Wir haben bereits in den Solarbrief 2/11 und Solarbrief 1/12 über die Entwicklung der Stromerzeugung berichtet. Mit der Analyse der Daten aus 2012 (bis einschl. 27.09.2012) setzen wir diese Analyse nun fort.

Neben den Großkraftwerken (Leistung >100 MW) werden auf der Webseite der Transparenzplattform auch die Erzeugungsdaten der Erneuerbaren Energien Wind, Solar und Laufwasserkraftwerke angegeben. Die Veröffentlichungspflicht liegt bei den Übertragungsnetzbetreibern. Sie ist unabhängig davon, ob der Strom an der Strombörse oder außerbörslich vermarktet wurde.

Die veröffentlichten Daten der Erneuerbaren Wind, Wasser und Solar decken zusammen mit den fossilen und atomaren Großkraftwerken in Deutschland etwa 73 % der gesamten deutschen Stromerzeugung(1) ab (konventionelle Kraftwerke unter 100 MW sind in der Regel nicht berücksichtigt).

Die in den EEX-Börsendaten unter „Andere Erzeuger“ aufgeführten Kraftwerke sind aufgrund der geringen Bedeutung nicht berücksichtigt. Zu den nicht behandelten Erzeugungsarten gehört die Stromgewinnung aus Biomasse, so z.B. aus Biogas. Die Biomasse deckte in 2011 etwa 6 % des Stromverbrauchs ab.

1. Welche allgemeinen Entwicklungstrends sind erkennbar?

In einer Analyse wurden die Halbjahre von Mitte 2010 bis Ende 2012 gegenübergestellt. Im ersten Halbjahr 2011 wurde der Atomausstieg beschlossen, insofern markiert diese Zeit einen Wendepunkt.

Während der gesamte Stromverbrauch in Deutschland in den Jahren 2010 und 2011 praktisch konstant (2) blieb ist bisher in 2012 nicht mit einem spürbaren Rückgang zu rechnen. Im Gegenteil: Der Trend deutet auf einen leichten Anstieg gegenüber 2011 hin. Dies zeigt, dass sich die von der Bundesregierung vorgesehenen Bemühungen zu mehr Energieeffizienz und zum Energiesparen nicht in der Realität wiederfinden.

In der Erzeugungsstruktur haben sich allerdings deutlich erkennbare Veränderungen ergeben (Tabelle 1).

Tabelle 1: Stromerzeugung nach Energieträger in TWh

*) hochgerechnete Werte für Dezember 2012

Halbjahr Braunkohle Steinkohle Gas Öl Atom Wind Solar Wasser
2.HJ 2010 64,38 31,18 9,43 0,71 67,06 17,89 5,16 2,34
1.HJ 2011 66,16 31,39 11,52 0,35 55,11 20,26 9,76 1,72
2.HJ 2011 65,13 29,73 10,32 0,33 46,58 24,08 8,79 2,23
1.HJ 2012 64,35 32,19 9,16 1,37 45,04 24,82 14,31 2,40
2.HJ 2012*) 70,18 31,93 6,93 0,85 47,88 18,64 13,80 2,65

 
Während sich die Erzeugung aus Steinkohle in den Halbjahren nicht wesentlich verändert hat, so ist doch der Anteil der Kernenergie von etwa 67 TWh im 2. Halbjahr 2010 auf 45 TWh im ersten Halbjahr 2012 zurückgegangen. Der Gaseinsatz in der Stromerzeugung ist nach einem Anstieg im ersten Halbjahr 2011 seitdem deutlich rückläufig. Stattdessen ist der Einsatz der besonders umweltschädlichen (weil in hohem Maße CO2 emittierenden) Braunkohle sogar angestiegen. Sollte der Dezember 2012 windschwach ausfallen, so ist 2012 mit einer Erzeugung im 2. Halbjahr von 70 TWh aus Braunkohle zu rechnen, ein Anstieg von etwa 9 % im Vergleich zu 2011. Ölkraftwerke sind nur in sehr geringem Umfang zum Tragen gekommen. Lediglich im 1. Halbjahr dieses Jahres lag ihr Anteil mit 1,38 TWh signifikant höher. Hier spielt maßgeblich der sehr kalte Februar 2012 eine dominierende Rolle, in dem besonders in Süddeutschland alle Kraftwerkskapazitäten, auch Ölkraftwerke mobilisiert wurden.

