Die Agentur für Erneuerbare hatte vor kurzem gute Nachrichten: Die Umlage, die Verbraucher für Strom aus Erneuerbaren Energien zahlen müssen, wirke wie ein regionales Konjunkturprogramm. Städte und Gemeinden, die sich mit Erneuerbaren Energien versorgen, sparten nicht nur Kosten für teure Rohstoffimporte. Sie sorgten auch dafür, dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden und Steuer- und Pachteinnahmen in die kommunalen Kassen fließen. Bezeichnenderweise spielt diese regionalwirtschaftliche Perspektive bei der derzeitigen PV-Debatte keine Rolle.
In Sachen PV ist wieder Katastrophen-Alarm: der Sonnenstrom frisst uns die Haare vom Kopf! Bernhard Pötter hat letzte Woche in der taz (Notbremse beim Sonnenstrom | taz.de 19.01.2011) vorgerechnet, dass wir zuhause 140 Euro mehr für die Erneuerbaren im Jahr hinblättern.
Holger Krawinkel von den Verbraucherzentralen hat schon vor einiger Zeit das Bild geprägt vom armen Mieter, der für die üppigen PV-Gewinne des schwäbischen Zahnarztes bluten müsse. Das klingt alles einleuchtend, ist aber falsch. Es ist grundsätzlich falsch, weil die Kosten der Energiewende die Kosten der schmutzigen Energien Kohle und Atom sind. Ihre Kilowattstunden haben in Wahrheit eben keinen längerfristigen ökonomischen Wert, weil sie nicht nachhaltig sind.
Die EEG-Horrorrechnungen sind aber auch fachlich falsch. Die Mehrkosten pro Haushalt sind nämlich alle berechnet nach der sogenannten EEG-Umlage. Diese ist eine technische Berechnungsgrundlage für Netzbetreiber, die die Einspeisvergütung bezahlen, den Strom am Spotmarkt verkaufen und sich den Differenzbetrag wieder zurückholen. Damit schafft die EEG-Umlage im System Transparenz. Das ist gut. Die Umlage ist aber kein präziser Indikator für die damit verbundenen Strompreiserhöhungen von Haushalten.
Natürlich hat der Aufbau von mehr Solarstrom auch eine preistreibende Wirkung. Aber unser Strompreis zuhause wäre im Jahr 2011 eben nicht 3.5 Cent billiger, wenn es die Förderung der Erneuerbaren nicht geben würde.
Die Preisbildung auf dem deutschen Strommarkt ist schon etwas komplexer. Matthias Kurth von der Netzagentur hat vor Wochen erklärt, dass die aktuellen Preissteigerungen eben nicht mit der EEG Umlage zu erklären sind, weil beispielsweise preisdämpfende Faktoren von den Konzernen nicht an Kunden weitergegeben wurden. Die zunehmende Menge an erneuerbarer Energie bewirkt sogar sinkende Großhandelspreise, weil teurere Kraftwerke aus dem Markt gedrängt werden.
Diese Differenzierungen helfen aber im Mediengetöse nichts: die Erneuerbaren sitzen in der 3.5 Cent Kommunikationsfalle. Leider hat die EEG-Umlage nämlich ein paar handfeste Konstruktionsprobleme: In der theoretischen Welt der Berechnung bedeuten sinkende Preise an der Strombörse auch eine höhere EEG-Umlage. Das ist eigentlich gut für den Kunden, aber schlecht für das Image der Erneuerbaren.
Die Netzbetreiber haben dabei kein eigenes Interesse an hohen Verkaufserlösen des EEG-Stroms, da sie die höheren Kosten über die Umlage bequem durchreichen können. Die Umlage wird auch maßgeblich von Privathaushalten und kleinen Unternehmen gezahlt. Strom intensive Betriebe zahlen kaum was.
So lautet auch die eigentliche soziale Frage: warum finanzieren die größten Verbraucher den Ausstieg aus der schmutzigen Energie nicht mit?
