Obwohl die uns drohende Welt der Klimakriege um schwindendes Wasser, schwindende Nahrung und schwindendes bewohnbares Land ökonomisch und existenziell für fast alle Menschen eine Katastrophe wäre, ist der völkerrechtliche Klimaschutz im südafrikanischen Durban Ende 2011 wieder einmal nicht vom Fleck gekommen. Auch die EU ist nicht der oft propagierte Vorreiter im Klimaschutzrecht. Die Treibhausgasemissionen pro Kopf sind immer noch auf dem etwa zehnfachen Niveau dessen, was dauerhaft und global durchhaltbar wäre. Und die angeblichen Emissionsreduktionen seit 1990 sind im Wesentlichen nur Emissionsverlagerungen, weil die Konsumgüter für den Wohlstand der EU-Bürger immer öfter in den Schwellenländern produziert werden.
Umso wichtiger sind nationale Vorreiteraktivitäten im Klimaschutz, zumal sie oft sogar wirtschaftliche Vorteile bringen. Neben Restriktionen für fossile Brennstoffe und einer Deckelung des Gesamtenergieverbrauchs ist besonders der Ausbau erneuerbarer Energien bei Strom, Wärme und Treibstoff wichtig. Nachdem bereits die angebliche Energiewende nach Fukushima wenig entschlossen ausfiel, droht die Bundesregierung genau diesen Ausbau nun zu entmutigen, und zwar durch Pläne für eine Änderung der aktuell technischen Anforderungen an bestehende Solaranlagen. Dies würde Kleinanlagenbetreiber in hohem Maße finanziell belasten und könnte damit das für den Ausbau erneuerbarer Energien essentielle Vertrauen nachdrücklich erschüttern.
Der Staat haftet für Fehler der Sachverständigen
Hintergrund ist, dass seit 2005 alle Photovoltaikanlagen gemäß den technischen Normen mit einer Vorrichtung ausgestattet werden mussten, die die Anlage bei bestimmten, durch intensive Sonneneinstrahlung verursachte Höchstfrequenzen sofort vom Stromnetz trennt. Dadurch sollen Schäden am Netz vermieden werden. Würden sich allerdings an einem sonnigen Tag alle deutschen Solaranlagen gleichzeitig abschalten, wäre das etwa so destabilisierend wie der gleichzeitige Wegfall vieler Großkraftwerke. Deshalb soll jetzt eine Nachrüstung her, die das Frequenzproblem ohne Abschaltungen löst. Dass so etwas nötig ist, war freilich für Sachverständige seit langem erkennbar immerhin hatte die Politik stets betont, die Energieversorgung mittelfristig allein auf erneuerbare Energien umstellen zu wollen.
Die demnächst voraussichtlich per Verordnung festgesetzte Nachrüstungspflicht trifft damit finanziell diejenigen, die sie nicht verursacht haben. Zwar ist die Maßnahme als solche sicherlich naheliegend. Möglicherweise müsste aber eher der Staat für die Kosten einstehen, weil das zuständige Normungsgremien seinerzeit nicht rechtzeitig die richtigen technischen Vorgaben für Solaranlagen gemacht und damit das Nachrüstungsproblem erst verursacht hat.
Dabei spricht für eine Zurechung der Fehler, dass sich der Staat in § 7 Abs. 2 Erneuerbare-Energien-Gesetz und 49 Abs. 1 Energiewirtschaftsgesetz die Vorgaben jener (an sich privaten) Gremien explizit zu eigen macht. Die geplante Regelung und Kostentragung kann dabei als Eigentums-Inhaltsbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz (GG) klassifiziert werden. Eine solche Bestimmung darf aber nicht ohne weiteres ohne Kostenübernahme durch den Staat getroffen werden, sie wäre ansonsten unverhältnismäßig.
Denn Grundrechtskatalogen wie jenem des GG liegt ein so genanntes Verursacherprinzip zugrunde. Dieses gibt vor, dass die Verursachung eines Problems auch kostenmäßig dem kausal Handelnden (oder Unterlassenden) angelastet werden muss, soweit nicht ausnahmsweise starke Gründe für eine Abweichung von diesem Grundsatz sprechen. Gegen eine Kostenanlastung bei den Anlagenbetreibern spricht außerdem: Die von der Bundesregierung angestrebte Nachrüstung von 315.000 PV-Anlagen dient der Verbesserung der Netzstabilität, die nicht nur nicht von den Solaranlagenbetreibern verursacht ist, sondern auch schlicht allen Stromnutzern also allen Menschen nutzt.
Vertrauensverlust bei Betreibern und Erbauern von Solaranlagen
In Konflikt gerät die Neuregelung unter der Überschrift des Eigentumsgrundrechts nicht nur mit dem Verursacherprinzip, sondern auch mit dem Vertrauensschutzprinzip: Wenn der Staat eine ersichtlich notwendige Regelung zunächst nicht trifft, sondern vielmehr ihr Gegenteil vorschreibt, dann aber plötzlich doch diese Regelung verfügt, so trifft dies die Anlagenbetreiber in einem rechtlich schutzwürdigen Vertrauen.
Im Sinne einer reibungslosen Abwicklung, und weil irgendeine technische Nachrüstung im Interesse aller Bürger erfolgen muss, ist weiterhin noch zu berücksichtigen, dass die Anlagen-betreiber bei alleiniger Kostenübernahme keinerlei Anreiz hätten, die Umrüstung zügig durchzuführen. Zu bedenken ist zuletzt, dass eine Regelung zu Lasten der Anlagenbetreiber auch anderen (letztlich nämlich allen Menschen) schadet, indem sie eine wesentliche Voraussetzung für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien zu untergraben droht.
Jene wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Markteinführung der erneuerbaren Energien ist nämlich das Vertrauen künftiger Erneuerbare-Energien-Anlagenbauer in die Verlässlichkeit der finanziellen Anreize zum Bau etwa von Solaranlagen. Genau jenes Vertrauen wird durch Regelungen, die in ersichtlich unbilliger Weise den Anlagenbetreibern Kosten auferlegen, nachdrücklich erschüttert. Dies ist keine "nur politische" Erwägung; denn das Grundrecht auf Leben und Gesundheit erfordert auch einen wirksamen Schutz gegen den Klimawandel.
Zum Autor
Prof. Dr. Felix Ekardt, LL.M., M.A. Jurist, Philosoph und Soziologe, Universität Rostock, Leiter der Forschungsgruppe Nachhaltigkeit und Klimapolitik, Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie ist politikberatend national und international im Klimaschutz tätig und arbeitet vor allem in den Bereichen Energie- und Klimaschutzrecht, WTO-Recht, Gerechtigkeits- und Menschenrechtstheorie und transdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung.
Rechtsgutachten von Prof. Dr. Felix Ekardt im Auftrag des Solarenergie-Fördervereins Deutschland e.V.: "Technische Solaranlagennachrüstung und deren grundrechtliche und staatshaftungsrechtliche Problematik gegenüber Kleinanlagenbetreibern"