Der Trend bei den Erneuerbaren geht weiter nach oben. Die Erzeugung aus Wind hat im betrachteten Zeitraum deutlich von knapp 18 auf knapp 25 TWh zugenommen, wenngleich sich im 2. Halbjahr 2012 mit ca. 18 TWh wieder ein unterdurchschnittlicher Wert abzeichnet. Den mit Abstand größten Zuwachs hat die Photovoltaik geschafft: Wuchs sie doch von 5 TWh Erzeugung im 2. Halbjahr 2010 auf knapp 14 TWh im 2. Halbjahr 2012. Sie hat ihren Anteil an der Stromerzeugung damit nahezu verdreifacht (Graphik 1). Wasserkraft spielt im Konzert der Erneuerbaren eine untergeordnete Rolle.

Graphik 1: Halbjahresvergleiche der Erzeugung (fossile und erneuerbare Energien)

Halbjahresvergleiche der Erzeugung fossile und erneuerbare Energien

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2. Welche Extremsituationen traten im Jahr 2012 auf?

Der Februar 2012 war durch eine lang anhaltende Kälteperiode geprägt. In dieser Zeit mussten praktisch alle zur Verfügung stehenden Kraftwerkskapazitäten, insbesondere in Süddeutschland, aktiviert werden. Das Erzeugungs-Diagramm vom 8. Februar zeigt, dass sowohl die (seit der Energiewende am Netz verbliebenen) Atom- als auch die Braun- und Steinkohlekraftwerke fast vollständig mit voller Leistung operierten (Graphik 2). Die Gaskraftwerke wurden zur Ausregelung des Tagesgangs eingesetzt. Selbst an diesem Tag konnte die Photovoltaik aufgrund des klaren Wetters einen nennenswerten Beitrag zur Reduktion der Mittagslastspitze leisten. In dieser in ganz Europa angespannten Versorgungssituation konnte Deutschland sogar noch Frankreich mit – wenn auch geringen – Stromexporten unterstützen. In Süddeutschland war die Versorgungssituation im Februar dieses Jahres allerdings auch sehr angespannt(3).

Graphik 2: Erzeugung Mittwoch, 8. Februar 2012 (sehr kalt, windarm Werktag)

Erzeugung Mittwoch, 8. Februar 2012 sehr kalt, windarm, Werktag

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Pfingsten 2012 herrschte in Deutschland sonniges Wetter vor. Feiertagsbedingt war wegen des längeren Wochenendes der Strombedarf insgesamt deutlich geringer als an normalen Wochenenden und zudem herrschte sehr sonniges Wetter in ganz Deutschland. So kam es zu der Situation, dass die Photovoltaik in den Mittagsstunden an diesem Wochenende einen Großteil (zeitweise mehr als 20 GW) der Stromversorgung abgedeckt hat.

Die Kernenergie wurde trotz sehr hohem EE-Anteil noch zu etwa 80 Prozent der Erzeugungskapazität in Anspruch genommen. Die Braunkohlekraftwerke liefen deutlich gedrosselt mit ca. 10 bis 12,5 GW Leitung. Steinkohlekraftwerke waren fast vollständig vom Netz oder stark gedrosselt, ebenso die Gaskraftwerke. Der gesamte Hub (zwischen 28 GW bei Nacht und ca. 49 GW um die Mittagszeit) wurde durch die Erneuerbaren abgedeckt (Graphik 3).

Graphik 3: Erzeugung Samstag, 26. Mai 2012 (sehr sonnig, Wochenende)

Erzeugung Samstag, 26. Mai 2012 sehr sonnig, Wochenende

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3. Wie hat sich die CO2-Intensität der Stromerzeugung entwickelt?

Die CO2-Intensität der Stromerzeugung hat im vergangenen Jahr nicht abgenommen. Nehmen wir vereinfachend an, dass der Dezember 2012 den Mittelwert zwischen 2010 und 2011 einnehmen wird (was einem insgesamt niedrigen Dezember-Stand entspräche) so kommt das Jahr 2012 auf einen CO2-Ausstoß der fossilen Großkraftwerke von ca. 191,4 Mio. Tonnen, gegenüber Werten von 186,5 Mio. Tonnen 2011 und 187,4 Mio. Tonnen 2010. Damit ist 2012 der CO2-Ausstoß der Stromerzeugung um knapp 3 % gegenüber dem Vorjahr angestiegen (Graphik 4).