Die fragwürdige Kommunikation der EEG-Umlage hat handfeste Konsequenzen: bis weit in die Umweltbewegung hinein gibt es immer noch Zweifel an den Kosten und Potentialen der PV in Deutschland. Dabei war 2010 das Jahr der deutschen Solarrevolution. Der Durchbruch. Der Photovoltaik Markt ist mit 8 bis 9 Gigawatt Leistung spektakulär gewachsen und als Folge fallen die Modulpreise weiter. Deshalb ist die Diskussion über die ausserplanmässige Anpassung der EEG-Vergütung auch ein Erfolg.
Im Jahr 2008 bekam ein privater Solarstromproduzent mit Anlage auf dem Dach noch 46.5 Cent pro Kilowattstunde. Letzte Woche hat der Bundesumweltminister verkündet: die Vergütung soll im Juli bereits abgesenkt werden und bei anhaltendem Wachstum 2012 nur noch 22,7 Cent betragen.
Bei PV wäre das also eine Halbierung der Vergütung in 4 Jahren und eine Aussicht auf weiter fallende Modulpreise. Die Solarbranche steht dabei an der Seite Röttgens, weil jede Kürzung besser ist als eine Mengenbegrenzung, die in die PV-Planwirtschaft führt. Genau das wollen Stromkonzerne und Teile von FDP und CDU.
Überraschenderweise will das auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der mit der massiven Speicherung vom Erneuerbarem Strom in norwegischen Pumpspeicherseen eine interessante Option vorgestellt hat. Seine Kostenabschätzungen zur 100% Versorgung sind stark geprägt vom Optimismus in Sachen Off-Shore Wind und nordischen Pumpspeicher-Kapazitäten.
Andere 100% Studien betonen dagegen den dezentralen Aufbau und die Einbindung von PV in regionale Kombikraftwerke und regionale Speicher. Dahinter steht die politische Frage, inwiefern Dezentralität und Demokratisierung wichtige Ziele moderner Energiepolitik sind.
Vertreter einer On-Shore und PV-Strategie müssen in jedem Fall das Argument der hohen Systemkosten entkräften. Sie müssen sagen, wie die PV im großen Stil intelligenter in das Netz eingebettet werden kann.
Stichworte sind Dienstleistungsbonus, erneuerbare Kombikraftwerke, dezentrale Speicher und intelligentere Netze. Auch der stärkere Eigenverbrauch muss durchdacht stimuliert werden, insbesondere für Gewerbebetriebe, die Ihren Verbrauch parallel zur Erzeugung haben.
Wer dagegen PV heftig zurückfahren möchte, muss erklären, warum er meint, Arbeitsplätze in Industrie und Handwerk beliebig an- und ausschalten zu können. International wäre eine deutsche Vollbremsung ein verheerendes Signal. War doch das jüngste, explosive PV-Wachstum eines der wenigen positiven Signale im weltweiten Klimaschutz und sicher gut für Deutschlands Image in Sachen Innovation.
Großprojekte? Der PV-Aufbau ist ein gigantisches, mutiges Großprojekt, segensreich auch für die armen Länder des Südens, für die PV-Technik bald eine Option wird. Seit Hermann Scheer tot ist, wagen aber nur noch wenige offen zu sagen, dass der massive PV-Ausbau auch in Deutschland richtig ist.
Und dass der Abschied von schmutziger Energie seinen Preis hat. Grotesk sind die Abzockervorwürfe gegen die Investoren in Photovoltaik. Ja, im Energiemarkt wird Geld verdient. Der Jahresgewinn der vier großen Energiekonzerne liegt im Jahr 2010 auf Rekordniveau: nach Schätzungen um die 30 Milliarden Euro. Möglicht gemacht, so nehmen wir mal an, haben das auch arme Hartz IV-Mieter in Gelsenkirchen.
Der feine Unterschied: jeder Euro für PV-Förderung ist eine Investition in die eigene Zukunft. Die Solarrevolution wird in wenigen Jahren auch ärmeren Haushalten die Chance bieten selbst zum Stromproduzenten zu werden.
Hinweise
03.02.2011 | Donnerstag | Artikel | MARTIN UNFRIED
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