Steuern müssen sein. Anders könnte der Staat seine Pflichten nicht erfüllen.

Die Entscheidung aber, bei wem der Staat die Steuern erhebt, steuert, im wörtlichen Sinn des Tätigkeitswortes "steuern", die Entwicklung unserer Wirtschaft.

Seit einigen Jahren wird im Zuge der Energiewende-Überlegungen eine Besteuerung der CO2-Emissionen gefordert. Mit dieser Maßnahme soll im Strombereich die Erzeugung von Fossil-Strom verteuert werden. Der Strom aus Gaskraftwerken allerdings würde deutlich weniger verteuert und Atomstrom bliebe gänzlich ungeschoren. Die Folge könnte sein, dass aus wirtschaftlichen Gründen Kohlekraftwerke durch Gaskraftwerke oder Atomkraftwerke ersetzt werden. Das eigentliche Ziel, Umstieg auf Erneuerbare Energien würde so nicht erreicht.

Im Folgenden wollen wir der Frage nachgehen, welche Auswirkung eine generelle Besteuerung JEDES Stromverbrauchs bei jedem Verbraucher - in gleicher Höhe (12 Cent/kWh) bei Privatkunden und bei allen Unternehmen - haben würde, wenn im Gegenzug die Lohn- und Einkommensteuer deutlich vermindert würde. Die Steuereinnahmen des Staates blieben gleich, aber die Struktur unserer Wirtschaft würde sich in ökologischer Weise erheblich verbessern. Solar- und Windstrom-Erzeuger könnten vorübergehend zum Ausgleich eine zusätzliche(!) Vergütung (12 Cent/kWh) pro eingespeister Kilowattstunde erhalten, so lange bis die Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien erfolgreich beendet ist.
Wir kommen damit auf einen Vorschlag zurück - den wir leicht verändert bereits unter der Überschrift Ökologische Steuerreform im Jahr 2003 gemacht haben. Ähnliche Überlegungen verfolgte auch das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) .

Die Ausgangslage

In Deutschland hat der Staat bisher den Lohn und das Einkommen der arbeitenden Bevölkerung 36 mal so hoch besteuert wie den Stromverbrauch.

254.952 Mio Lohn- plus Einkommensteuer gegenüber 6.944 Mio Stromsteuer im Jahr 2017 (Wikipedia). Hier ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass die Arbeitgeber auch noch den Arbeitgeberanteil, rund 50% der Sozialabgaben für ihre Arbeitnehmer entrichten müssen.

Das Missverhältnis zwischen der staatlich verordneten geringen Stromsteuer und den erdrückenden Abgaben bei den Personalkosten widerspricht der grundsätzlichen Regelung in der Volkswirtschaftslehre, dass jeder Produktionsfaktor nach seiner Leistungsfähigkeit besteuert werden soll. Auch ohne große Herleitung leuchtet ein, dass die Stromversorgung erheblich mehr als nur ein Sechsunddreißigstel zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) beiträgt. Das Ergebnis des Steuermissverhältnisses ist dann auch keineswegs erfreulich. Die Strom-liefernden Konzerne schwimmen - trotz extrem unökologischer Entscheidungen - im Geld und kaufen sich die öffentliche Meinung mit Millionen-teuren Anzeigen und Studien, ABER unzählige Handwerksbetriebe vom Schuhmacher, Uhrmacher, Schneider, bis zum Solarinstallateur gehen in Insolvenz. Viele Arztpraxen haben unsinnig lange Wartezeiten, weil sie unter Ärztemangel leiden. In den Schulen mühen sich Lehrer mit viel zu großen Klassen ab, in den Krankenhäusern finden die Krankenschwestern nicht einmal mehr die Zeit für ein aufmunterndes Gespräch mit den Patienten, die Aufklärung von Vergehen und Verbrechen scheitert an fehlenden Stellen bei der Kriminalpolizei, den Gerichten fehlen Richterstellen. Die Städte beklagen, dass sie für einen Katastrophenfall nicht gerüstet sind, denn es fehlen ausgebildete Feuerwehrleute und der Deutschen Bahn fehlen Tausende von Mitarbeitern. Der Grund ist jedesmal der Gleiche: Die Personalkosten sind zu hoch.

Die Stromkosten sind offenbar nicht zu hoch. Im Gegenteil. Trotz ständiger Energiesparappelle lassen nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene das Licht brennen oder den Fernseher oder den Computer laufen, wenn sie ein Zimmer oder das Bad oder das Treppenhaus oder die Wohnung verlassen. Und nachts sind bis zum Morgengrauen in vielen Städten sogar die menschenleeren Straßen oder Kurparks hell erleuchtet. Auf den Stromverbrauch bzw. die Stromverschwendung in den Betrieben kommen wir später.