Graphik 4: CO2-Intensität der Stromerzeugung

CO2-Intensität der Stromerzeugung

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4. Wie steht es um den Einsatz schnell regelbarer Gas- und Pumpspeicherkraftwerke?

Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Erzeugung aus (stark) fluktuierenden Erneuerbaren Energien (Wind und Solar) ist die Frage interessant, inwieweit dies zu einem verstärkten Einsatz von schnell regelbaren Kraftwerken (insbesondere Gaskraftwerken) und der Verwendung der bestehenden Pumpspeicherwerke führte.

Die Frage ist umso drängender, als in jüngster Zeit vermehrt Presseberichte kursierten, in denen die großen Energieversorger ankündigten, Gaskraftwerke und sogar Pumpspeicheranlagen wegen mangelnder Rentabilität (zu geringe Zahl an Einsatzstunden) stilllegen zu wollen(4).

Betrachten wir zunächst den Einsatz von Gaskraftwerken. In der Tat ist festzustellen, dass im Jahresvergleich 2010 bis 2012 der Einsatz rückläufig ist. Zwischen 2011 und 2012 ist der Einsatz sogar um ca. 20 % zurückgegangen (Graphik 5).

Graphik 5: Einsatz von Gaskraftwerken

Einsatz von Gaskraftwerken

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Als Ursache mag auch die verstärkte PV-Einspeisung eine Rolle gespielt haben, Tatsache ist jedoch, dass maßgeblich ein verstärkter Einsatz von Braunkohlekraftwerken zu verzeichnen war.

Im Bereich der Pumpspeicheranlagen sieht es umgekehrt aus. (Graphik 6) Sie wurden im Jahresvergleich stärker eingesetzt. Insbesondere zwischen 2011 und 2012 fällt der Anstieg deutlich aus. Umso unverständlicher sind daher die Angaben von Vattenfall, die Stilllegung älterer Pumpspeicherkraftwerke prüfen zu wollen(5). Sind doch die wenigen Pumpspeicherwerke in Deutschland die einzig bisher existierenden Stromspeicher, die bei der Ausregelung der fluktuierenden Erneuerbaren helfen können.

Graphik 6: Einsatz von Pumpspeicherkraftwerken

Einsatz von Pumpspeicherkraftwerken

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5. Schlussfolgerungen

Die vorgenannten Auswertungen lassen sich wie folgt interpretieren:

(a) Alle verbalen Bemühungen der Bundesregierung, die Energieeffizienz und das Energiesparen voranzubringen, haben nicht zum Erfolg geführt. Im Gegenteil: 2012 wird der Stromverbrauch voraussichtlich wieder ansteigen und mit ihm auch der CO2-Ausstoß. Das ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Strompreise bei der überwiegenden Zahl an Verbrauchern – insbesondere bei der energieintensiven Industrie (die von vielen Umlagen befreit ist) entgegen allen Äußerungen von Regierungsseite und von Seiten der vermeintlichen Verbraucherschützer noch immer deutlich zu niedrig sind.

(b) Die Energieerzeugung aus PV(Solar) hat 2011 und auch 2012 rasant zugenommen. Sie steht jetzt hinter der Windkraft und der Biomasse an dritter Stelle der Erneuerbaren Quellen. Es ist absehbar, dass die Photovoltaik in den nächsten zwei bis drei Jahren auf den 2. Platz vor die Biomasse vorrücken wird.

(c) Wind- und Solarenergie verdrängen spürbar fossile Kraftwerkskapazitäten. Der Blick auf Pfingsten 2012 (viel Solareinspeisung an einem Wochenende) zeigt allerdings auch, dass die verbliebenen (allesamt abgeschriebenen) Kernkraftwerke erst nach der Braunkohle zuletzt zurückgenommen werden.

