Fazit der Diplomarbeit zum Thema: „Stromspeicherung - Die Gestaltung einer umweltfreundlichen und sicheren Energieversorgung als Herausforderung für Recht und Politik“, Universität Lüneburg, 11.07.2008

Die Diplomarbeit hat sich zur Aufgabe gemacht, mit der Stromspeicherung ein zwar zunehmend technisch aber rechtlich bisher so gut wie nicht betrachtetes Themengebiet möglichst umfassend zu untersuchen. (..) Es verbleibt die Erkenntnis, dass die Stromspeicherung in Verbindung mit der regenerativen Erzeugung eine wichtige Rolle spielen wird, und das Erstaunen darüber, dass dies in der Rechtsgebung aber auch in der Rechtsliteratur bisher nicht einmal ansatzweise berücksichtigt worden ist.

Vor allem durch den Konflikt zwischen bestehend unflexiblen Erzeugungs- und Verteilungsstrukturen und dem Ausbau der Erneuerbaren Energien wird kurz- und mittelfristig der potentielle Bedarf für die Stromspeicherung aller Wahrscheinlichkeit nach steigen. Für eine langfristig umweltfreundliche und sichere Energieversorgung auf der Basis regenerativer Stromerzeugung sind neue Stromspeicherkapazitäten weitgehend alternativlos. Einzig bei einem über Europa hinausgehenden „Supergrid“ mit verlustarmer Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung sind zumindest aus technischer Sicht Systeme mit einem geringen Bedarf für neue Speichersysteme realisierbar (kritische Bewertung des Autors - siehe unteren Kasten). Alle dezentralen Ansätze oder Fortschreibungen des derzeitigen Status quo machen einen mehr oder weniger umfassenden Ausbau der Stromspeicherung unabdingbar. Ausgehend von den verschiedenen zeitlichen Dargebotscharakteristika, der im jeweiligen Energiemix bestimmenden fluktuierenden Erneuerbaren Energien ergeben sich Schwerpunkte bei den abzudeckenden Speicherzeiträumen. Effiziente und zuverlässige Technologien hierfür wären vorhanden oder sind in der Entwicklung.

Statt der Nutzung des Wasserstoffs, die auch auf sehr lange Sicht die teuerste und ineffizienteste Variante bleibt, bietet sich eine Vielzahl von Technologien für eine Vielzahl von Anwendungsgebieten an. Neben der altbekannten Pumpspeicherung und neuer Systeme zur Druckluftspeicherung für großskalige Anwendungen, bieten auf dezentraler Ebene diverse Batteriesysteme verheißungsvolle Aussichten. Alle Batterietechnologien zeichnen sich durch eine hohe Flexibilität und Vielseitigkeit aus. Daher ergeben sich bei der Anwendung vielfältige Synergien. Besonders deutlich wird dies bei verbrauchsseitiger Speicherung. Hier kann Peak Shaving oder Load Levelling mit unterbrechungsfreier Stromversorgung kombiniert werden, und mit dem Vehicle to Grid-Konzept bietet sich sogar eine gemeinsame Lösung für die Bereitstellung von umweltfreundlicher Mobilität und wertvoller Regelenergie.

Ebenso vielfältig wie die Speichertechnologien werden die Änderungen am Energierecht sein müssen. Denn die derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen für die Stromspeicherung können nur als ungenügend bezeichnet werden. Positive Ausnahmefälle können darüber nicht hinwegtäuschen.
Nur an einer Stelle im Energiewirtschaftsrecht wird die Stromspeicherung überhaupt erwähnt. Der entsprechende Passus im EEG 2009 bleibt aber vorerst wirkungslos. Bestehende und zukünftige Stromspeicheranlagen können als Kombination aus Verbrauchseinrichtung, Speichereinheit und Erzeugungsanlage an den Energiemärkten agieren. Auf diesen bestehen aber vor allem für dezentrale Speicherbetreiber eine ganze Reihe von rechtlichen Hindernissen. Bei anderen potentiellen Einsatzgebieten wie dem Engpassmanagement bestehen erst gar keine Märkte. Der Netzausbau wird rechtlich als weitgehend alternativlos determiniert. Daraus resultiert, dass letztlich nur eines der vorgestellten Speicherkonzepte bei bestehendem Energiewirtschaftsrecht machbar erscheint. Es stellt weitgehend eine Fortführung des bisherigen Vorgehens dar, wird aber schon mittelfristig kaum den steigenden Bedarf für Stromspeicherung decken können. Langfristig stellt es nur im Zusammenspiel mit einem über Europa hinaus gehenden „Supergrid“ eine Option für eine regenerative Stromversorgung dar. Soll dieses nicht als einzige und vage Lösung verbleiben, sollten dringend Hindernisse im Recht beseitigt und wirkungsvolle Anreize für eine weiträumig verteilte Stromspeicherung geschaffen werden.