Die Abhilfe

Würde man die Stromsteuer erhöhen und die Lohn-/Einkommensteuer vermindern, so würden die Gewinne bei den arbeitsintensiven Unternehmen steigen und bei den energieintensiven Unternehmen sinken. Die Folge wäre, dass Kapitalgeber stärker in arbeitsintensive Unternehmen investieren. Vorhandene arbeitsintensive Unternehmen würden wachsen und es würden neue arbeitsintensive Unternehmen gegründet. Im Gegensatz dazu würden die energieintensiven Unternehmen schrumpfen oder aus Deutschland ins Ausland verlagert.
Bei den wachsenden arbeitsintensiven Unternehmen würden viele neue Arbeitsplätze geschaffen, bei den schrumpfenden energieintensiven Unternehmen können (da sie ohnehin nur wenig Personal beschäftigen) nur wenige Arbeitsplätze wegfallen. Die Umschichtung der Steuerlast schafft also in der Bilanz eine Zunahme der Arbeitsplätze.

Ja, aber in jedem Produkt steckt Energie. Wird deshalb nicht alles teurer werden?

Diese Vermutung muss etwas ausführlicher beantwortet werden, denn sie wird von den Vertretern der Energiewirtschaft oft geäußert.

Energieintensiv hergestellte Produkte werden in der Tat teurer, ABER arbeitsintensiv hergestellte werden billiger.

Dazu eine Begründung:
Der Preis eines Produktes hängt zwar weitgehend von Angebot und Nachfrage ab. Auf lange Sicht aber muss jedes Produkt und jede Dienstleistung beim Verkauf mindestens die Materialkosten, die Energiekosten und die Lohnkosten erwirtschaften.
Die Materialkosten spielen zur Zeit praktisch kaum eine Rolle, denn die immense Energie, die man zur Herstellung der Grundstoffe aus den Bodenschätzen dieser Erde benötigt ist derzeit wegen der mangelnden Energie-Besteuerung spottbillig!
Auch zur automatischen Erzeugung von Halbzeugen (Schrauben, Profileisen, Kunststoffgranulat, Stoffen und Garnen usw.) wird noch viel billige elektrische Energie eingesetzt.
Wenn Energie höher besteuert würde, würden in erster Linie diese Materialkosten steigen.
Bei einer höheren Besteuerung von Energie steigen dann zwar auch noch die Kosten für die maschinelle Bearbeitung in der Endproduktion, doch ist dort der Energieverbrauch für die Drehbänke, die Bohrmaschinen, die Schweißmaschinen, die Nähmaschinen unvergleichlich geringer als der Energieverbrauch in der Grundstoffindustrie und zumeist auch geringer als bei der Herstellung der Halbzeuge.

ANDERERSEITS bewirkt eine Steuerminderung bei den Lohnkosten, dass die Lohnkosten sinken. Da die Lohnkosten bei vielen Produkten (insbesondere im Handwerk) einen hohen Anteil ausmachen, würde ihr Sinken die Herstellungskosten solcher Produkte erheblich verbilligen.

Übrigens, auch das Paradepferd des deutschen Exports, der Maschinenbau, gehört zu den arbeitsintensiven Unternehmen. Diese Feststellung überrascht die meisten Leser, die an die vielen elektrisch angetriebenen Werkzeugmaschinen, wie Drehbänke oder Schweißgeräte denken. Doch der Maschinenbau verdient seine hohen Export- Einnahmen nicht durch Massenproduktion, sondern durch Lieferung von ständig neu entwickelten Automaten in kleinen Stückzahlen. Bei denen ist der Anteil der Lohnkosten hoch, weil dort eine große Zahl von Ingenieuren und erfahrenen Facharbeitern neue Maschinen entwickelt, die dann z.B. in Fernost in der Massenproduktion eingesetzt werden können (z.B. Automaten zur Herstellung von Solarmodulen). Diese Automaten können dann noch preisgünstiger geliefert werden oder erzielen höhere Gewinne.

Brauchen wir mehr arbeitsintensive Unternehmen und können wir auf energieintensive Unternehmen verzichten?

