"Deutschland braucht seine Klima- und Energiewendeziele infolge der Beschlüsse von Paris nicht zu verändern."

So schreibt Staatssekretär Rainer Baake in einem Gastbeitrag auf Seite 9 der Wochenzeitschrift DIE ZEIT vom 17.03.2016. Die ZEIT hat diesen Gastbeitrag mit dem bemerkenswerten Zusatz versehen:

"Rainer Baake ist Mitglied der Grünen und als Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium für die Energiewende zuständig."

Für viele Grünen-Wähler könnte das ein Schock sein.
Jeder weiß, dass Gabriel und Merkel verantwortlich sind. Aber stützt jetzt ein Staatssekretär der Grünen die Schwarz-Rote Koalition bei der Sabotage an der Energiewende? War nicht die Energiewende einst ein Markenzeichen der Grünen? Gibt es nun ein Parteiausschlussverfahren für Rainer Baake wegen parteischädigenden Verhaltens?

Eine sachlich gut fundierte scharfe Entgegnung von Hans-Josef Fell (ehemals energiepolitischer Sprecher der Grünen), wurde nach Auskunft von Fell durch die ZEIT abgelehnt. Wie gering ist dort wohl das Interesse an der Klimafrage?


Leserbrief von Hans-Josef Fell zu Rainer Baakes "Klimaschutzbeitrag" vom 17.3.2016 in DIE ZEIT

"Rainer Baake irrt und täuscht die Öffentlichkeit, wenn er schreibt, dass Deutschland seine Klimaschutzziele als Ergebnis zu den Pariser Beschlüssen nicht anpassen müsse.

In Paris wurde mit Zustimmung der Bundesregierung beschlossen, die Erderwärmung möglichst schon bei 1,5 ° C zu stoppen. Was das bedeutet, hat kürzlich das New Climate Institut berechnet. Ab 2035 darf es weltweit keine Klimagasemissionen mehr geben. Die Industrienationen wie Deutschland müssten daher z.B. im besonders emissionsstarken Energiesektor spätestens 2030 auf 100% Erneuerbare Energien umgestellt haben - wohlgemerkt in allen Energiesektoren, nicht nur bei Strom.

Davon ist Deutschland meilenweit entfernt. Die Ziele der Bundesregierung liegen gerade mal bei 30% Erneuerbare Energien bis 2030. Und das Schlimme ist, es gibt in Deutschland keine ausreichende Dynamik, in den nächsten Jahren dies auch nur annähernd zu erreichen. Im Gegenteil: Unter der federführenden Verantwortung von Staatssekretär Baake wurde in der Verwirklichung seiner Vorschläge als Agorachef mit der EEG Novelle 2014 die dynamische Entwicklung im Ökostromsektor von Bioenergien, Wasserkraft, Geothermie jäh abgebrochen. 2015 gab es dort keine nennenswerten Investitionen mehr. Im Solarsektor liegen die Neuinvestitionen sogar weit unter dem schon viel zu niedrigen Ausbauziel der Bundesregierung.

Nur noch im Windsektor gibt es starke Investitionen doch diese sollen nach seinen Vorschlägen ab 2017 mit der EEG Novelle 2016 massiv gekappt werden. Wird dies realisiert, dann wird der Ausbau bis 2022 gerade mal 40 TWh jährliche neue Stromerzeugung Ökostrom bringen. Es müssen aber bis dahin 90 TWh jährliche Atomstromerzeugung ersetzt werden. Dies will Herr Baake offensichtlich im Wesentlichen mit Erdgaskraftwerken schaffen, womit die CO2 Emissionen im Stromsektor weiter ansteigen werden, wie es in den Sektoren Wärme und Verkehr bereits 2015 infolge der Untätigkeit der Bundesregierung geschehen ist.

Dabei sind die Ziele der Bundesregierung mit vor vielen Jahren festgelegten Reduktion der Treibhausgase von 80% bis 2050 völlig unzureichend und damit unverantwortlich. Neuere Klimaforschungen zeigen erneut, wie schon in den vergangenen Jahren, dass der Weltklimarat immer wieder die tatsächliche Klimaentwicklung unterschätzt. So haben Australische Forscher der Universitäten Queensland und Griffith vergangene Woche erklärt, dass sich nach ihren Prognosen das Klima schneller aufheizt als erwartet. Bis zum Jahr 2020 sei ein Temperaturanstieg bis zum Pariser Ziel von 1,5 Grad Celsius möglich und ab 2030 könnten bereits zwei Grad erreicht sein. (FR, 17.03.2016).

