Die aktuelle Energiepolitik der Bundesrepublik ist unehrlich und führt in die Irre. Nicht der Klimaschutz steht im Vordergrund, stattdessen wollen die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien der Großindustrie auch weiterhin einen möglichst billigen Strompreis verschaffen und den schmutzigen Braunkohleverstromern einen langfristigen Absatz sichern. Gewerbetreibende und Haushaltskunden sowie die nachfolgenden Generationen zahlen die Zeche dafür, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine wirkliche Energiewende hin zu Erneuerbaren Energien nicht geschaffen werden.

Der SFV kritisiert, dass wichtige strukturelle Reformen im Energiebereich vollständig ausgeblendet werden. In der Einführung zum Eckpunktepapier von Wirtschaftsminister Gabriel [1] zur Reform des EEG ist von Aufgaben und Zielsetzungen die Rede, unter anderem von einem „zukunftsfähigen Strommarktdesign“ und einer Weiterentwicklung der Kraft-Wärme-Kopplung, von einer Modernisierung der Verteilernetze und einer weiteren Beschleunigung des Netzausbaus sowie von der „Vollendung des (europäischen) Energiebinnenmarkts“.

Abgesehen von diesen wohlklingenden einführenden Phrasen beschäftigt sich das Papier aber nur mit der geplanten „Reform“ des EEG und dem Ziel, die „bisherige Kostendynamik“ zu durchbrechen. Zielführende strukturelle Änderungen zum Strommarkt und vor allem Verbesserungen für den Klimaschutz bleiben auf der Strecke.

So geht Minister Gabriel mit keinem Wort darauf ein, wie die – ohnehin schon nicht sehr ambitionierten – deutschen Klimaschutzziele erreicht werden können und welche dringenden weiteren gesetzlichen Maßnahmen außerhalb des EEG umgesetzt werden müssen, damit der Umstieg von fossilen zu Erneuerbaren Energien zügig und bis zu einer vollständigen Umstellung vonstatten gehen kann.

Das bestehende Energiewirtschaftsgesetz [2] und insbesondere das bestehende Strommarktdesign behindern und verhindern maßgeblich, dass die Energiewende wirklich vorankommt, dies wird aber bei Minister Gabriel nicht thematisiert. Stattdessen wird der Eindruck vermittelt, als ob sich die Erneuerbaren Energien in das existierende, ungeeignete Marktdesign einpassen könnten.

Der SFV fordert daher die Umsetzung eines Vier-Punkte-Programms, das die Energiewende wirklich voranbringt und den Klimaschutz wieder in den Mittelpunkt rückt:

  • 1. Ungehinderter, flächendeckender Ausbau der Binnenland-Windenergie und der Photovoltaik mit langfristig einplanbaren, auskömmlichen Einspeisevergütungen
  • 2. Sofortige Auflage eines Markteinführungsprogramms von Kurzzeit- und Saisonspeichern für Strom
  • 3. Änderung des Strommarkts durch Abschaffung des Terminmarkts – Spotmarkt only – mit unbedingtem Vorrang für Erneuerbare Energien
  • 4. Einführung einer CO2-Besteuerung für Kraftwerke

1. Ungehinderter, flächendeckender Ausbau der Binnenland-Windenergie und der Photovoltaik

Deutschlands Stromerzeugung wird derzeit erst zu etwa einem Viertel aus Erneuerbaren Quellen abgedeckt. Bis zu einer vollständigen Umstellung auf Erneuerbare Energien – nicht nur im Strom-, sondern auch im Wärme- und Verkehrsbereich – ist es noch ein weiter Weg. Aus diesem Grunde ist es vor dem Hintergrund des galoppierenden Klimawandels unverantwortlich, schon jetzt beim Ausbau der Erneuerbaren auf die Bremse zu treten. Die vorherige Bundesregierung hat dies mit dem „atmenden Deckel“ für die Photovoltaik bereits in die Tat umgesetzt, die jetzige plant selbiges auf die Binnenland-Windenergie [3] auszuweiten. Dabei sind gerade Binnenland-Windenergie und Photovoltaik schon heute die kostengünstigsten und am weitesten entwickelten Erneuerbaren Quellen in Deutschland. Wenn die Bundesregierung in diesen Bereichen die Vergütungssätze weiter kürzt und damit Investitionen unattraktiv macht, handelt sie mit Blick auf die Daseinsvorsorge unverantwortlich.