Wir kommen jetzt zu der entscheidenden Frage: Brauchen wir mehr arbeitsintensive Unternehmen? Können wir auf energieintensive Unternehmen verzichten? Beide Fragen sind mit einem Ja zu beantworten und das will sorgsam begründet werden:

Zuerst also zu den arbeitsintensiven Unternehmen:

Warum fehlen in den sozialen Einrichtungen Arbeitskräfte? Warum haben Krankenschwestern kaum noch Zeit für aufmunternde Gespräche mit bettlägrigen Patienten? Warum müssen sich Lehrer mit viel zu großen Klassen abmühen? Warum finden sich keine Allround-Handwerker mehr, die im Haushalt notwendige Reparaturen durchführen? Warum gibt es nicht genügend Handwerksbetriebe, Möbelschreinereien, Schuhreparaturbetriebe, Änderungsschneidereien, Fernsehreparaturbetriebe. Warum werden technische Geräte mit nur kleinen Fehlern "entsorgt" anstatt repariert? Warum werden Hecken nur alle 3 Jahre, dann aber unsinnig radikal zurückgeschnitten? Warum werden Wärmedämmmaßnahmen im Gebäudebestand nur so zögerlich durchgeführt?

Wir schieben einen ganzen Stau dringlich zu erledigender Arbeit vor uns her, und die Ursache ist immer die gleiche: Die Personalkosten sind zu hoch.

Das ist mit ein Grund dafür, dass sich die Arbeiter und Angestellten in den Braunkohlegruben und Kohlekraftwerken Sorgen machen, wo sie wohl nach der Stilllegung der Kraftwerke eine Stelle finden. Auch gibt es eine große Zahl schwer vermittelbarer Langzeitarbeitslose, die genau das gelernt haben, was - wie oben beschrieben - so dringend gebraucht wird, für das aber die "Stellen" fehlen. Mancher Handwerksmeister, mancher Personalchef würde solche Menschen gerne einstellen, wenn - wie gesagt - nur die Personalkosten nicht so hoch wären.

Doch die Personalkosten könnten durch eine steuerliche Entlastung der Löhne und Einkommen sinken!

Es geht also nicht darum, dass Menschen wieder die Arbeit von Maschinen verrichten sollen, denn Maschinen können das besser und schneller. Beispiele: Teig mischen, Ziegelsteine aufs Dach tragen, Löcher bohren, Schrauben hineindrehen usw.
Selbst wenn Energie stärker besteuert würde, würde man diese Tätigkeiten weiter mit Maschinen durchführen. Oder würden Sie auf ihren Akkuschrauber oder auf ihre Küchenmaschine verzichten, wenn der Strom 39 Cent statt 27 Cent/kWh kosten würde?

Es geht vielmehr darum, dass Menschen wieder Arbeiten verrichten sollen, die derzeit sträflich vernachlässigt werden, weil sie von Maschinen nicht verrichtet werden können und weil die Beschäftigung von Menschen zu teuer ist (Personalkosten).
Weitere Beispiele: Nachhilfe in Mathematik, Schwimmunterricht, Reparatur von Haushaltsgeräten, Betreuung von Kranken, Betreuung im Altersheim, Erfindung und Weiterentwicklung neuer Strom-Speicherverfahren, außergerichtliche Regelung von zivilen Streitigkeiten. Auch fehlen Stellen bei der Berufs-Feuerwehr und beim Technischen Hilfswerk usw.

Nun zu den energieintensiven Unternehmen:

Energieintensiv sind Unternehmen, die wenig Personal aber viel Energie einsetzen. Im Zuge der Sektorenkopplung werden viele von ihnen auf elektrische Energie umstellen. Wir beziehen sie deshalb hier in unsere Überlegungen mit ein. Zu den energieintensiven Unternehmen gehören in erster Linie die Unternehmen der Grundstoffindustrie, z.B. die BASF. Diese verbraucht allein in ihrem Werk in Ludwigshafen mehr als ein Prozent des deutschen Stroms. Die Werke der Grundstoffindustrie erzeugen die sogenannten Grundstoffe aus den Bodenschätzen der Erde, z.B. Aluminium aus griechischem Bauxit oder Kunstdünger aus tunesischem Phosphat oder Kupfer aus polnischem Kupfererz. Je billiger diese Grundstoffe sind, desto sorgloser werden sie in der Massenproduktion eingesetzt. Die Produkte sind derzeit so billig, dass man sie bei kleinen Defekten sofort verschrottet und durch neue billige Massenware ersetzt. Auf Reparaturfreundlichkeit wird derzeit kein Wert mehr gelegt. Man hat manchmal sogar den Verdacht, dass ein Versagen direkt nach Ablauf der Gewährleistungspflicht vorprogrammiert ist. (Die Älteren unter uns erinnern sich vielleicht noch an den guten Ruf, den damals das Qualitätssiegel "made in germany" hatte. Das ist längst vorbei)

Wenn Energieeinsatz mit höheren Steuern belastet würde, dann würden die Grundstoffe teurer und würden nur noch eingesetzt wenn es unvermeidbar ist. Die Ausplünderung der begrenzten Ressourcen unseres Planeten würde gestoppt, zumindest aber verlangsamt. Die ressourcenvernichtende Produktion billiger Massengütern, die bei kleinen Defekten gleich im Müll landen, würde umgestellt auf hochwertige Produkte. Der unverantwortliche Raubbau an den Bodenschätzen unserer Erde würde verlangsamt.

