Kanzlerin Merkel und Wirtschaftsminister Gabriel zeigen inzwischen offen, dass sie keine Energiewende, sondern nur einen Umstieg von Atomenergie auf Braunkohle wollen. Gabriel: „Man kann nicht gleichzeitig aus der Atomenergie und der Kohle aussteigen“.

Merkel und Gabriel diskutieren nicht, sondern verbreiten Parolen, die durch häufige Wiederholung den Überzeugungswert eines Glaubenssatzes angenommen haben. "Netze sind billiger als Speicher", "Irgendwo in Europa weht immer genug Wind", "Ein globales Problem muss in globaler Partnerschaft angegangen werden", usw.

Wie es aussehen kann, wenn es wirklich mal zu einer ernsthaften Diskussion mit Akteuren des fossilen Systems kommt, demonstrierte schlaglichtartig vor wenigen Tagen eine Podiumsdiskussion in Süddeutschland, über die ich kurz berichten will.

Einer der Podiumsgäste war Dr. P.S., ehemaliger Vorsitzender der Shell Deutschland Oil GmbH. Auf Fragen aus dem Publikum über die Reichweite der fossilen Energien informierte er über die Reserven und Ressourcen der fossilen Brennstoffe, die seiner Ansicht nach eine sichere Fortführung der derzeitigen fossilen Energieversorgung noch für über 170 Jahre ermöglichen.

Allgemeines Erschrecken im Publikum über diese Aussichten und der Hinweis auf die Warnungen der Klimaforscher veranlasste ihn zu folgenden Überlegungen.

Er sei ein Mann der Realitäten. Die Warnungen der Klimaforscher könne und wolle er nicht beurteilen. Und mit Emotionen müsse er sich nicht befassen. Realität sei der internationale Wettbewerb. Ein einseitiger Umstieg Deutschlands auf Erneuerbare Energien würde der deutschen Industrie erheblich schaden.

Dass er die Warnungen der Klimaforscher nicht beurteilen könne, ist natürlich Unfug. Herr P.S. promovierte 1978 zum Dr. Ing. - ein entsprechendes Wissen zum Verständnis des anthropogenen Treibhauseffekts darf man da getrost voraussetzen. Er muss ja nicht beurteilen, wie schnell die Erwärmung im einzelnen erfolgen wird. Er muss nicht beurteilen, wann welcher von den Klimaforschern geschilderte Kipppunkt überschritten sein wird. Es genügt die Erkenntnis, dass es wärmer wird und dass es umso schneller gehen wird, je länger wir CO2 emittieren.

Und was ist die Realität, auf die sich Herr P.S. beruft?

Wetterextreme fordern schon jetzt (nicht erst in 170 Jahren) zunehmend Opfer an Menschenleben und verursachen immer schlimmere Schäden an der Infrastruktur. Die Zahl der Klimaflüchtlinge explodiert. Die Versicherungsleistungen für die Beseitigungen der Klimaschäden steigen. Es ist absehbar, dass wir immer mehr Mittel in Hilfs-, Reparatur- und Wiederaufbaumaßnahmen stecken müssen. Für eine grundlegende Umstellung der Energieversorgung werden dann schließlich die volkswirtschaftlichen Ressourcen nicht mehr ausreichen.

Wir müssen deshalb den weltweit steigenden Energiebedarf mit einer CO2-freien Technik decken! Der Anstoß dazu könnte von Deutschland ausgehen. Die Solaranlagen-Markteinführung in Deutschland in den Jahren von 2000 bis 2010 war dafür ein eindrucksvolles Beispiel: Entgegen der Aussage aller "Experten" sanken die Kosten für die Erzeugung von Solarstrom von 2 DM/kWh auf 20 Cent/kWh - WELTWEIT ! Die beste „Entwicklungshilfe“, die Deutschland je geleistet hat.

Es ist jetzt höchste Zeit, endlich auch Stromspeicher in den Markt einzuführen, denn ohne Speicher wären wir bei Dunkelheit und Schwachwind weiterhin auf fossile oder gar auf Atomkraftwerke angewiesen. Wenn Speicher vorhanden sind, kann auch endlich der Rückbau von Braun- und Steinkohlekraftwerken beginnen.

Unser Programm muss sich nicht verstecken: Gewinnanreize für den Aufbau dezentraler Solar- und Windanlagen. Rasche Markteinführung für Kurz- und Langzeitspeicher. Rückbau nicht nur von Atom- sondern auch von Kohlekraftwerken!

Bei allen Vorschlägen zum nationalen Umstieg auf eine CO2-freie Energiebereitstellung gibt es natürlich auch Nachteile für die nationale energieintensive Industrie, doch nur diese herauszustellen, wird dem Problem nicht gerecht. Wo bleiben bei einer Abwägung die volkswirtschaftlichen Vorteile für eine Industrienation, die bei der Einführung einer Schlüsseltechnik an der Spitze steht. Diese Vorteile gilt es immer wieder herauszustellen: Die Exportvorteile für den deutschen Maschinenbau, der anderen Ländern die Automaten zur Herstellung der Solar- und Windanlagen sowie der Speicher liefert. Die Vorteile für Ingenieure, die im Lande mit der neuen Technik vertraut gemacht werden. Die Vorteile, wenn die Einfuhren an Erdöl, Steinkohle und Erdgas reduziert werden können. Die Zunahme der Versorgungssicherheit, wenn überall dezentrale Stromspeicher installiert sind, die bei einem Blackout als Notstromanlage dienen können.

Zum guten Schluss: Der Beifall des Publikums und die Berichte in der Lokalzeitung zeigten klar, wessen Argumente die Zuhörer mehr überzeugt hatten.

Also: Keine Angst vor Podiumsdiskussionen!