Antwort von Umweltminister Johannes Remmel vom 20.7.2015

 
In einem öffentlichen Appell haben sich zahlreiche Organisationen der Aachener Zivilgesellschaft, unter anderem der Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. sowie der Evangelische Kirchenkreis Aachen, heute an die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, sowie an den Landesumweltminister, Johannes Remmel, gewandt. Die Politiker sollen ihren Einfluss bei den belgischen Partnern gelten machen, damit der durch tausende Risse im Reaktordruckbehälter geschädigte Atomreaktor in Tihange nicht wieder ans Netz geht. Aachen liegt nur 60 Kilometer vom Standort des Reaktors entfernt.

(pdf-Download: AKW Tihange 2 - Offener Brief an die Ministerpräsidentin sowie an den Umweltminister des Landes Nordrhein-Westfalen)

Offener Brief an die Ministerpräsidentin sowie an den Umweltminister des Landes Nordrhein-Westfalen vom 22.5.2015

Sehr geehrter Frau Ministerpräsidentin Kraft,
sehr geehrter Herr Minister Remmel,

wir, die diesen Brief unterzeichnen, vertreten Institutionen der Zivilgesellschaft in der Stadt Aachen. Aachen liegt 60 Kilometer von dem Atomkraftwerk Tihange in Huy (Belgien) entfernt – in der Hauptwindrichtung. Deswegen sind wir als potenzielle Hauptbetroffene über die Sicherheitsprobleme jener Anlage höchst besorgt.

Seit März 2014 ist der Reaktorblock 2 in Tihange zum zweiten Mal (!) wegen Rissen im Reaktordruckbehälter stillgelegt (ebenso wie der Block 3 des belgischen AKW Doel). Über die Herkunft und die Bedeutung dieser Risse herrscht Unklarheit; dennoch wird seitens der Betreiber und der Kontrollbehörde FANC diskutiert, den Block noch in diesem Jahr wieder hochzufahren.

In der deutschen Politik hat sich seit der Reaktorkatastrophe von Fukushima im März 2011 die Überzeugung durchgesetzt, „dass selbst in einem Hochtechnologieland wie Japan die Risiken der Kernenergie nicht sicher beherrscht werden können“ (Regierungserklärung vom 9.6.2011). Der nicht einschätzbare Sicherheitsstatus des beschädigten Reaktordruckbehälters von Tihange 2 muss die Skepsis gegenüber der Beherrschbarkeit eines atomaren Reaktors noch einmal beträchtlich steigern.

Unserer Überzeugung nach ist es eine vordringliche Aufgabe der Politik der nordrheinwestfälischen Landesregierung, bei den belgischen Partnern auf die Beseitigung der Gefahr zu dringen, die von den Atomanlagen in Tihange (und in Doel) ausgehen. Eine solche Gefahrenabwehr muss mit der sofortigen und endgültigen Stilllegung dieser Anlagen beginnen. Völlig unakzeptabel ist ein Wiederanfahren des Blocks 2 von Tihange in seinem jetzigen Zustand. – Frau Ministerpräsidentin, Herr Minister: Hier alles in Ihrer Macht stehende zu tun, gebietet ganz konkret der von Ihnen geleistete Amtseid, in welchem Sie gelobt haben, Schaden von den Bewohnern unseres Landes zu wenden.

Bitte unterrichten Sie uns und die Bevölkerung von NRW über die Schritte, die Sie zur Abwehr der Gefahren unternehmen, welche vom maroden Atomkraftwerk Tihange ausgehen.

Mit freundlichen Grüßen

  • Pfarrer Hans-Peter Bruckhoff, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreis Aachen
  • Evangelisches Erwachsenenbildungswerk im Kirchenkreis Aachen
  • Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V.
  • Aachener Stiftung Kathy Beys
  • Aachener Aktionsbündnis gegen Atomenergie
  • Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB)
  • Nabu Stadtverband Aachen
  • Wind e.V. Aachen
  • Ökologie-Zentrum Aachen e.V.
  • Windenergie-Nordeifel e.V.
  • Greenpeace Aachen
  • Nachbarschafts-Initiative 3 Rosen


 

Antwort von NRW-Umweltminister Johannes Remmel vom 20.7.15


Original als pdf-Download:
Antwort von NRW-Umweltminister Johannes Remmel vom 20.7.2015

Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- - und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen
Der Minister


Sehr geehrte Frau Jung,
sehr geehrter Herr Dr. Haude,

vielen Dank für Ihr Schreiben in Sachen Tihange 2, mit dem Sie sich an Frau Minsterpräsidentin Kraft und an mich gewandt haben. Ich versichere Ihnen, dass die Landesregierung Nordrhein-Westfalen Ihre Sorgen vor den von dem grenznahen Atomkraftwerk Tihange ausgehenden Gefahren teilt. Ich bin der Meinung, dass als Lehre aus der Atomkatastrophe von Fukushima nicht nur Deutschland aus der Atomkraft aussteigen soll, sondern die Beendigung der Nutzung der Atomkraft auf internationaler Ebene geschehen muss. Insofern steht die von der EU-Kommission gebilligte Förderung neuer Atomkraftwerke, wie in Großbritannien, der von uns befürworteten europaweiten Neuausrichtung der Energiepolitik entgegen. In der dargestellte Richtung sind meine Kollegen in den anderen Länderumweltministerien und ich wiederholt aktiv geworden.

Bereits kurz nach Bekanntwerden der Probleme in den belgischen Reaktoren im Jahr 2012 haben mein Kollege Wirtschaftsminister Duin und ich an den damaligen Bundesumweltminister geschrieben und gebeten, sich für eine zeitnahe und schnellstmögliche Abschaltung der grenznahen Atomkraftwerke einzusetzen. Die Problematik der grenznahen Atomkraftwerke und Nutzung der Atomenergie in Europa generell waren auch wiederholt Tagesordnungspunkt der Konferenz der Umweltminister des Bundes und der Länder, zuletzt im Mai dieses Jahres. Ich werde das Thema an den geeigneten Stellen weiterverfolgen. Da auch im europäischen Rahmen jeder Staat die Verantwortung für seine Energiepolitik und die Sicherheit seiner Anlagen selbst trägt, sind allerdings die Einwirkungsmöglichkeiten der deutschen Politik, insbesondere von Seiten eines Bundeslandes, auf den Betrieb von Kraftwerken in einem anderen Staat gering.

Die Landesregierung setzt sich in Gesprächen mit der belgischen Regierung für eine enge Zusammenarbeit und einen verbesserten Informationsaustausch hinsichtlich von Ereignissen um das Atomkraftwerk Tihange ein. Gegenstand der Gespräche, an denen mehrere Ressorts teilnehmen, sind insbesondere Fragen der Zusammenarbeit auf den Feldern Katastrophenschutz und Nuklearsicherheit bei kerntechnischen Anlagen.


Mit freundlichen Grüßen
Johannes Remmel