Mögliche Verbesserungsansätze im Energierecht wurden aufgezeigt. Kurzfristig empfiehlt sich, neben der Beseitigung bestehender Hemmnisse im EnWG, auf der Basis von § 64 EEG 2009 die möglichst zügige Ergänzung einer Verordnung zur marktgerechten Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren Energien. Langfristig sind tiefergehende Änderungen erforderlich. Variable Strompreise würden die verbrauchsnahe Speicherung fördern, die Bestimmung zur Erbringung von Regelenergie sollten angepasst werden und insbesondere für eine über Tagesfrist hinausgehende Stromspeicherung müssen Lösungen geschaffen werden.

Viele Staaten scheinen angesichts der Klima–problematik, sinkender Energierohstoffreserven und steigender Erdöl- und Erdgaspreise derzeit einen energiepolitischen Rückfall in ein neues „Atomzeitalter“ zu erleben. In Deutschland besteht noch die Hoffnung, dass für ein komplexes Problem auch eine entsprechend vielschichtige Lösung gesucht wird. Ein allein an der Vermeidung von CO2 orientierter Mix aus so gut wie nicht regelbarer Atomkraft und fluktuierender Erzeugung aus Erneuerbaren Energien ist alles andere als ein Modell für die Zukunft. Eine Kombination aus verschiedenen Erneuerbaren Energien und flexiblen Anlagen zur Stromspeicherung dagegen wäre ein, vielleicht der einzige, Ausweg um kurz- und langfristig eine sichere und umweltfreundliche Energieversorgung zu gewährleisten. Soll diese Chance ergriffen werden, müsste sich auch der Gesetzgeber auf die Komplexität der Herausforderung einlassen und geeignete Regelungen finden.

Kritische Auseinandersetzung mit dem Projekt Sahara-Strom

Kommentar von Wolf von Fabeck

In seiner Diplomarbeit „Szenarien der Stromversorgung“ vergleicht Peter Boll auch zwei unterschiedlichen Konzepte für eine 100% Versorgung mit Erneuerbaren Energien: Zum einen das Konzept einer regional organisierten Stromversorgung, die die regionalen Potentiale von Sonne, Wind, Wasserkraft usw. nutzt - Windenergie auch im Binnenland, nicht nur an den Küsten und offshore, und Solarenergie auch in Norddeutschland. Zum anderen das Konzept einer zentralistisch organisierten Stromversorgung ganz Europas, die den Solarstrom nur dort gewinnt, wo die Sonne besonders intensiv scheint, den Windstrom nur dort, wo der Wind besonders heftig weht usw, das „Sahara-System“. Seine Schlussfolgerungen:
Um eine ununterbrochene Stromversorgung zu gewährleisten, kommt man im regionalen Konzept nicht um den massiven Ausbau von Speichern herum. Beim Sahara-System muss man stattdessen ein völlig neues Super-Stromtransportnetz über ganz Europa ausspannen. Es müssen also nicht nur die Transportnetze durch das Mittelmeer, von Afrika nach Europa neu errichtet werden, sondern auch innerhalb der einzelnen Europäischen Länder müssen die bisherigen Höchstspannungsnetze (Drehstrom) durch ein anderes Übertragungsnetz (Gleichstrom) mit erheblich höherer Kapazität ersetzt werden, um z.B. den Sahara Strom über die Alpen bis nach Dänemark zu transportieren.
Boll nennt viele Gründe, warum er das regionale Konzept befürwortet. Außerdem setzt er sich kritisch mit Dr. Gregor Czisch auseinander, der in seiner Arbeit das „Sahara-System“ vertritt.
Boll macht darauf aufmerksam, dass Czisch beim Vergleich der beiden Systeme die Kosten der Stromspeicherung erheblich zu hoch angesetzt hat, da Czisch die preislich ungünstigste Form der Stromspeicherung ausgerechnet per teurer Wasserstofftechnologie zugrunde legt. Außerdem hält Boll die von Czisch angesetzten Kosten für die Errichtung des Super-Stromtransportnetzes und der Leitungsverluste mit nur 11 % für unrealistisch gering, da Czisch nur Freileitungen, aber keine Erdkabel etc. annimmt. Boll bezweifelt auch, dass das Sahara-System ohne Stromspeicher auskommt. Boll beanstandet, dass Czisch nicht die wirtschaftlich erzielbaren Preise für Spitzenlastdeckung und Regelenergie zugrunde legt, sondern nur von den reinen Kosten ausgeht, die Konzerngewinne also vernachlässigt. Schließlich führt Boll weitere Nachteile des Shara-Systems auf, wie Abhängigkeit von Stromimporten. Und er nennt auch den großen Vorteil der regionalen Systeme, ihre höhere Versorgungssicherheit auf lokaler Ebene.