(d) Die am Netz angeschlossene solare Stromerzeugungskapazität hat den Spitzenlastbedarf zur Mittagszeit für fossile Kraftwerke praktisch vollständig eliminiert. Stattdessen zeigt der residuale Lastgang der fossil-nuklearen Kraftwerke eine Spitze werktäglich gegen 8 Uhr morgens und abends zwischen 18 und 20 Uhr.

(e) Die konventionelle Stromwirtschaft nutzte 2012 zur Regelung der Leistung im Netz vorrangig Kohlekraftwerke, noch vor den besser regelbaren Gaskraftwerken. Letztere wurden 2012 spürbar weniger zum Einsatz gebracht. Die Erzeugungskapazität der besonders klimaschädlichen Braunkohle ist sogar noch erhöht worden. Braunkohlekraftwerke haben ihren Anteil an der Stromerzeugung 2012 deutlich gesteigert und damit zu einer Steigerung der CO2-Intensität der Stromerzeugung beigetragen. Dies ist ein weiterer Beleg dafür, dass die mit dem Emissionshandel eingeleiteten Maßnahmen zum Klimaschutz weitgehend wirkungslos sind.

(f) Die in Deutschland rasch zunehmende Erzeugung aus Erneuerbaren Energien ist mit den jetzigen Instrumenten des Emissionshandels nicht kompatibel. Infolge von zu großzügig verteilten Emissionsrechten können Erfolge im EE-Ausbau in Deutschland an anderer Stelle durch freiwerdende Zertifikate unterlaufen werden. Insofern setzt der Emissionshandel keine Anreize, die klimafreundlichen Gaskraftwerke zu nutzen oder gar in neue Gaskraftwerke zu investieren.

Quellen

[1] Die Daten werden für die konventionellen Kraftwerke unter http://www.transparency.eex.com/de/freiwillige-veroeffentlichungen-marktteilnehmer/stromerzeugung/Erzeugung-des-Vortages nach Kraftwerkstypen sortiert bereitgestellt und zeigen stundenweise nach Energieträgern getrennt die erzeugte elektrische Leistung.
Unter http://www.transparency.eex.com/de/daten_uebertragungsnetzbetreiber/stromerzeugung/tatsaechliche-produktion-wind sind die Windeinspeisewerte abrufbar, die für die Solarenergie unter http://www.transparency.eex.com/de/daten_uebertragungsnetzbetreiber/stromerzeugung/tatsaechliche-produktion-solar.

EEX-Tranparenzplattform
Auf der EEX-Transparenzplattform werden marktrelevante Erzeugungs- und Verbrauchsdaten veröffentlicht, um die Transparenz auf dem Großhandelsmarkt zu erhöhen. Damit werden sowohl gesetzliche Veröffentlichungspflichten als auch freiwillige Selbstverpflichtungen der Branche umgesetzt.

Anmerkungen

(1) Basis: Brutto-Stromverbrauch 2011 ca. 524,1 TWh. Unter der vereinfachenden Annahme, das der Brutto-Stromverbrauch 2012 in etwa konstant bleibt und die Erzeugung in beiden Halbjahren etwa gleich hoch ist, betrug der Anteil der konventionellen Großkraftwerke mit über 100 MW Leistung am Brutto-Stromverbrauch knapp 60%. Der Anteil der Erneuerbaren Wind, Solar und Wasserkraft betrug dabei etwa 14%.

(2) siehe Publikation des BMWi unter http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/Binaer/Energiedaten/energiegewinnung-und-energieverbrauch4-eev-nach-energietraegern. Danach betrug der gesamte Stromverbrauch in Deutschland 2010 527,5 TWh, im Jahr 2011 waren es mit 524,1 TWh nur etwa 0,6% weniger.

(3) Bericht der Bundesnetzagentur über das Winterhalbjahr 2011/2012, siehe http://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/BNetzA/Presse/Berichte/2012/NetzBericht_ZustandWinter11_12pdf.pdf?__blob=publicationFile

(4) siehe z.B. http://www.tagesspiegel.de/politik/versorgungssicherheit-verbraucher-sollen-fuer-unrentable-kraftwerke-zahlen/7165210.html

(5) siehe z.B. http://www.lr-online.de/nachrichten/wirtschaft/Zu-teuer-ndash-Vattenfall-will-alte-Pumpspeicherwerke-abschalten;art1067,3985770