Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) hat zum 11.11.2010 eine "Roadmap" veröffentlicht . Die Roadmap trägt die Überschrift: „Photovoltaik-Branche setzt sich ehrgeizige Ziele in Richtung Wettbewerbsfähigkeit“. Nach vielen schönen und optimistischen Worten kommt das Papier auf den entscheidenden Punkt:

Zitat: „3. Die Umlage für Solarstrom kann auf rund 2 Cent je Kilowattstunde begrenzt werden - oder umgerechnet pro Person in einem Durchschnittshaushalt auf weniger als 2 Euro pro Monat. Die Umlage wird zwar durch einen erwarteten Zubau von 8 bzw. 6 Gigawatt bei Solaranlagen in den Jahren 2010 bzw. 2011 getrieben, ab 2012 ist aber ein Einschwingen auf einen Zubau von etwa 3 bis 5 Gigawatt pro Jahr
zu erwarten."
Ende des Zitats.

Mit anderen Worten: Verzeihung, unsere Mitgliedsunternehmen haben versehentlich in den Jahren 2010 und 2011 zu viel Solaranlagen gebaut, aber wir geloben Besserung. Damit es nicht so teuer wird, werden sie ab 2012 jährlich nur noch etwa die Hälfte zubauen.

Wie erklärt der BSW seinen Mitgliedern diese Kapitulation vor der Politik und der Stromwirtschaft? Und wie erklärt er der Öffentlichkeit den Verzicht auf die rasche Umsetzung der Energiewende?

Zum gleichen Thema äußert sich Dr. Volker Buddensiek - Chefredakteur von Sonne, Wind & Wärme. Sein lesenswertes Editorial trägt den Titel: „Liebhaben reicht nicht!“


Liebhaben reicht nicht!

Editorial von Volker Buddensiek in der Zeitschrift „Sonne, Wind und Wärme“, Ausgabe 17/2010

Am 11. November beginnt traditionell der Karneval. Alle Menschen – also gut, zumindest viele Rheinländer - haben sich plötzlich lieb, wollen gemeinsam feiern und lustig sein. Auch im preußischen Berlin scheint sich diese Idee von der fünften Jahreszeit in den Köpfen festzusetzen. Dort trafen sich am 11. und 12. November die Spitzen der deutschen Solarunternehmen zum 11. Forum Solarpraxis im Hilton Hotel. In Vorträgen, Diskussionsrunden und Analysten-Panels ging es allenthalben um die Zukunftsaussichten von Photovoltaik und Solarwärme. Zwei Roadmaps des Bundesverbandes Solarwirtschaft sollen den Weg in eine solare Zukunft weisen. Eine davon, die den Kollegen von der Solarthermie den Weg aus dem gegenwärtigen Novembergrauen in eine sonnige Zukunft aufzeigen soll, hatte der Verband erst am Vortag in Auftrag zu geben beschlossen. Für die weniger notleidende Photovoltaik war man da schon weiter.

Pünktlich am 11. November stellte der Verband seinen „Wegweiser Solarwirtschaft“ der Öffentlichkeit vor. Dieser ist in erster Linie als Angebot an die Politik gedacht. Er soll aufzeigen, wie sich die PV in den nächsten Jahren in Deutschland weiterentwickeln kann, ohne dabei mit den Ausbauzielen der Bundesregierung zu kollidieren - und vor allem ohne ein Anwachsen der EEG Umlage, das die gesamte Konstruktion des EEG zum Wackeln bringt. Nach 8 bis 9 GW Neuinstallationen in diesem Jahr sollen es 2011 nun bestimmt nicht mehr als 6 GW sein. Wie dies bei weiterhin sinkenden Systempreisen und entsprechend attraktiver Rendite für Investoren gewährleistet werden soll, darüber war nichts in Erfahrung zu bringen. Ziemlich unwahrscheinlich jedenfalls, dass ein Unternehmen einen Kunden abweisen wird mit dem Hinweis, er möge 2012 wiederkommen, jetzt passe es politisch nicht.

In diesem Jahr trägt Photovoltaik erstmals 2 % zur nationalen Stromerzeugung bei. Egal, wie bescheiden der Zubau im kommenden Jahr auch ausfallen wird, am Ende werden es mehr solare Kilowattstunden sein, die ins Netz gehen – und dort werden sie den vier großen Stromerzeugern Umsatz und Gewinn schmälern. Da ist es dann schnell vorbei mit Lustigsein und Liebhaben. Wie die reagieren, haben wir gerade gesehen. Und worum es geht, zeigen die fast zeitgleich mit der Roadmap veröffentlichten Quartalszahlen der „Big Four“. RWE hat am 11. November die Bilanz für die ersten drei Quartale bekanntgegeben. Gegenüber dem Vorjahr konnte der Konzern sein betriebliches Ergebnis um 11 % steigern. Der Außenumsatz – immerhin ein Volumen von 38,5 Mrd. € – stieg sogar um 14 %. Eon war bereits einen Tag vorher an die Öffentlichkeit gegangen: Der Konzernumsatz liegt mit 64 Mrd. € rund 11 % über dem Vorjahresniveau, das bereinigte Ebit legte um 9 % auf gut 8 Mrd. € zu. Die Kollegen von EnBW kamen mit ihren Zahlen dagegen erst am 12. November aus der Deckung: Lediglich „zufriedenstellend“ fanden sie die Steigerung des Außenumsatzes um 10,7 % auf rund 12,9 Mrd. €. Im Geschäftsfeld Strom, Erzeugung und Handel stieg das Adjusted Ebit um 8,1 % auf 1,3 Mrd. €. Bleibt schließlich noch Vattenfall. Deren Zahlen wurden bereits am 28. Oktober vorgelegt: Rund 16,8 Mrd. € Nettoumsatz und damit ein sattes Plus von 12,9 %. Der Betriebsgewinn stieg im Neunmonatszeitraum um 11,9 %.

Die Roadmap des Bundesverbands Solarwirtschaft mag über wirtschaftliche Mechanismen versuchen, die Entwicklung politikkonform zu steuern. Die Quartalszahlen der Konventionellen zeigen aber, worum es eigentlich geht: die Entscheidung zwischen einem Energie-Oligopol und einer demokratischen, dezentralen Energieerzeugung. Da reicht es nicht aus, auf Marktmechanismen zu setzen. Die Entscheidung kann nur politisch fallen – und daher muss der Verband mit all seinen Mitgliedsunternehmen eine politische Roadmap erstellen. Die Kraft zu einem die Regenerativen fördernden Gesetz ist schon einmal parteiübergreifend aus dem Parlament gekommen.

Viel Zeit bleibt dazu allerdings nicht. Und als Verband schaue man sich bitte an, bei wem man sich unterhakt und mit wem man schunkelt.