Rufmordkampagne gegen die Solarenergie

"Haust Du meine Kernenergie, dann haue ich Deine Solarenergie", nach diesem Motto tritt der Wahlkampf jetzt offenbar in seine heiße Phase.
Und langsam wird deutlich, worin sich die Parteien eigentlich und grundlegend unterscheiden, worum es also bei der Stimmabgabe am 27. September 09 geht. Es geht um die Entscheidung: Atomenergie oder Erneuerbare Energien.

Schwarz-Gelb will - dem Drängen der Energiewirtschaft folgend - die Laufzeit der Atomkraftwerke verlängern und an den fossilen Energien festhalten. Und die Energiewirtschaft liefert in den Medien die Argumente:
Dem Wähler wird in immer rascherer Folge eingehämmert, die Erneuerbaren Energien seien zu teuer und würden sie finanziell unzumutbar belasten. Und die Solarhersteller würden sich dabei eine goldene Nase verdienen. Ein paar Schlagzeilen zur Kostprobe:

Angefangen hatte schon vor drei Jahren das RWI mit einer Studie, in der die Kosten der Solarenergie aufgelistet sind, der Nutzen jedoch weitgehend "vergessen" oder kleingerechnet wurde. Da diese Studie von einem dem RWE nahestehenden Institut stammte - die Interessenlage also leicht erkennbar war - fand sie in der Öffentlichkeit zunächst keine große Beachtung. Sensationell dagegen war dann die reißerische Aufarbeitung der Studie durch eine Photovoltaikzeitung. Da wurde die Solarindustrie direkt mit den Bankräubern bei Donald Duck verglichen: "Das 150-Milliarden-Euro-Ding" mit der erklärenden Unterüberschrift "Die Förderung der Photovoltaik nimmt gewaltige Dimensionen an, zeigen Berechnungen des RWI" (Photon Mai 07). Und so etwas - noch dazu aus der Feder von "Insidern" - kommt bei der Presse gut an. Seitdem schreibt einer vom anderen ab, mit mehr oder weniger phantasievollen Ausschmückungen, Halbwahrheiten und Ergänzungen.
Kernaussage: die PV-Hersteller sahnen ab und verdienen sich dumm und dämlich. Die Verbraucher müssen bluten. Schuld sei das Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG), das den Häuslebesitzern unsinnige Gewinne beschert, wenn sie eine PV-Anlage auf ihr Dach setzen. Die Photovoltaik würde (trotz der erheblichen Absenkung der Einspeisevergütung zum 1.1.2009) mehr als je zuvor boomen. Und die Einspeisevergütungen müssten deshalb noch viel mehr abgesenkt werden, als sie bereits abgesenkt wurden, am besten gleich um 30 Prozent. Oder noch besser, das EEG werde ganz abgeschafft, da es der Umwelt schade.

Wir möchten nun nicht auf jedes Detail dieser vielen Medienbeiträge eingehen, sondern den Blick auf das Grundsätzliche lenken. Deshalb zunächst einmal der "Fakten-Check":

Wieviel Solaranlagen wurden 2009 bisher gebaut?

Leider boomt die Photovoltaik keineswegs. Im ersten Halbjahr 2009 wurden nach einer ersten vorläufigen Übersicht der Bundesnetzagentur dort Solarstromanlagen mit einer Leistung von 518 Megawatt angemeldet. Wir können sicher sein, dass diese Zahl schon sehr genau ist, denn Solaranlagenbetreiber, die vergessen, ihre neue Anlage anzumelden, erhalten auch keine Einspeisevergütung.
518 Megawatt ist nicht viel. Es ist etwa ein Drittel der Menge des vorangegangenen Jahres 2008. Von einem Boom kann man da nun wirklich nicht sprechen. Erfahrungsgemäß wird zwar im zweiten Halbjahr mehr installiert als im ersten, aber wenn im zweiten Halbjahr 2009 nicht noch eine erhebliche Beschleunigung erfolgt, könnte es insgesamt für das Jahr 2009 sogar einen Rückgang geben.

Kann das EEG überhaupt eine "Stromlücke" verhindern?

Was folgt daraus? Hat die Atomwirtschaft Recht? Kann das EEG nun also doch nicht die Menge an Solar- und Windanlagen initiieren, die wir brauchen, um die Abschaltung der Atomenergie auszugleichen?