Erweitert man die Überlegungen auf den Treibstoffverbrauch, so gehören alle energieintensiven Unternehmen dazu, auch die Transportunternehmen mit ihren Frachtschiffen, Containerschiffen, Tankschiffen, und Kreuzfahrtschiffen, dazu die vielen Verkehrsbetriebe, insbesondere die Fluggesellschaften. Bei einer Erhöhung der Energiesteuern müssten die ihre Preise erhöhen. Der Fernverkehr frisst dann nicht mehr Unmengen von Kerosin, um Krabben aus Ostfriesland zum Pulen nach Marokko zu fliegen, weil in Deutschland die Arbeitslöhne zu hoch besteuert werden. Auch manche Ferien würden dann eher im Inland verbracht als auf entfernten Inseln. Und für tausend andere vermeidbare Aufgaben wird dann weniger Energie verschwendet, z.B. Erzeugung von Kunstschnee im Skigebiet.

Monatliches Energiegeld für alle zum Ausgleich der steigenden Kosten beim privaten Stromverbrauch

Bei unserem Programm ist vorgesehen, dass alle Bewohner des Landes - unabhängig von ihrem eigenen Stromverbrauch - ein für alle gleiches Energiegeld erhalten.

Hier muss man einmal um die Ecke denken. Der vorgesehene Zweck wird natürlich nicht dadurch erreicht, dass jeder das gleiche Energiegeld erhält. Der Zweck wurde bereits vorher erreicht, weil die Vielverbraucher mehr Stromsteuern bezahlten, die Wenigverbraucher dagegen weniger Stromsteuern.

Das Energiegeld erfüllt einen psychologischen Zweck. Niemand kann sich beklagen, denn er bekommt den Durchschnittswert zurück.

Würde man bei allen Privatpersonen eine Stromsteuer von knapp 12 Cent/kWh kassieren und die Einnahmen dann auf die 80 Mio. Einwohner aufteilen, so erhielte jeder Einwohner ein bedingungsloses monatliches Energiegeld von ungefähr 100 Euro.
Diese Berechnung geht noch von einem Jahresstromverbrauch von etwa 600 TWh aus. Bei weiterer Umstellung des Verkehrs, der Industrie sowie der Wärme- und Kälteversorgung auf elektrische Energie (Sektorkopplung) wird der Jahresstromverbrauch natürlich ansteigen.

Zu bedenken ist auch die Frage, wer die Stromsteuer bezahlt, wenn alle energieintensiven Unternehmen abwandern oder ihren Stromverbrauch reduzieren.
Die Antwort lautet: Natürlich wird der Stromverbrauch abnehmen, wenn Strom stärker besteuert wird. Das ist ja der Zweck des Programms. Doch das ist nicht in beliebigem Maße möglich. Kein Unternehmen kann auf elektrische Energie völlig verzichten. Kein Arbeiter soll auf seine elektrische Bohrmaschine oder seinen elektrischen Aufzug oder die Drehbank verzichten (deren Stromverbrauch ist im Vergleich zu dem der Grundstoffindustrie extrem gering). Aber die unsägliche und unnötige Energieverschwendung bei der Herstellung von Grundstoffen und Halbzeugen, die nach wenigen Jahren dann doch auf dem Sperrmüll landen, kann am wirkungsvollsten durch Energiebesteuerung vermindert werden.
Wenn die eingehenden Steuerbeträge nicht mehr ausreichen, kann die Stromsteuer angehoben werden, um die notwendige Reduzierung der Lohnkosten zu finanzieren. Vorerst ist jedoch - wie im vorigen Absatz erwähnt - im Zuge der Sektorkopplung mit einer Zunahme des Stromverbrauchs zu rechnen.

"Energiegeld" - Keine Utopie! Erste Umsetzung eines ähnlichen Programms bereits auf kommunaler Ebene in Basel.

Die Stadt Basel führt seit mehreren Jahren erfolgreich ein ähnliches Programm durch: die "Baseler Lenkungsabgabe".