingehender Diskussion beschließt der Vorstand des SFV, in der Öffentlichkeitsarbeit für eine Strommarktordnung mit dem Arbeitstitel "Spotmarkt Only" zu werben. Ziel dieser Neuordnung ist es, den Stromhandel am Terminmarkt und im OTC-Handel abzuschaffen, um die Umstellung der Stromversorgung auf Erneuerbare Energien zu beschleunigen.

Alfons Schulte, Dr. Bernd Brinkmeier, Wolf von Fabeck