Bei einem wachsenden Anteil dezentraler erneuerbarer Stromerzeuger muss die Netzregelung in Zukunft ohne Großkraftwerke auskommen. Die Dezentralität ermöglicht grundsätzlich zusätzlich eine stabile lokale Stromversorgung, die beispielsweise bei einem globalen Blackout nutzbar wäre. In diesen Fällen können Großbatterien die zentralen Elemente bilden.

Über die innovative Gemeinde Bordesholm im Norden Deutschlands berichteten wir bereits im Solarbrief [1]. Der lokale Energieversorger, die Versorgungsbetriebe Bordesholm (VBB), hat im Mai 2019 eine Großbatterie in Betrieb genommen (Bild 1, 2). Die Großbatterie hat eine Gesamtkapazität von 15 MWh und eine maximale Leistung von 12,5 MW, wovon 10 MW im Regelbetrieb angemeldet sind. Sie besteht aus sieben gleichen unabhängigen Strängen mit jeweils einem Batterieblock, Wechselrichter und Netztransformator.

Großbatterie Bordesholm, Eberhard Waffenschmidt und Frank Günther

Bild 1: Eberhard Waffenschmidt (TH-Köln) und Frank Günther
(VBB) vor dem Gebäude der Großbatterie in Bordesholm.

Im Normalbetrieb ist die Batterie für den Primärregelleistungsmarkt präqualifiziert. Die Wechselrichter und die Netzinfrastruktur sind jedoch auch darauf ausgelegt, die Gemeinde Bordesholm mit der Batterie als Inselnetz zu versorgen. In 2019 wurden erste Voruntersuchung zum Inselnetzbetrieb durchgeführt. Am 30. November wurde die Gemeinde Boresholm erstmals für eine Stunde vom deutschen Stromnetz getrennt und versorgte sich dabei weiterhin stabil mit Strom aus Biomasse, Photovoltaik und einer Batterie. [2]

Die Großbatterie ist in der Lage, im Inselbetrieb als Netzbildner zu dienen und Spannung und insbesondere Netzfrequenz stabil zu halten. Damit können auch dezentrale Generatoren wie Photovoltaik (PV) – Anlagen (ca. 1,4 MWp) und die dort vorhandene Biomasseanlage (bis zu 2,4 MW) weiter in Betrieb bleiben und Leistung einspeisen.

Als Voruntersuchung für einen Versuch mit der Gemeinde Bordesholm wurde ein Experiment mit einer künstlichen Last unternommen (wir berichteten [1]). Insgesamt stimmten diese Messungen zuversichtlich, dass mit einem geplanten Schalten ein Inselnetzversuch mit der Gemeinde Bordesholm als Verbraucher ohne Beeinträchtigung der Stromversorgung durchgeführt werden könnte.

Eine solche Demonstration des Inselnetzbetriebs wurde am 30. November 2019 erfolgreich durchgeführt.

Die VBB hatten dafür einen hohen Aufwand betrieben. Die Kunden der VBB waren über Wurfsendungen und Zeitungsartikel informiert worden. Eine Telefonhotline war eingerichtet, um Fragen und ggf. Beschwerden anzunehmen (Sie wurde kein einziges Mal in Anspruch genommen). Mit dem Netzbetreiber des Verbundnetzes waren lange vorher Absprachen getroffen und die Batterie war frühzeitig aus dem Primärregelbetrieb herausgenommen worden. Eine Betriebshalle war mit Video-Leinwand und mehreren Computern zur Kommandozentrale eingerichtet worden. Auf der Videoleinwand konnten geladene Gäste und Journalisten live die Messungen und Schaltvorgänge mitverfolgen. Und natürlich war auch technisch alles vor­bereitet. Entsprechend groß war die Freude und Erleichterung, als der Versuch ohne jegliche Probleme wie geplant funktionierte (Bild 7).

Bild 2: Li-Ion-Batterie-Module in der Großbatterie Bordesholm

Bild 2: Li-Ion-Batterie-Module in der Großbatterie.