Sie handelt aber auch unehrlich, denn die Offshore-Windenergie, die noch sehr teuer ist und zudem hohe Kosten für die Netzanbindung verursacht, soll bei den vorgesehenen Kürzungen fast ungeschoren davonkommen.

2. Sofortige Auflage eines Markteinführungsprogramms von Kurzzeit- und Saisonspeichern für Strom

Ein langfristig angelegtes Markteinführungsprogramm für sowohl Kurzzeit-Stromspeicher (Tag-/Nacht-Speicher) als auch für Saisonspeicher (aus Zeiten von Überschüssen für Zeiten mit wenig Wind- und Solarstromangebot) muss bereits heute aufgelegt werden. Mit dem weiteren Ausbau der Erneuerbaren werden in Kürze auch die Zeiten vermehrt auftreten, in denen Sonne und Wind mehr Strom anbieten als zeitgleich in Deutschland verbraucht werden kann. Die Politik will darauf mit Strategien antworten, die Zustände des Stromüberschusses noch auf Jahre hin mit Abregelung, Lastmanagement (DSM=„demand-side-management“), Netzausbau und Export von Stromüberschüssen ins Ausland oder Umwandlung in Wärme zu begegnen. Sie nimmt damit sogar in Kauf, dass zu Zeiten eines negativen Spotmarktpreises Energie regelrecht vernichtet und diese Vernichtung sogar mit Geldzahlungen belohnt wird. Dabei wird jedoch völlig verkannt, dass mittel- und langfristig sowohl Kurzzeit-Speicher als auch Saisonspeicher für mehrere Wochen ohne nennenswerte Beiträge von Wind- und Sonnenenergie unabdingbar für ein vollständig auf Erneuerbaren Energien basierendes System sind. Die Techniken hierzu sind jedoch heute weder marktreif noch kostengünstig und benötigen dringend ein Markteinführungsprogramm ähnlich wie für die Erneuerbaren in der Anfangsphase des EEG.

3. Änderung des Strommarkts durch Abschaffung des Terminmarkts – Spotmarkt only – mit unbedingtem Vorrang für Erneuerbare Energien

Das heutige Strommarktdesign ist für konventionelle (d.h. atomare und fossile) Kraftwerke entwickelt worden und passt in seiner jetzigen Form nicht mit einer hauptsächlich auf Erneuerbaren Energien basierten Versorgung zusammen. Das bestehende System aus Terminmarkt und Spotmarkt passt gut zu einem System aus Grundlastkraftwerken (Atom- und Braunkohlekraftwerke), Mittellast- (Steinkohle-) und Spitzenlastkraftwerken (Gas, Öl). Während die Betreiber von Grundlastkraftwerken aufgrund begrenzter Regelbarkeit ihrer Kraftwerke auf langfristige Planbarkeit abzielen und damit versuchen, am Terminmarkt bereits auf Jahre im Voraus den Stromabsatz zu sichern, springen für die Ausregelung der Tages- und Wochenunterschiede besser oder sehr schnell regelbare Kraftwerke ein, deren Strommengen teilweise über den Spotmarkt der Strombörse gehandelt werden. Für einen demnächst zunehmend aus Erneuerbaren Energien bestehenden Kraftwerkspark passt ein solches Marktdesign nicht mehr. Durch den unabhängig vom Angebot Erneuerbarer Energien vertraglich am Terminmarkt verkauften Sockel an Grundlaststrom wird der gesetzlich im EEG verbriefte Einspeisevorrang der Erneuerbaren zunehmend ausgehebelt und unwirksam. Anstatt in Zeiten hohen Angebots aus Erneuerbaren (gleichzeitig Starkwind und Sonneneinstrahlung) die fossilen und atomaren Kraftwerke (fast) vollständig abzuregeln, speisen diese weiter ihre am Terminmarkt verkauften Strommengen ein. So kommt es zu der paradoxen Situation, dass

  • der Börsenpreis am Spotmarkt sinkt,
  • die EEG-Umlage jedoch steigt,
  • Strom zu günstigen Konditionen ins Ausland verschleudert und sogar vernichtet wird und
  • die Gewerbe- und Haushaltsstrompreise tendenziell steigen statt zu fallen.