Gestützt wird diese Vorhersage durch die Hiobsbotschaft der US-amerikanische Ozean- und Atmosphärenbehörde NOAA, wonach innerhalb eines Jahres, von Februar 2015 auf Februar 2016, die CO2-Konzentration von 400,25 ppm (parts per million) auf 404,02 ppm sprunghaft gestiegen ist, in den Jahren zuvor lag das Plus jeweils bei etwa 2,2 ppm (FR, 17.03. 2016).

Diese dramatische Klimaentwicklung und die Pariser Beschlüsse brauchen neue Antworten, die Rainer Baake nicht liefert, wahrscheinlich gar nicht liefern will und aus Loyalität zu seinem SPD-Wirtschaftsminister Gabriel auch nicht liefern darf. Damit wird Deutschland nicht den erforderlichen Beitrag liefern, der sich aus den Pariser Beschlüssen zwangsläufig ergibt. Rainer Baake ist damit mitverantwortlich für die völlig unzulänglichen klimapolitischen Maßnahmen der Bundesregierung. Er trägt somit auch Verantwortung für die weitere Zerstörung von menschlichen Lebensräumen durch rasant zunehmende klimabedingte Wetterextreme und den Meeresspiegelanstieg, weshalb weitere zig Millionen Menschen aus ihren Heimatländern werden flüchten müssen. Er trägt auch Verantwortung für weiter zunehmende kriegerische Spannungen im Kampf um die knappen Erdöl- und Erdgasressourcen. Er verursacht weitere Insolvenzen und zehntausende Arbeitsplatzverluste in der einst blühenden deutschen Branche der Erneuerbaren Energien. Mit seinen Gesetzesnovellen treibt er diese wichtige Zukunftsbranche weiter aus Deutschland hinaus nach China und USA - eine Bankrotterklärung deutscher Industriepolitik.

Hammelburg, den 24. März 2016

Ihr Hans-Josef Fell"

 

Das BMWi versagt beim Ausstieg aus Öl, Kohle und Gas

Wenn aus überlebenswichtigen Gründen ein wirtschaftlich erfolgreiches Energieversorgungssystem vorzeitig beendet werden muss, dann wird dies nicht durch Einsicht des "freien Marktes" geschehen. Der "freie Markt" ist bekanntlich zukunftsblind. Passives Abwarten genügt deshalb nicht.

Der Umstieg muss organisiert werden und zuständig ist dafür federführend das Wirtschaftsministerium.

Rainer Baake (der bereits früher schon einmal seit 1991 als Staatssekretär in Hessen mit Energiefragen befasst war) erklärt dazu in seinem eingangs erwähnten Gastbeitrag: "Uns fehlt bislang eine Ausstiegsstrategie für Öl, Kohle und Gas..."

Erstaunlich, dass Baake ein solches Geständnis ablegt. Immerhin ist er zuständig für die Ausstiegsstrategie. Und seit 1991 hätte er Zeit zum Nachdenken gehabt.

Wer aus Öl, Kohle und Gas aussteigen will, müsste sich zuerst einmal um den beschleunigen Ausbau der Erneuerbaren Energien Sonne und Wind und die dazugehörigen Stromspeicher kümmern, doch da kommt vom BMWi weniger als nichts.

Im kürzlich bekanntgewordenen Referentenentwurf des BMWi zum EEG 2016 - für den Baake mit verantwortlich ist - heißt es: "Durch dieses Gesetz wird das EEG auf Ausschreibungen umgestellt: Künftig wird der in EEG-Anlagen erzeugte Strom grundsätzlich nur noch bezahlt, wenn die Anlagen erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen haben. Zu diesem Zweck wird die Bundesnetzagentur (BNetzA) die Zahlungen für Strom aus neuen Anlagen regelmäßig ausschreiben. Dabei werden die Ausschreibungsvolumen so bemessen, dass der Ausbaukorridor (40 bis 45 Prozent Erneuerbaren-Anteil [SFV-Anmerkung: am Stromverbrauch] im Jahr 2025) eingehalten wird."

Das soll Dekarbonisierung sein??? Das ist - verzeihen Sie - Kapitulation vor den Interessen der konventionellen Energiewirtschaft!

Anregung zu öffentlichem Widerspruch

Der SFV schlägt vor, dass sich die Energieexperten aller Parteien - nicht nur der Grünen - um eine Stellungnahme zum verheerenden Gastbeitrag von Rainer Baake äußern.

Wir werden diese Stellungnahmen auch auf unserer Internetseite veröffentlichen. Die Bevölkerung soll wissen, welchen Parteien sie im Bundestagswahlkampf ihre Stimme geben kann.