Für die Durchführung des Inselnetzversuchs im Netz der Versorgungsbetriebe Bordesholm mussten eine Reihe von technischen Vorbereitungen getroffen werden. Eine Übersicht über alle bisher installierten Messgeräte im Mittelspannungsnetz der Versorgungsbetriebe Bordesholm zeigt Bild 3. Es befinden sich 8 Messgeräte an den Abgängen in der Mittelspannungsschaltanlage. 3 weitere Geräte sind niederspannungsseitig an Ortsnetzstationen installiert. An einer Ortsnetzstation lässt sich dabei das Verhalten eines kleinen Blockheizkraftwerks beobachten. An einer weiteren ist die bisher größte PV-Anlage des Netzes angeschlossen und an einer dritten Ortsnetzstation lässt sich die Spannung am Ende eines Mittelspannungsstrahls beobachten. Alle Messgeräte können bis zu 128 Messwerte pro Netzperiode messen.

Durchführung und Ergebnisauswertung des Inselnetzversuchs

Der Inselnetzversuch wurde am 30.11.2019 im Zeitraum von 15-16 h durchgeführt. Im alltäglichen Betrieb werden die Batteriewechselrichter im stromgeregelten Modus betrieben. Dieser ermöglicht jedoch keinen Inselnetzbetrieb, ist aber bei der Erbringung von Primärregeleistung vorgeschrieben. Für den Inselnetzversuch wurden die Wechselrichter vorher in den oben beschriebenen spannungsgeregelten Modus geschaltet. Dies erfolgt derzeit manuell und benötigt die Änderung von einigen Einstellungen, was noch einige Minuten in Anspruch nimmt. Mit diesen Einstellungen können die Wechselrichter übergangslos vom Verbundnetzbetrieb in den Inselnetzbetrieb wechseln.

Bild 3: Übersicht der installierten Messgeräte im Mittelspannungs-Netz der Versorgungsbetriebe Bordesholm.

Bild 3: Übersicht der installierten Messgeräte im Mittelspannungs-Netz der
Versorgungsbetriebe Bordesholm.

Vor und nach der Inselnetzschaltung hat der Batteriespeicher den Strom aus dem Verbundnetz gegen 0 A geregelt. Die Messgeräte haben unterdessen dauerhaft im Sekundentakt RMS-Werte von Strom, Spannung und Werte vom Leistungsfaktor aufgenommen.

Zum Zeitpunkt der Inselnetzschaltung betrug die Last der Gemeinde Bordesholm etwa 2,5 MW. Dies beinhaltet schon die Einspeisung der Photovoltaikanlagen der Gemeinde Bordesholm und insgesamt 8 Kraft-Wärme-Kopplungs-(KWK) Anlagen. Deren Leistung zum entsprechenden Zeitpunkt ist unbekannt. Diesen Bedarf von 2,5 MW hat zum größeren Teil die Biomasse-Anlage mit etwa 1,4 MW gedeckt, während die Batterie die restlichen etwa 1,1 MW ausgeglichen hat. Die Leistungen haben sich während des Inselnetzversuches in einer Größenordnung unter 10% geändert.

Inselnetzschaltung

Die hochaufgelöste Messung bei der Inselnetzschaltung wurde anhand einer Videoübertragung aus Schaltstation manuell ausgelöst. Bild 4 zeigt den Verlauf der Spannung und Strom zum Zeitpunkt der Inselnetzschaltung in einer Auflösung von 128 Samples pro Netzperiode. Es ist erkennbar, dass der Strom am Netzverknüpfungspunkt mit einem Rauschen gegen 0 A geregelt wurde. Die Inselnetzschaltung ist daran erkennbar, dass schlagartig auch das Rauschen aufhört und gar kein Strom mehr über den Netzverknüpfungspunkt fließt (um 15:23 h und 38.298 s).

Bild 4: Messergebnisse beim Inselnetzversuch: Spannung und Strom am Netzanschlusspunkt beim Übergang zum Inselnetz ohne Residuallast.