Letztlich entscheidend ist jedoch, dass der Konflikt zwischen mangelnder Regelbarkeit von Grundlastkraftwerken und den volatilen Erneuerbaren Energien Wind und Sonne, die eine sehr schnelle Regelbarkeit der Kraftwerke für die Resterzeugung (sog. Residuallast) erfordern, immer offensichtlicher wird. Das bestehende System aus Termin- und Spotmarkt ist für die richtige Kraftwerksauswahl zur Steuerung der Residuallast zunehmend unbrauchbar. Wir schlagen deshalb vor, den Terminmarkt auslaufen zu lassen (keine neuen Verträge mehr) und alle Kraftwerksbetreiber zu zwingen, ihren Strom ausschließlich am Spotmarkt zu verkaufen. In Verbindung mit einem absoluten Einspeisevorrang für fluktuierende Erneuerbare Energien wird das dazu führen, dass Betreiber unflexibler Kraftwerke (Atom und Braunkohle) sukzessive aus dem Markt verdrängt werden bzw. diese Kraftwerke nur noch dann laufen, wenn ihre Betreiber von längeren Zeiten einer Unterversorgung mit volatilen Erneuerbaren Energien ausgehen, beispielsweise also in Winterwochen.

4. Einführung einer CO2-Besteuerung für Kraftwerke

Klimaschädliche Emissionen müssen dringend zurückgefahren werden. Dies ist – neben der Unabhängigkeit von aufgrund absehbarer Verknappung teurer werdenden Importen fossiler Energieträger – die Hauptbegründung für die Energiewende. Die Bundesrepublik hat zu diesem Zweck zusammen mit den EU-Partnern den europäischen Emissionshandel eingeführt. Es gibt jedoch nachweisbar nicht den politischen Willen – sowohl innerhalb der EU als auch weltweit – das bürokratische Emissionshandelssystem wirksam zu gestalten. Würde die Zahl der ausgegebenen Zertifikate drastisch soweit vermindert, dass es zu einer wirklichen Knappheit kommt, so ist zu erwarten, dass sich der Preis der Verschmutzungsrechte entsprechend erhöht. Da dies jedoch offensichtlich nicht wirklich beabsichtigt ist, können überall in der EU, auch in Deutschland, besonders umweltschädliche Braunkohlekraftwerke durchgehend und mit voller Leistung Strom erzeugen und die Umwelt verschmutzen, ohne dass sie angemessen dafür bezahlen. Wir fordern daher zusätzlich als nationale Maßnahme eine wirksame CO2-Besteuerung. So werden umweltschädliche Braunkohlekraftwerke im Wettbewerb benachteiligt, weniger zum Einsatz kommen und damit weniger klimaschädliche Emissionen erzeugen. Stattdessen können weniger klimaschädliche Gas- sowie Gas-und-Dampf-Kraftwerke – die ohnehin für die Residuallast benötigt werden – im Markt wieder Fuß fassen. Wir schlagen darüber hinaus vor, die Mittel, die aus der CO2-Steuer eingenommen werden, zur Finanzierung der Markteinführung der Stromspeicher zu verwenden.

Politiker, die die Energiewende ehrlich meinen, den Klimaschutz voranbringen und von den fossilen Energien loskommen wollen, müssen Antworten auf die Fragen geben, die sich aus dem 2013 verlangsamten Anstieg der Erneuerbaren, den seit zwei Jahren wieder deutlich steigenden deutschen CO2-Emissionen und der zeitgleich zunehmenden „Verschleuderung“ von Strom ins europäische Ausland ergeben. Nicht ein massiver Ausbau des Übertragungsnetzes [5], damit noch mehr schmutziger Braunkohlestrom ins Ausland transportiert werden kann, ist das Anwort, sondern eine Auseinandersetzung mit dem Vier-Punkte-Programm des SFV.

Wir laden die Politik zur Auseinandersetzung mit unseren Forderungen ein und freuen uns auf eine engagierte Diskussion.



[1] Bundeswirtschaftsministerium, 22.01.2014: property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf


[2] Energiewirtschaftsgesetz: http://www.gesetze-iminternet.de/bundesrecht/enwg_2005/gesamt.pdf


[3] Referentenentwurf zur EEG-Novelle, §20d: property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf

[4] SFV Vortrag: http://youtu.be/277ApvHNEQc,


[5] Spiegel-Online: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/netzausbauplan-sabotiert-dieenergiewende-a-918161.html