Rückmeldung des BMU auf Unterschriftenaktion der Organisation „Campact“ zur Kampagne "Zukunft statt Kohle"

From: "Bundesumweltminister"
To: Unterzeichner

Sie haben sich an einer Unterschriftenaktion der Organisation
„Campact“ beteiligt, die direkt an mich als Bundesumweltminister
gerichtet ist. Daher möchte ich Ihnen auch direkt antworten und
meine klima- und energiepolitische Position kurz darlegen. Das kann
auf diesem Wege natürlich nur in Umrissen geschehen. Wenn Sie sich
intensiver mit diesem Thema auseinandersetzen wollen, nutzen
Sie doch bitte auch unser umfangreiches Angebot auf der
Internetseite desBundesumweltministeriums (BMU) unter www.bmu.de.
Unter http://www.bmu.de/43105.php finden Sie unsere Roadmap „Neues
Denken – neue Energie“, die ausführlichdie BMU-Strategie für eine
moderne und nachhaltige Energieversorgung der Zukunft und die Rolle
der Kohle in diesem Zusammenhang darstellt.

Sie sprechen sich gegen den Bau vonKohlekraftwerken aus, weil Sie
befürchten, dass wir dadurch unsere Klimaziele verfehlen. Als
Alternativen fordern Sie Energieeinsparungen, moderne Gaskraftwerke
und den stärkeren Ausbau der erneuerbarenEnergien. Das sind für
Sie die entscheidenden Stellschrauben für eine konsequente
Energiewende.

Damit liegen wir gar nicht so sehr weit auseinander. Auch wenn wir
unterschiedliche Einschätzungen zu einzelnen energiepolitischen
Punkten haben, so sind wir uns doch einig, dass ein konsequenter
Klimaschutz eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit ist.

Konkret bedeutet das, dass dieTreibhausgas-Emissionen drastisch
sinken müssen, um zumindest eineErwärmung der Erde um mehr als 2°C
zu verhindern. Denn gänzlich verhindern können wir den Klimawandel
nicht mehr; aber wir können ihn zumindest begrenzen. Dafür arbeiten
wir mit ganzer Kraft. In Deutschlandwerden wir schon bis 2020 eine
CO2-Minderung um 40% gegenüber1990 erreichen. Und danach muss es
direkt und mit gleicher Intensitätweiter gehen: Schließlich müssen
wir bis 2050 dieTreibhausgas-Emissionen um 80-95% senken. Eine
gewaltigeHerausforderung!

Sie sehen bei diesen Zielen keinen Platz für neue Kohlekraftwerke,
sondern fordern stattdessen, dass neben den erneuerbaren Energien
nur noch Gaskraftwerke mit Kraft-Wärme-Koppelungerlaubt sein
sollen. Diese Einschätzung teile ich so nicht. Denn nach meiner
festen Überzeugung werden wir für eine Übergangsphase noch
einige neue Kohlekraftwerke brauchen, und zwar aus zwei Gründen:

Zum einen ist die Erzeugung von Strom in Gaskraftwerken deutlich
teurer als in Kohlekraftwerken. Deshalb können Gaskraftwerke im
Markt die alten, ineffizienten Kohlekraftwerke nicht verdrängen.
Für den schrittweisen Übergang zu einer höheren Energieeffizienz
und einem höheren Anteilerneuerbarer Energien sind daher hoch
effiziente und regelbareKohlekraftwerke eine wichtige
Brückentechnologie. Wichtig ist dabei,dass hoch effiziente neue
Kraftwerke (möglichst mit Kraft-Wärme-Kopplung) ineffiziente alte
Kraftwerke ersetzen. So stellen wir sicher, dass unsere
ambitionierten Klimaziele nicht gefährdet sind.

Zum anderen gibt der Emissionshandel einen strengen Rahmen vor:
Die CO2-Obergrenze für alle Kraftwerke und Industrieanlagen
inEuropa wird ab 2013 jährlich um mindestens 1,74% gesenkt, auch
über 2020 hinaus – das ist geltendes Recht. Dies wird zu
steigenden CO2-Preisen führen. Bei einem wachsenden Anteil von
Strom aus erneuerbaren Energien übernehmen diese neuen
Kohlekraftwerke deshalb zunehmend die Funktion von “Ergänzungs-
Kraftwerken“, d.h. sie stellen ihren Strom ergänzend zu den
erneuerbaren Energien zur Verfügung und werden nur noch in Teillast
gefahren.

Die Energieversorgungsunternehmen kennen diese Rahmenbedingungen,
auf die sie sich einstellen müssen, wenn sie heute Kraftwerke
bauen. Daher wird auch nur ein Teil der geplanten Kohlekraftwerke
realisiert.

Für eine moderne und nachhaltige Energiepolitik der Zukunft ist
deshalb auch gar nicht die entscheidende Frage, wie viele Gas- oder
Kohlekraftwerke in den nächsten Jahren noch gebaut werden. Die
wichtigsten Weichenstellungen sind vielmehr:

  • das Festhalten am Atomausstieg und an dem ambitionierten

Ausbau der erneuerbaren Energien;

  • mehr Energieeffizienz, denn je weniger Strom verbraucht

wird, desto weniger Kraftwerke werden benötigt.

In diesen beiden Punkten sind wir uns ja auch völlig einig. Lassen
Sie uns also gemeinsam an der Umsetzung dieser Kernpunkte einer
modernen Energiepolitik arbeiten und uns dafürengagieren. Ich
jedenfalls werde meinen Beitrag dazuleisten.

Bleiben auch Sie bei Ihrem Engagement für den Klimaschutz und
mischen Sie sichweiterhin ein. Das ist gut für das Klima – und gut
für unsereDemokratie!

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Sigmar Gabriel