Bild 4: Messergebnisse beim Inselnetzversuch: Spannung und Strom am
Netzanschlusspunkt beim Übergang zum Inselnetz ohne Residuallast.

Währenddessen sind überhaupt keine Änderungen im Verlauf der Spannung zu erkennen. Somit verlief der Übergang vom Verbund in den Inselnetzbetrieb sehr stabil und unterbrechungsfrei.

Resynchronisation

Um den Inselnetzbetrieb zu beenden wurde um ca. 15:57 Uhr die Resynchronisation durch die Batterieanlage eingeleitet. Dabei regelt die Batterie Spannung und Frequenz des Inselnetzes auf die Spannung und Frequenz des Verbundnetzes. Erst bei Übereinstimmung von Spannungs- und Frequenzhöhe und Phasenlage wird das Inselnetz erneut nahtlos dem Verbundnetz zugeschaltet.

Eine hochaufgelöste Messung der erneuten Zuschaltung zum Verbundnetz ist in Bild 5 gezeigt. In diesem Bild ist zu erkennen, dass im Moment der Zuschaltung über einen Zeitraum von ca. 60 ms (3 Netzperioden) ein höherer Ausgleichstrom fließt. Im Peak fließen dabei kurzfristig bis zu 60 A und normalisiert sich schnell auf bis zu 10 A im Peak.

Bild 5: Messergebnisse beim Inselnetzversuch: Spannung und Strom in hoher Zeitauflösung am Netzanschlusspunkt beim Rücksynchronisieren vom Inselnetz zum Verbundnetzbetrieb

Bild 5: Messergebnisse beim Inselnetzversuch: Spannung und Strom in
hoher Zeitauflösung am Netzanschlusspunkt beim Rücksynchronisieren
vom Inselnetz zum Verbundnetzbetrieb

Gleichzeitig ist im hochaufgelösten Spannungsverlauf keine Änderung zu erkennen. Damit verlief auch die Zuschaltung zum Verbundnetz stabil und ohne Störungen.

Im Inselbetrieb

Im Folgenden zeigt Bild 6 den Verlauf von Frequenz, Spannungshöhe und Laststrom über den gesamten Zeitraum des Inselnetzversuchs. Der Inselbetrieb wurde zwischendurch kurzzeitig für weitere Messungen unterbrochen. Am Stromverlauf erkennt man, dass der Verbrauch in Bordesholm während des Inselnetzbetriebs sich immer wieder leicht geändert hat. Trotzdem ist in Bild 6 zu sehen, dass die Frequenz während des Inselnetzbetriebs sehr konstant und stabil zwischen 50,005 und 50,01 Hz gehalten wird, wogegen die Frequenz im Verbundnetzbetrieb deutliche Schwankungen aufweist.

Bild 6: Messergebnisse beim Inselnetzversuch: Netzfrequenz, Netzspannungen und Laststrom an der Batterie während des ganzen Inselnetzversuches

Bild 6: Messergebnisse beim Inselnetzversuch: Netzfrequenz, Netzspannungen und
Laststrom an der Batterie während des ganzen Inselnetzversuches

Auch ist der Batteriewechselrichter Central Storage der Firma SMA in der Lage jede Phasenspannung gesondert zu regeln und kann so die Unsymmetrie in der Spannungshöhe aufheben. Im Verlauf ist zu erkennen, dass die Spannung am Netzverknüpfungspunkt im Inselnetzbetrieb sehr stabil auf ca. 11,82 kV pro Phase geregelt wird (entspricht einer verketteten Spannung von ca. 20,47 kV). Die Spannung ist eindeutig stabiler als im normalen Netzbetrieb.

