In der allgemeinen Diskussion um den Atomausstieg wird die wichtigste Alternative, die Solarenergie, kaum noch erwähnt. Wie kommt es zu dieser bedenklichen Entwicklung und was steckt dahinter? Betrachten wir einmal in diesem Zusammenhang die Rolle der Bundestagsparteien.

Dass die schwarz/gelbe Koalition in ihrer Mehrheit die Solarenergie noch nie zur Sprache gebracht hat, bedarf kaum einer Erwähnung. Dass die SPD-Führung mit dem Tod von Hermann Scheer ihren eindrucksvollsten Vorkämpfer für die solare Revolution verloren hat, wird uns Woche für Woche von neuem schmerzlich bewusst. Bei der SPD bestimmt jetzt Sigmar Gabriel den Kurs - Richtung Kohlekraft. Die Befürworter der Solarenergie zählen bald bei der SPD genau wie bei den Unionsparteien, und wie bei den Liberalen, eher zu den Außenseitern, und wir können nur hoffen, dass sie mehr Einfluss gewinnen.

Bleiben noch die Linkspartei und die Grünen.

Die Linkspartei steuert seit Jahren einen klaren Anti-Atomkurs, lehnt die Fortsetzung der fossilen Energienutzung ab und fordert eine energische Wachstumssteigerung bei dezentralen Solar- und Windanlagen. Aber warum hört man so wenig davon? Es scheint so, als berichten die Medien lieber über ideologische Grundsatzdebatten in der Linkspartei.

Überraschend und schwer erklärlich ist das Verhalten der Grünen. Mit starken Worten kritisieren sie die Versäumnisse der schwarz/gelben Bundesregierung bei der Förderung der Erneuerbaren Energien. Doch wenn sie dann ihre eigenen Ziele nennen, stößt man auf merkwürdige Widersprüche:

Die Grünen beklagen zwar, dass die schwarz/gelbe Regierung die Solarenergie ausbremst, selbst aber bremsen sie ebenfalls. Es war sogar ihre Idee, ein zu schnelles Wachstum der Solarenergie durch gezielte zusätzliche Absenkungen der Einspeisevergütung (durch einen „marktorientierten atmenden Deckel“) zu verhindern.

Der Solarenergie-Förderverein Deutschland warnt schon seit Jahren vor solchen planwirtschaftlichen Experimenten und davor, dass durch außerplanmäßige zusätzliche Vergütungsabsenkungen die Nachfrage zusammenbrechen und das Vertrauen in die Investitionssicherheit verloren gehen würde.
Aber nicht nur im Mai 2010, sondern auch im Februar 2011 wollten die Grünen dennoch gemeinsam mit der Bundesregierung durch zusätzliche Absenkungen der Solarstromvergütung den jährlichen Zubau an Solaranlagen auf 3,5 GW, d.h. auf weniger als die Hälfte des Zubaus 2010 verringern.

Als auch nach den Ereignissen in Fukushima keine Änderung des grünen Solarkurses absehbar war, hat der SFV kurz vor der Wahl in Baden-Württemberg diesen Mangel der grünen Solarstrategie öffentlich scharf kritisiert (http://www.sfv.de/artikel/gruene_wollen_pv-wachstum_begrenzen_-_protest_des_sfv.htm)

Zwar gab es wegen der öffentlichen Kritik und wegen des gewählten Zeitpunktes erheblichen Unmut bei den Grünen. Ganz wirkungslos scheint der Protest des SFV jedoch nicht gewesen zu sein. Am 9.6.2011 jedenfalls teilte der energiepolitische Sprecher der Grünen in einem Newsletter mit, die Grünen hätten jetzt beschlossen, dass das Ausbauziel für die Photovoltaik von jährlich 3 GW auf 5 GW angehoben werden solle.

Wer sich mit der Thematik nicht gut auskennt, freute sich über diese Meldung. Aber schauen wir genauer hin: Auch 5 GW jährlich ist weniger als im vergangenen Jahr installiert wurde. Und eine Verringerung von 7,4 GW jährlich (im Jahr 2010) auf 5 GW jährlich (ab 2011) ist nun einmal keine Beschleunigung, sondern ein klares Abbremsen. Die Grünen demonstrieren damit zwar, dass sie mehr Photovoltaik wollen als die Regierung, aber sie wünschen noch immer nicht so viele neue Solaranlagen, wie im vergangenen Jahr installiert wurden und erst recht kein weiteres Wachstum darüber hinaus.

Stichhaltige Gründe, warum sie ausgerechnet mit der Photovoltaik diejenige Technik bremsen wollen, die im Vorjahr (2010) am meisten Zuwachs erbracht hat (fünfmal mehr als die Windenergie), nennen die Grünen bis heute nicht. In ihren Statements lassen sie jedoch zunehmend Zweifel erkennen, ob es überhaupt möglich sei, eine dezentrale Energieversorgung ohne Mitwirkung der Stromkonzerne aufzubauen. Immer wieder verweisen sie auf die Offshore-Windparks, die Großspeicher in Norwegen oder in den Alpen, den Desertec-Wüstenstrom und - ach ja - den Ausbau der Stromfernleitungen. Damit aber machen sie sich abhängig vom guten Willen und von den Planungen der Stromwirtschaft.
Noch ist völlig unklar, wie die Grünen mit dem von ihnen vorgesehenen Ausbautempo der Solarenergie eine Energielücke wegen des Wegfalls der Atomenergie vermeiden wollen, oder wie sie verhindern wollen, dass vermehrt fossile Energien genutzt werden müssen.

Diese Frage ist eine Schicksalsfrage mit Auswirkungen für die ganze Menschheit. Sie könnte außerdem zur Existenzfrage für die Grünen werden, wenn es ihnen nicht gelingt, auf diese Frage bald eine überzeugende Antwort zu finden. Das Statement: „Wir waren schon immer gegen die Atomenergie“ genügt eben nicht mehr, wenn die Folgen des Klimawandels sichtbar werden.