Doch es kann, lautet unsere Antwort. Das EEG funktioniert prima. Aber die Einspeisevergütung für Solarstrom wurde zum 1.1.2009 erheblich stärker zurückgenommen als in den Jahren zuvor.
Die Einspeisevergütung ist sozusagen das "Gaspedal" vom EEG. Entscheidend ist ihre jeweilige Höhe. Hohe Vergütung ergibt vermehrten Zubau an Solar- und Windanlagen. Senkung der Vergütung ergibt weniger Zubau als im Vorjahr. Deshalb hatte der Solarenergie-Förderverein Deutschland bereits vor zwei Jahren eine Erhöhung (statt einer Absenkung) der Einspeisevergütung für PV-Anlagen gefordert, als über die Neufassung des EEG beraten wurde.
Entgegen unserem Vorschlag wurde jedoch eine extreme Absenkung der Vergütung zum 1.1.2009 beschlossen. Dies führte zu einem Rückgang des Zubaus an Solaranlagen. Genau das ist also eingetreten, wovor wir gewarnt hatten. Es ist nicht erfreulich, auf diese Weise Recht zu behalten. Aber wenigstens sollte man sich das Ergebnis merken.

Wie hat sich das EEG in der Finanzkrise bewährt?

Das EEG hat sich sogar in der Finanzkrise gut bewährt: In Deutschland haben (völlig ohne Abwrackprämie und andere zusätzliche staatliche Anreize) Privatpersonen und private Unternehmen - motiviert allein durch die staatlich festgesetzte Mindestvergütung im EEG - den Bau von Solarstromanlagen im Wert von mehreren Mrd. Euro voll vorfinanziert. Dies geschah, obwohl die Banken die Kreditvergabe fast völlig eingestellt hatten.
Und nicht zu vergessen: Die Stromverbraucher müssen die Investitionen nicht sofort, sondern erst im Lauf der folgenden 20 Jahre an die privaten Investoren zurückzahlen. Das EEG ein fantastisch gut funktionierendes Investitionsanreizprogramm wie aus dem Lehrbuch!

Wie hoch ist die Belastung der Stromkunden?

Unsere Forderung, die Einspeisevergütung müsse erhöht werden, damit mehr Solaranlagen gebaut werden, wird von den Gegnern des EEG regelmäßig mit der Behauptung kommentiert, höhere Vergütungen würden nur den Herstellern zu überhöhten Gewinnen verhelfen, und die Belastung der Verbraucher werde unerträglich. Das ist Unsinn.

Die in den Medien genannten Milliarden ergeben sich aus der Summierung sämtlicher Zahlungen über 20 oder 30 Jahre. Ein bekannter Trick! Monatlich macht die Belastung weniger als 2 Euro pro Einwohner aus.
Sind monatlich 2 Euro viel oder wenig? Das hängt davon ab, was man dafür als Gegenleistung erhält. So erhalten wir nicht nur etwa 1 Prozent unseres Stroms aus Solaranlagen. Von diesen 2 Euro werden auch die Löhne der deutschen Solarinstallateure und der Wechselrichterhersteller und der sonstigen Zulieferer bezahlt und es werden Arbeitsplätze geschaffen und die Importabhängigkeit von ausländischen Energielieferungen verringert sich.

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass Strom aus Kohle und Atomenergie immer teurer wird und der Zeitpunkt abzusehen ist, an dem selbst die "Mehrkosten" für Solarstrom geringer sein werden als die Preise für Kohle- oder Atomstrom.

Bei Windstrom ist es ja schon so weit. Die Einspeisung von Windstrom senkt bereits seit 2006 den Strompreis an der Strombörse (diese Info stammte übrigens ursprünglich von Vattenfall.)

Die angeblichen goldenen Nasen der Solaranlagenhersteller

Was es nun mit den angeblichen goldenen Nasen der Solaranlagenhersteller auf sich hat, relativiert sich rasch beim Lesen der folgenden Informationen.

Nach einem Bericht der taz vom 05.08.09 "Umsatzeinbrüche bei Sonnenenergie" und nach eigenen Recherchen ergibt sich folgendes Bild:

So sehen keine Firmen aus, die sich goldene Nasen verdienen.

Der gehässige Spruch "Auf Kosten der Allgemeinheit verdienen Hersteller und Investoren Extrarenditen" (DIE ZEIT vom 13.08.09) appelliert zwar psychologisch geschickt an den Neidkomplex, zeigt aber erstaunlich wenig
Kenntnis von volks-und betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen. Warum denn überhaupt nehmen Unternehmer die Herkulesaufgabe in Angriff, eine völlig neue Konkurrenztechnik zu Kohle- und Atomenergie ins Leben zu rufen, wenn sie für ihre Mühe und Risikobereitschaft noch nicht einmal eine "Extrarendite" erwarten dürfen?

Wieviele kleine Gebäudeanlagen wurden 2009 errichtet?