Dezentrale Einspeiser

Während der gesamten Versuchsdurchführung wurde ein Wechselrichter einer Photovoltaik (PV) -Anlage mit einer Videoaufzeichnung beobachtet. Die PV-Anlage befindet sich auf dem Dach der Halle, von der aus der Versuch koordiniert wurde. Dieser Wechselrichter blieb durchgehend im netzverbundenen Modus und eine Inselnetzerkennung hat in keinem Fall ausgelöst, was auch beabsichtigt war. Es ist anzunehmen, dass die anderen Wechselrichter im Bordesholmer Stromnetz auch im Inselbetriebsversuch weitergearbeitet haben und die Gemeinde mit erneuerbarem, Strom versorgt haben. Auch die Biogasanlage hat einwandfrei weiter Strom eingespeist. Das bedeutet, dass die Batteriewechselrichter in der Lage sind, das Inselnetz so aufrecht zu erhalten, dass dezentrale Einspeiser weiterhin am Netz bleiben und so zu einer längerfristigen Stromversorgung auch im Inselbetrieb beitragen können. Während und nach dem Versuch gab es keine negativen Rückmeldungen von Kunden. Diese waren zwar informiert, konnten jedoch die Inselnetzschaltung nicht wahrnehmen.

Zusammenfassung und Fazit

Bei diesem Versuch wurde eine ganze Gemeinde mit Hilfe von dezentralen erneuerbaren Einspeisern und einer Batterie über nahezu eine Stunde autark mit elektrischem Strom versorgt. Dabei hat die Batterie sowohl den Ausgleich zwischen Einspeisung und Verbrauch im Stromnetz übernommen als auch für die Ausregelung und die Netzstabilität des Stromnetzes gesorgt. Trotz Laständerungen blieb die Netzfrequenz und die Netzspannung stabiler als im Verbundnetzbetrieb.

Bild 7: Das Team von der TH-Köln und den Versorgunsbetrieben Bordesholm (v.l.n.r Silvan Rummeny, Eberhard Waffenschmidt, Frank Günther) in der Messzentrale kurz nach dem erfolgreichen Umschalten in den Inselbetrieb.

Bild 7: Das Team von der TH-Köln und den Versorgunsbetrieben Bordesholm (v.l.n.r
Silvan Rummeny, Eberhard Waffenschmidt, Frank Günther) in der Messzentrale kurz
nach dem erfolgreichen Umschalten in den Inselbetrieb.

Der Übergang vom Verbundnetzbetrieb und die Rücksynchronisation erfolgten nahtlos und ohne dass die Stromkunden die Übergänge wahrnehmen konnten. Der Verlauf der Netzspannung zeigte dabei keine Überspannung oder Spannungseinbrüche und blieb weiterhin sinusförmig. Auch in einer hochaufgelösten Messung konnten keine Störungen im Verlauf der Netzspannung erkannt werden.Die Batteriewechselrichter der Firma SMA wurden dazu in einem spannungsgeregelten Modus betrieben, welcher sowohl den Verbundnetzbetrieb als auch den Inselnetzbetrieb mit einem nahtlosen Übergang ermöglicht. Im alltäglichen Betrieb befinden sich die Wechselrichter jedoch im stromgeregelten Modus. Daher ist der nahtlose Übergang in den Inselbetrieb derzeit nur geplant möglich. Ein spontaner Inselnetzbetrieb, z.B. bei einem ungeplanten Blackout, kann derzeit nicht nahtlos gewährleistet werden. Nach einem Blackstart der Batterie könnte die Gemeinde Bordesholm jedoch kurzfristig wieder mit Elektrizität versorgt werden.
Insgesamt zeigt dieser Versuch, dass eine stabile Netzregelung auf der Basis von dezentralen erneuerbaren Einspeisern ohne Großkraftwerke möglich ist.

Weitere Eindrücke zu dem geglückten Versuch des Inselnetzbetriebs der Gemeinde Bordesholm erhalten Sie auch im Video.

Quellen:
[1] „Batteriespeicher in Bordesholm“, Eberhard Waffenschmidt, Seite
44/45: https://www.sfv.de/solarbr/pdf/Internet_Solarbrief2_192.pdf,
[2] Seite 21: https://www.sfv.de/solarbr/pdf/Solarbrief3_19_Internet2.pdf,