Ende Juli trat das "Gesetz zur Weiterentwicklung des Strommarktes" in Kraft. In 12 Artikeln werden Änderungen von insgesamt 12 Gesetzen und Verordnungen festgeschrieben. (1) Es geht um das Energiewirtschaftsgesetz, das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Stromnetzentgeltverordnung, die Stromnetzzugangsverordnung, die Anreizregulierungsverordnung, die Reservekraftwerksverordnung, die Elektrizitätssicherungsverordnung, die Biomasse-Nachhaltigkeitsverordnung, Verordnungen aus dem älteren Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2014), die Anlagenregisterverordnung, das Dritte Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften und das Bundesbedarfsplangesetz. Aber auch eine neue Verordnung - die Marktstammregisterverordnung - wurde erlassen.
Trotz scheinbar unverfänglicher Formulierungen wird immer wieder ersichtlich, dass das Gesetzespaket im Kern die bestehenden Energieversorgungsstrukturen festigt. Unter Verwendung von Begriffen, die sich wegen ihrer Zugehörigkeit zum Thema Energiewende einer hohen Akzeptanz erfreuen, wird insgeheim daran gearbeitet, zentrale Erzeugungs- und Verwaltungsstrukturen am Leben zu erhalten, anzupassen und neu aufzubauen. Das Dickicht der Rechtsvorschriften wird immer undurchschaubarer und versperrt jeden Schritt in Richtung Energiewende. Hier einige Eckpunkte:

• Im Strommarkgesetz sollen die Rahmenbedingungen geschaffen werden, die Energiewende zu einem Projekt mit "minimalen volkswirtschaftlichen" Kosten weiterzuentwickeln. Von Forderungen nach einer "unverzerrten" Wirkung von "Marktpreissignalen" und einer "freien wettbewerblichen Preisbildung" ist die Rede. Allerdings wird verschwiegen, dass die fehlende Einbindung von externen volkswirtschaftlichen Kosten eindeutige Wettbewerbsverzerrung zugunsten von Fossil- und Atomstrom sicherstellen. Von einem fairen Marktzugang kann nicht die Rede sein.

• Ab 2016 werden 2,4 GW marode Kohle-Kraftwerksleistung vorläufig stillgelegt und als Reserveleistung deklariert. Entschädigungsleistungen von insgesamt 1,6 Mrd Euro fließen ab 2016 aus den Taschen der Stromkunden in die Taschen der Betreiber. Freuen dürfen sich die Kohlestromer vom Kraftwerk Buschhaus (Stilllegung ab Okt 16), Block P u. Q Frimmersdorf (Stilllegung ab Okt 17), Block E u. F Niederaußem und Block F Jänschwalde (Stilllegung ab Okt. 18), Block C Neurath und Block E Jänschwalde (Stilllegung ab Okt. 19). Von einem Ausstieg aus der Kohleverstromung sind wir noch weit entfernt, denn ca. 45 GW Stein- und Braunkohlekraftwerke bleiben weiterhin in Betrieb.

• Bei der Berechnung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit des Netzausbaus für den Anschluss neuer Wind- und Solaranlagen sollen künftig EE-Spitzenkappungen um bis zu 3 Prozent in die Netzplanung einbezogen werden können. Wörtlich heißt es nunmehr im neuen § 11 Ansatz 2 des EnWG: „Für einen bedarfsgerechten, wirtschaftlich zumutbaren Ausbau der Elektrizitätsversorgungsnetze (...) können Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetze den Berechnungen für ihre Netzplanung die Annahme zugrunde legen, dass die prognostizierte jährliche Stromerzeugung je unmittelbar an ihr Netz angeschlossener Anlage zur Erzeugung von elektrischer Energie aus Windenergie aus Land oder solarer Strahlungsenergie um bis zu 3 Prozent reduziert werden darf (Spitzenkappung). (...)“ Damit kann der Verteilnetzausbau nun auf Sparflamme gefahren werden, da die Abregelung von EE-Anlagen bereits bei der Netzplanung berücksichtigt werden kann. Die Chancen der Stromspeicherung allerdings finden nur unzureichend Erwähnung.

• Ab 2017 soll ein bundesdeutsches Marktstammregister eingerichtet werden, dessen Ziel es ist, "alle Akteure des Energiemarktes" zusammenzuführen. Die gewünschte zentrale Steuerung und Überwachung soll mit weiteren Meldevorschriften und Regelungen einhergehen. Das derzeitige PV-Anlagenregister soll nicht nur integriert, sondern auch um Informationspflichten erweitert werden, z.B. zum Speicherbetrieb oder zur Ausrichtung der Anlage. [2] In der Begründung zum Gesetz liest man, die Verwaltung des neuen Marktstammregisters erfordere zwar mehr behördliches Personal bei BNetzA, BMWi und Bundeskartellamt (zusätzlich veranschlagte Lohnkosten von ca. 7 Mio €/a), würde allerdings den "Bürokratieabbau" in besonderer Weise fördern. Da sind wir aber gespannt!

Adieu Energiewende? Eine Bundesregierung, die den Klimaschutz mit Füßen tritt, gehört bei der nächsten Bundestagswahl abgewählt!


Quellen:
[1] [link: https://www.bmwi.de/DE/Themen/Energie/Strommarkt-der-Zukunft/strommarkt-2-0.html
, Strommarktgesetz]
[2] Konsultation der Bundesnetzagentur zum Marktstammregister: http://www.bundesnetzagentur.de