Und geradezu eine unverschämte Falschbehauptung ist die Aussage, die kleinen Gebäudeanlagen würden wegen der ihnen zugestandenen riesigen Gewinne den großen Reibach machen. Unter kleinen Gebäudeanlagen verstehen wir PV-Anlagen bis 5 kW, die z.B. das Dach eines Reihenhauses ausfüllen, also etwa 40 Quadratmeter. Im Jahr 2000 machten die kleinen Gebäudeanlagen mit einem Anteil von 53 Prozent noch etwas mehr als die Hälfte der gesamten installierten Leistung aus. Inzwischen stellen die Anlagen bis 5 kW im ersten Halbjahr 2009 nur noch 3,5 Prozent der gesamten dazugebauten PV-Leistung - ganze 18 Megawatt!. Ein dramatischer Niedergang! So toll können die angeblich riesigen Gewinne der kleinen Solaranlagenbetreiber also nun wirklich nicht sein. Der große Vorteil der Photovoltaik, dass sie auch auf klein gestückelten bereits versiegelten Flächen Sonnenstrom ernten kann, wird kaum noch genutzt.
Den Stromversorgern kann das nur recht sein, die Vorstellung, Millionen von Stromkunden würden ihren Strom selbst erzeugen, war ihnen sicherlich nicht angenehm.

Klimawandel und Bedrohung der Erde - Was will der SFV erreichen?

Zum Abschluss aber nun die wichtigste Frage, die Frage, was wir eigentlich erreichen wollen und warum.

Die Klimaforschung geht davon aus, dass bei weiterem Anstieg des atmosphärischen CO2 aus der Nutzung fossiler Energieträger extrem ungünstige, für Millionen von Menschen tödliche Klimaeffekte auftreten. Anstieg des Meeresspiegels, Überflutung der am stärksten bevölkerten Regionen der Erde, Überschwemmungen durch bisher kaum gekannte Starkregenfälle im Landesinneren, unerträgliche Hitze mit Zehntausenden von Toten, Dürre, Waldbrände, tropische Wirbelstürme bzw. Hurricans auch in Europa und Zunahme von Tornados. Wasserknappheit, Nahrungsmangel und Migration von Millionen von Menschen sowie die Konflikte und Kriege! Der ehemalige Chefökonom der Weltbank, Sir Nicholas Stern, übersetzte die Prognosen der Klimawissenschaft anschaulich in die Aussage, dass Schäden zu erwarten seien, die die Schäden beider Weltkriege übertreffen. Und wir erlauben uns die Anmerkung, dass dieser Vergleich falsche Hoffnungen weckt, denn die Weltkriege waren nach einigen furchtbaren Jahren wenigstens beendet, die Klimaveränderungen jedoch werden nach menschlichem Ermessen innerhalb der nächsten paar tausend Jahre überhaupt nicht mehr aufhören.
Manche Leser mögen das für übertriebene Sorge halten und glauben, dass die Klimaforscher sich irren. Wir haben volles Verständnis für ihre Skepsis, generell für jede Art von Skepsis, aber wir erlauben uns trotzdem noch eine Frage: "Würden sie mit Ihrer ganzen Familie eine Wohnung im Hochhaus beziehen, das von Fachleuten als einsturzgefährdet bezeichnet wurde (und das schon jetzt bei Sturm erheblich knistert, kracht und schwankt), bloß weil dort die Miete etwas geringer ist?"

Und weil wir lieber auf Nummer Sicher gehen, steht für uns die Beendigung der fossilen Energiegewinnung (bei planmäßigem Ausstieg aus der risikobehafteten Atomenergie) weitaus an erster Stelle.

Warten auf die Fusionsenergie? Warten auf den Erfolg von Kohlendioxid-Abscheidung und sicherer Endlagerung? Warten auf Erfolge der internationalen Verhandlungen zum Emissionshandel? Warten auf Desertec? Da gefällt uns das Greenpeace-Motto besser: "Taten statt Warten".

Wir brauchen keine Experimente mit ungewissem Ausgang mehr, denn wir wissen aus praktischer Erfahrung, wie man die Solarenergie in Deutschland zum Aufblühen bringen kann. Die Erfahrungen mit dem Stromeinspeisungsgesetz und seiner Fortentwicklung, dem EEG, haben gezeigt, dass das EEG ein gut funktionierendes Instrument ist, mit dem wir den Zubau an Solar- und Windanlagen zuverlässig steigern können, wenn die Politik mitmacht. Der Umstieg auf 100 Prozent Erneuerbare Energien wird so möglich. Kapital fließt dorthin, wo die größten Gewinne winken. Solar- und Windenergie brauchen deshalb eine gewinnbringende Vergütung.

Wir haben es in der Hand. Auf Atom- und fossile Energie können wir verzichten, wenn wir den Politikern unsere Stimme geben, die sich für eine Verbesserung der Anreize im EEG und für den Ausbau der Windenergie in ganz Deutschland, auch in Hessen, Baden-Württemberg und Bayern, einsetzen.